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Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898.

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[Gleich. 37] § 21. Calorimetrie.
ist; es bleibt also der Meniscus immer zwischen dem oberen
und unteren Ende der Röhre, bis er endlich bei der kritischen
Temperatur verschwindet, da daselbst die tropfbare Flüssigkeit
und der Dampf gleiche Beschaffenheit annehmen.

Wir sahen, dass die Grenze des Zweiphasenraumes in der
Nähe des kritischen Punktes fast horizontal verläuft. Deshalb
verschwindet der Meniscus auch schon nahezu, wenn die Ge-
rade N N1 nur in der Nähe von K K1 liegt. Theoretisch
müsste er sich im Inneren der Röhre erhalten, bis die Tempe-
ratur fast gleich der kritischen geworden ist und dann enorm
schnell ans obere oder untere Ende der Röhre wandern. Doch
kann dies nicht mehr beobachtet werden, da er vorher so un-
deutlich wird, dass man aufhört, ihn zu sehen und da auch
die Temperatursteigerung nicht an allen Stellen der Röhre ab-
solut gleichmässig erfolgt. Zudem verursachen kleine Verun-
reinigungen der Substanz gerade an dieser kritischen Stelle
leicht erhebliche Störungen.

§ 21. Calorimetrie einer das van der Waals'sche
Gesetz befolgenden Substanz
.

Da wir eine bestimmte mechanische Vorstellung zu Grunde
gelegt haben, so hat es keine Schwierigkeit, auch den Ausdruck
für das Differentiale d Q der zugeführten Wärme zu bestimmen.
Sei wie in Formel 19) und im I. Theile § 8 [Formel 1] das mittlere
Geschwindigkeitsquadrat der Schwerpunktsbewegung (fortschrei-
tenden Bewegung) eines Moleküles, daher 1/2 [Formel 2] die mittlere
lebendige Kraft der Schwerpunktsbewegung der in der Massen-
einheit der Substanz befindlichen Moleküle. Wird die Tem-
peratur der Masseneinheit um d T erhöht, so ist also derjenige
Antheil der zugeführten Wärme, welcher auf Erhöhung der
lebendigen Kraft dieser Schwerpunktsbewegung verwendet wird,
in Arbeitsmaass gemessen:
[Formel 3] .
Letztere Relation folgt nach Gleichung 21).

Obwohl wir bei Ableitung des Waals'schen Gesetzes
voraussetzten, dass sich die Moleküle bei den Stössen nahezu
wie elastische Kugeln verhalten, so schliessen wir jetzt doch
der Allgemeinheit wegen intramolekulare Bewegungen nicht aus

4*

[Gleich. 37] § 21. Calorimetrie.
ist; es bleibt also der Meniscus immer zwischen dem oberen
und unteren Ende der Röhre, bis er endlich bei der kritischen
Temperatur verschwindet, da daselbst die tropfbare Flüssigkeit
und der Dampf gleiche Beschaffenheit annehmen.

Wir sahen, dass die Grenze des Zweiphasenraumes in der
Nähe des kritischen Punktes fast horizontal verläuft. Deshalb
verschwindet der Meniscus auch schon nahezu, wenn die Ge-
rade N N1 nur in der Nähe von K K1 liegt. Theoretisch
müsste er sich im Inneren der Röhre erhalten, bis die Tempe-
ratur fast gleich der kritischen geworden ist und dann enorm
schnell ans obere oder untere Ende der Röhre wandern. Doch
kann dies nicht mehr beobachtet werden, da er vorher so un-
deutlich wird, dass man aufhört, ihn zu sehen und da auch
die Temperatursteigerung nicht an allen Stellen der Röhre ab-
solut gleichmässig erfolgt. Zudem verursachen kleine Verun-
reinigungen der Substanz gerade an dieser kritischen Stelle
leicht erhebliche Störungen.

§ 21. Calorimetrie einer das van der Waals’sche
Gesetz befolgenden Substanz
.

Da wir eine bestimmte mechanische Vorstellung zu Grunde
gelegt haben, so hat es keine Schwierigkeit, auch den Ausdruck
für das Differentiale d Q der zugeführten Wärme zu bestimmen.
Sei wie in Formel 19) und im I. Theile § 8 [Formel 1] das mittlere
Geschwindigkeitsquadrat der Schwerpunktsbewegung (fortschrei-
tenden Bewegung) eines Moleküles, daher ½ [Formel 2] die mittlere
lebendige Kraft der Schwerpunktsbewegung der in der Massen-
einheit der Substanz befindlichen Moleküle. Wird die Tem-
peratur der Masseneinheit um d T erhöht, so ist also derjenige
Antheil der zugeführten Wärme, welcher auf Erhöhung der
lebendigen Kraft dieser Schwerpunktsbewegung verwendet wird,
in Arbeitsmaass gemessen:
[Formel 3] .
Letztere Relation folgt nach Gleichung 21).

Obwohl wir bei Ableitung des Waals’schen Gesetzes
voraussetzten, dass sich die Moleküle bei den Stössen nahezu
wie elastische Kugeln verhalten, so schliessen wir jetzt doch
der Allgemeinheit wegen intramolekulare Bewegungen nicht aus

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[51/0069] [Gleich. 37] § 21. Calorimetrie. ist; es bleibt also der Meniscus immer zwischen dem oberen und unteren Ende der Röhre, bis er endlich bei der kritischen Temperatur verschwindet, da daselbst die tropfbare Flüssigkeit und der Dampf gleiche Beschaffenheit annehmen. Wir sahen, dass die Grenze des Zweiphasenraumes in der Nähe des kritischen Punktes fast horizontal verläuft. Deshalb verschwindet der Meniscus auch schon nahezu, wenn die Ge- rade N N1 nur in der Nähe von K K1 liegt. Theoretisch müsste er sich im Inneren der Röhre erhalten, bis die Tempe- ratur fast gleich der kritischen geworden ist und dann enorm schnell ans obere oder untere Ende der Röhre wandern. Doch kann dies nicht mehr beobachtet werden, da er vorher so un- deutlich wird, dass man aufhört, ihn zu sehen und da auch die Temperatursteigerung nicht an allen Stellen der Röhre ab- solut gleichmässig erfolgt. Zudem verursachen kleine Verun- reinigungen der Substanz gerade an dieser kritischen Stelle leicht erhebliche Störungen. § 21. Calorimetrie einer das van der Waals’sche Gesetz befolgenden Substanz. Da wir eine bestimmte mechanische Vorstellung zu Grunde gelegt haben, so hat es keine Schwierigkeit, auch den Ausdruck für das Differentiale d Q der zugeführten Wärme zu bestimmen. Sei wie in Formel 19) und im I. Theile § 8 [FORMEL] das mittlere Geschwindigkeitsquadrat der Schwerpunktsbewegung (fortschrei- tenden Bewegung) eines Moleküles, daher ½ [FORMEL] die mittlere lebendige Kraft der Schwerpunktsbewegung der in der Massen- einheit der Substanz befindlichen Moleküle. Wird die Tem- peratur der Masseneinheit um d T erhöht, so ist also derjenige Antheil der zugeführten Wärme, welcher auf Erhöhung der lebendigen Kraft dieser Schwerpunktsbewegung verwendet wird, in Arbeitsmaass gemessen: [FORMEL]. Letztere Relation folgt nach Gleichung 21). Obwohl wir bei Ableitung des Waals’schen Gesetzes voraussetzten, dass sich die Moleküle bei den Stössen nahezu wie elastische Kugeln verhalten, so schliessen wir jetzt doch der Allgemeinheit wegen intramolekulare Bewegungen nicht aus 4*

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Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/69>, abgerufen am 28.03.2024.