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Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898.

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[Gleich. 57] § 29. Zweiter Beweis d. Liouville'schen Satzes.
schwindigkeit u nach Verlauf einer unveränderlich gegebenen
Zeit t. Es ist also
56) [Formel 1] .
Da wir nur zwei Variable haben, können wir sowohl deren
Anfangswerthe als auch deren Werthe zur Zeit t durch je
einen Punkt in der Ebene darstellen, dessen Abscisse gleich
der Abscisse, dessen Ordinate aber gleich der Geschwindigkeit
des materiellen Punktes ist. Alle Punkte eines Rechteckes mit
den Seiten d X und d U stellen ein zweifach unendlich kleines
Gebiet der x dar, d. h. sie repräsentiren alle möglichen mate-
riellen Punkte, für welche zu Anfang der Zeit Coordinate und
Geschwindigkeit zwischen
X und X + d X und U und U + d U
lagen. Das diesem Gebiete G entsprechende Gebiet g der x
umfasst die Coordinaten x und die Geschwindigkeiten u, welche
alle diese materiellen Punkte nach Verlauf der constant anzu-
sehenden Zeit t haben. Nach den Gleichungen 56) ist u ein-
fach um die Constante g t grösser als U. Dagegen ist die
Differenz x -- X um so grösser, je grösser U ist. Man sieht
daher leicht, dass das Gebiet g ein schiefwinkeliges Parallelo-
gramm ist, dessen Basis gleich d X und dessen Höhe gleich d U
ist, das also, wie es nach Gleichung 52) sein muss, mit dem
Rechtecke G = d X d U flächengleich ist.

§ 29. Zweiter Beweis des Liouville'schen Satzes.

Wir wollen noch einen zweiten Beweis der Gleichung 52)
oder 55) geben, wobei wir nicht von der Zeit Null direct auf
die Zeit t, sondern zunächst nur von der Zeit t auf eine un-
endlich nahe Zeit t + d t schliessen. Wir wollen aber den
Satz zugleich noch etwas verallgemeinern, indem wir von
unserer independenten Variabeln, die wir demgemäss mit s
bezeichnen, nicht gerade unbedingt voraussetzen, dass es die
Zeit sei; wir wollen dieselbe vielmehr ganz unbestimmt lassen,
obwohl wir zur Veranschaulichung noch immer an die Zeit als
independente Variable denken können. Beliebige dependente
Variable s1, s2 ... sn sollen durch folgende Differentialgleichungen:
57) [Formel 2]

[Gleich. 57] § 29. Zweiter Beweis d. Liouville’schen Satzes.
schwindigkeit u nach Verlauf einer unveränderlich gegebenen
Zeit t. Es ist also
56) [Formel 1] .
Da wir nur zwei Variable haben, können wir sowohl deren
Anfangswerthe als auch deren Werthe zur Zeit t durch je
einen Punkt in der Ebene darstellen, dessen Abscisse gleich
der Abscisse, dessen Ordinate aber gleich der Geschwindigkeit
des materiellen Punktes ist. Alle Punkte eines Rechteckes mit
den Seiten d X und d U stellen ein zweifach unendlich kleines
Gebiet der x dar, d. h. sie repräsentiren alle möglichen mate-
riellen Punkte, für welche zu Anfang der Zeit Coordinate und
Geschwindigkeit zwischen
X und X + d X und U und U + d U
lagen. Das diesem Gebiete G entsprechende Gebiet g der ξ
umfasst die Coordinaten x und die Geschwindigkeiten u, welche
alle diese materiellen Punkte nach Verlauf der constant anzu-
sehenden Zeit t haben. Nach den Gleichungen 56) ist u ein-
fach um die Constante γ t grösser als U. Dagegen ist die
Differenz xX um so grösser, je grösser U ist. Man sieht
daher leicht, dass das Gebiet g ein schiefwinkeliges Parallelo-
gramm ist, dessen Basis gleich d X und dessen Höhe gleich d U
ist, das also, wie es nach Gleichung 52) sein muss, mit dem
Rechtecke G = d X d U flächengleich ist.

§ 29. Zweiter Beweis des Liouville’schen Satzes.

Wir wollen noch einen zweiten Beweis der Gleichung 52)
oder 55) geben, wobei wir nicht von der Zeit Null direct auf
die Zeit t, sondern zunächst nur von der Zeit t auf eine un-
endlich nahe Zeit t + δ t schliessen. Wir wollen aber den
Satz zugleich noch etwas verallgemeinern, indem wir von
unserer independenten Variabeln, die wir demgemäss mit s
bezeichnen, nicht gerade unbedingt voraussetzen, dass es die
Zeit sei; wir wollen dieselbe vielmehr ganz unbestimmt lassen,
obwohl wir zur Veranschaulichung noch immer an die Zeit als
independente Variable denken können. Beliebige dependente
Variable s1, s2sn sollen durch folgende Differentialgleichungen:
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[77/0095] [Gleich. 57] § 29. Zweiter Beweis d. Liouville’schen Satzes. schwindigkeit u nach Verlauf einer unveränderlich gegebenen Zeit t. Es ist also 56) [FORMEL]. Da wir nur zwei Variable haben, können wir sowohl deren Anfangswerthe als auch deren Werthe zur Zeit t durch je einen Punkt in der Ebene darstellen, dessen Abscisse gleich der Abscisse, dessen Ordinate aber gleich der Geschwindigkeit des materiellen Punktes ist. Alle Punkte eines Rechteckes mit den Seiten d X und d U stellen ein zweifach unendlich kleines Gebiet der x dar, d. h. sie repräsentiren alle möglichen mate- riellen Punkte, für welche zu Anfang der Zeit Coordinate und Geschwindigkeit zwischen X und X + d X und U und U + d U lagen. Das diesem Gebiete G entsprechende Gebiet g der ξ umfasst die Coordinaten x und die Geschwindigkeiten u, welche alle diese materiellen Punkte nach Verlauf der constant anzu- sehenden Zeit t haben. Nach den Gleichungen 56) ist u ein- fach um die Constante γ t grösser als U. Dagegen ist die Differenz x — X um so grösser, je grösser U ist. Man sieht daher leicht, dass das Gebiet g ein schiefwinkeliges Parallelo- gramm ist, dessen Basis gleich d X und dessen Höhe gleich d U ist, das also, wie es nach Gleichung 52) sein muss, mit dem Rechtecke G = d X d U flächengleich ist. § 29. Zweiter Beweis des Liouville’schen Satzes. Wir wollen noch einen zweiten Beweis der Gleichung 52) oder 55) geben, wobei wir nicht von der Zeit Null direct auf die Zeit t, sondern zunächst nur von der Zeit t auf eine un- endlich nahe Zeit t + δ t schliessen. Wir wollen aber den Satz zugleich noch etwas verallgemeinern, indem wir von unserer independenten Variabeln, die wir demgemäss mit s bezeichnen, nicht gerade unbedingt voraussetzen, dass es die Zeit sei; wir wollen dieselbe vielmehr ganz unbestimmt lassen, obwohl wir zur Veranschaulichung noch immer an die Zeit als independente Variable denken können. Beliebige dependente Variable s1, s2 … sn sollen durch folgende Differentialgleichungen: 57) [FORMEL]

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Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/95>, abgerufen am 29.03.2024.