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Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898.

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[Gleich. 112] § 36. Zusammengesetzte Moleküle.
Schwerpunktes des betreffenden Moleküles seien. Die Drehung
des Moleküles um den Schwerpunkt und die relative Lage
seiner Bestandtheile ist daher durch die übrigen Coordinaten
bestimmt.

Wenn keine äusseren Kräfte wirksam sind, so ist jede
Stelle innerhalb des Gefässes gleichberechtigt. Es werden daher
alle möglichen Werthe der drei Coordinaten p1, p2 und p3
gleich wahrscheinlich sein.

Wir wollen aber, um die Aufgabe möglichst allgemein zu
fassen, auch das Vorhandensein von äusseren Kräften nicht
ausschliessen. Wir haben daher ausser den Kräften zwischen
den Molekülen und der Gefässwand noch dreierlei Kräfte:
1. die inneren Kräfte eines Moleküles, oder die intramolekularen
Kräfte, welche zwischen den verschiedenen Bestandtheilen eines
und desselben Moleküles wirksam sind, 2. die äusseren Kräfte,
wie z. B. die Schwere, welche von ausserhalb des Gefässes be-
findlichen Körpern auf die Moleküle ausgeübt werden, 3. die
Wechselwirkungskräfte, welche zwischen zwei, eventuell noch
mehr verschiedenen Molekülen auftreten, wenn sich diese un-
gewöhnlich nahe kommen.

Die Kraftfunction der beiden ersten Gattungen von Kräften
soll nur eine Function der Coordinaten des betreffenden Mole-
küles sein, die Kraftfunction der dritten Gattung von Kräften
wird eine Function der Coordinaten sämmtlicher in Wechsel-
wirkung begriffener Moleküle sein. Von den äusseren Kräften
setzen wir noch voraus, dass sie sich innerhalb des Ge-
fässes von Punkt zu Punkt nur sehr langsam ändern, so dass
wir dessen Inneres in Volumelemente d p1 d p2 d p3 zerlegen
können von folgender Beschaffenheit: Obwohl jedes solche
Volumelement noch immer sehr viele Moleküle von jeder
Gattung enthalten soll, so sollen die äusseren Kräfte doch nur
eine verschwindend kleine Veränderung erfahren, wenn der
Schwerpunkt irgend eines Moleküles ohne sonstige Aenderung
der Lage und des Zustandes des Moleküles an eine beliebige
andere Stelle innerhalb des Volumelementes gebracht wird.
Wie in Ermangelung äusserer Kräfte überhaupt alle Stellen
innerhalb des Gefässes, so sollen jetzt wenigstens für jedes
dieser Volumelemente alle innerhalb desselben gelegenen Stellen
gleichberechtigt sein.

[Gleich. 112] § 36. Zusammengesetzte Moleküle.
Schwerpunktes des betreffenden Moleküles seien. Die Drehung
des Moleküles um den Schwerpunkt und die relative Lage
seiner Bestandtheile ist daher durch die übrigen Coordinaten
bestimmt.

Wenn keine äusseren Kräfte wirksam sind, so ist jede
Stelle innerhalb des Gefässes gleichberechtigt. Es werden daher
alle möglichen Werthe der drei Coordinaten p1, p2 und p3
gleich wahrscheinlich sein.

Wir wollen aber, um die Aufgabe möglichst allgemein zu
fassen, auch das Vorhandensein von äusseren Kräften nicht
ausschliessen. Wir haben daher ausser den Kräften zwischen
den Molekülen und der Gefässwand noch dreierlei Kräfte:
1. die inneren Kräfte eines Moleküles, oder die intramolekularen
Kräfte, welche zwischen den verschiedenen Bestandtheilen eines
und desselben Moleküles wirksam sind, 2. die äusseren Kräfte,
wie z. B. die Schwere, welche von ausserhalb des Gefässes be-
findlichen Körpern auf die Moleküle ausgeübt werden, 3. die
Wechselwirkungskräfte, welche zwischen zwei, eventuell noch
mehr verschiedenen Molekülen auftreten, wenn sich diese un-
gewöhnlich nahe kommen.

Die Kraftfunction der beiden ersten Gattungen von Kräften
soll nur eine Function der Coordinaten des betreffenden Mole-
küles sein, die Kraftfunction der dritten Gattung von Kräften
wird eine Function der Coordinaten sämmtlicher in Wechsel-
wirkung begriffener Moleküle sein. Von den äusseren Kräften
setzen wir noch voraus, dass sie sich innerhalb des Ge-
fässes von Punkt zu Punkt nur sehr langsam ändern, so dass
wir dessen Inneres in Volumelemente d p1 d p2 d p3 zerlegen
können von folgender Beschaffenheit: Obwohl jedes solche
Volumelement noch immer sehr viele Moleküle von jeder
Gattung enthalten soll, so sollen die äusseren Kräfte doch nur
eine verschwindend kleine Veränderung erfahren, wenn der
Schwerpunkt irgend eines Moleküles ohne sonstige Aenderung
der Lage und des Zustandes des Moleküles an eine beliebige
andere Stelle innerhalb des Volumelementes gebracht wird.
Wie in Ermangelung äusserer Kräfte überhaupt alle Stellen
innerhalb des Gefässes, so sollen jetzt wenigstens für jedes
dieser Volumelemente alle innerhalb desselben gelegenen Stellen
gleichberechtigt sein.

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[107/0125] [Gleich. 112] § 36. Zusammengesetzte Moleküle. Schwerpunktes des betreffenden Moleküles seien. Die Drehung des Moleküles um den Schwerpunkt und die relative Lage seiner Bestandtheile ist daher durch die übrigen Coordinaten bestimmt. Wenn keine äusseren Kräfte wirksam sind, so ist jede Stelle innerhalb des Gefässes gleichberechtigt. Es werden daher alle möglichen Werthe der drei Coordinaten p1, p2 und p3 gleich wahrscheinlich sein. Wir wollen aber, um die Aufgabe möglichst allgemein zu fassen, auch das Vorhandensein von äusseren Kräften nicht ausschliessen. Wir haben daher ausser den Kräften zwischen den Molekülen und der Gefässwand noch dreierlei Kräfte: 1. die inneren Kräfte eines Moleküles, oder die intramolekularen Kräfte, welche zwischen den verschiedenen Bestandtheilen eines und desselben Moleküles wirksam sind, 2. die äusseren Kräfte, wie z. B. die Schwere, welche von ausserhalb des Gefässes be- findlichen Körpern auf die Moleküle ausgeübt werden, 3. die Wechselwirkungskräfte, welche zwischen zwei, eventuell noch mehr verschiedenen Molekülen auftreten, wenn sich diese un- gewöhnlich nahe kommen. Die Kraftfunction der beiden ersten Gattungen von Kräften soll nur eine Function der Coordinaten des betreffenden Mole- küles sein, die Kraftfunction der dritten Gattung von Kräften wird eine Function der Coordinaten sämmtlicher in Wechsel- wirkung begriffener Moleküle sein. Von den äusseren Kräften setzen wir noch voraus, dass sie sich innerhalb des Ge- fässes von Punkt zu Punkt nur sehr langsam ändern, so dass wir dessen Inneres in Volumelemente d p1 d p2 d p3 zerlegen können von folgender Beschaffenheit: Obwohl jedes solche Volumelement noch immer sehr viele Moleküle von jeder Gattung enthalten soll, so sollen die äusseren Kräfte doch nur eine verschwindend kleine Veränderung erfahren, wenn der Schwerpunkt irgend eines Moleküles ohne sonstige Aenderung der Lage und des Zustandes des Moleküles an eine beliebige andere Stelle innerhalb des Volumelementes gebracht wird. Wie in Ermangelung äusserer Kräfte überhaupt alle Stellen innerhalb des Gefässes, so sollen jetzt wenigstens für jedes dieser Volumelemente alle innerhalb desselben gelegenen Stellen gleichberechtigt sein.

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Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/125>, abgerufen am 28.03.2024.