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Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898.

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I. Abschnitt.
Grundzüge der Theorie van der Waals'.

§ 1. Allgemeine Anschauungen van der Waals'.

Wenn die Entfernung, in welcher zwei Gasmoleküle be-
merkbar auf einander wirken, verschwindend klein gegen die
durchschnittliche Entfernung von einem Molekül bis zum nächst-
benachbarten ist, oder, wie man auch sagen kann, wenn der
von den Molekülen (resp. deren Wirkungssphären) eingenommene
Raum gegenüber dem vom ganzen Gase erfüllten Raume ver-
schwindet, so verschwindet auch für jedes Molekül gegenüber
der geradlinigen oder bloss unter dem Einflusse der äusseren
Kräfte zurückgelegten Bahn seines Schwerpunktes derjenige
Theil dieser Bahn, welcher während der Wechselwirkung mit
anderen Molekülen zurückgelegt wird. Dann gilt das Boyle-
Charles's
che Gesetz für das betreffende Gas, sowohl wenn
die Moleküle desselben einfache materielle Punkte oder starre
Körperchen, als auch wenn sie beliebig zusammengesetzte
Aggregate sind. Das betreffende Gas heisst dann in allen
diesen Fällen ein ideales.

Die in der Natur vorkommenden Gase erfüllen diese Be-
dingung des idealen Gaszustandes nur unvollständig und es ist
daher eine Theorie, welche auch der endlichen Ausdehnung
der Wirkungssphären der Moleküle Rechnung trägt, höchst
erwünscht.

Eine solche wurde von van der Waals gegeben, der sich
die Moleküle im Uebrigen, wie wir es zu Anfang des ersten
Theiles thaten, als verschwindend wenig deformirbare elastische
Kugeln denkt. Er verallgemeinert jedoch die Theorie in zwei-
facher Weise:

Boltzmann, Gastheorie II. 1
I. Abschnitt.
Grundzüge der Theorie van der Waals’.

§ 1. Allgemeine Anschauungen van der Waals’.

Wenn die Entfernung, in welcher zwei Gasmoleküle be-
merkbar auf einander wirken, verschwindend klein gegen die
durchschnittliche Entfernung von einem Molekül bis zum nächst-
benachbarten ist, oder, wie man auch sagen kann, wenn der
von den Molekülen (resp. deren Wirkungssphären) eingenommene
Raum gegenüber dem vom ganzen Gase erfüllten Raume ver-
schwindet, so verschwindet auch für jedes Molekül gegenüber
der geradlinigen oder bloss unter dem Einflusse der äusseren
Kräfte zurückgelegten Bahn seines Schwerpunktes derjenige
Theil dieser Bahn, welcher während der Wechselwirkung mit
anderen Molekülen zurückgelegt wird. Dann gilt das Boyle-
Charles’s
che Gesetz für das betreffende Gas, sowohl wenn
die Moleküle desselben einfache materielle Punkte oder starre
Körperchen, als auch wenn sie beliebig zusammengesetzte
Aggregate sind. Das betreffende Gas heisst dann in allen
diesen Fällen ein ideales.

Die in der Natur vorkommenden Gase erfüllen diese Be-
dingung des idealen Gaszustandes nur unvollständig und es ist
daher eine Theorie, welche auch der endlichen Ausdehnung
der Wirkungssphären der Moleküle Rechnung trägt, höchst
erwünscht.

Eine solche wurde von van der Waals gegeben, der sich
die Moleküle im Uebrigen, wie wir es zu Anfang des ersten
Theiles thaten, als verschwindend wenig deformirbare elastische
Kugeln denkt. Er verallgemeinert jedoch die Theorie in zwei-
facher Weise:

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[[1]/0019] I. Abschnitt. Grundzüge der Theorie van der Waals’. § 1. Allgemeine Anschauungen van der Waals’. Wenn die Entfernung, in welcher zwei Gasmoleküle be- merkbar auf einander wirken, verschwindend klein gegen die durchschnittliche Entfernung von einem Molekül bis zum nächst- benachbarten ist, oder, wie man auch sagen kann, wenn der von den Molekülen (resp. deren Wirkungssphären) eingenommene Raum gegenüber dem vom ganzen Gase erfüllten Raume ver- schwindet, so verschwindet auch für jedes Molekül gegenüber der geradlinigen oder bloss unter dem Einflusse der äusseren Kräfte zurückgelegten Bahn seines Schwerpunktes derjenige Theil dieser Bahn, welcher während der Wechselwirkung mit anderen Molekülen zurückgelegt wird. Dann gilt das Boyle- Charles’sche Gesetz für das betreffende Gas, sowohl wenn die Moleküle desselben einfache materielle Punkte oder starre Körperchen, als auch wenn sie beliebig zusammengesetzte Aggregate sind. Das betreffende Gas heisst dann in allen diesen Fällen ein ideales. Die in der Natur vorkommenden Gase erfüllen diese Be- dingung des idealen Gaszustandes nur unvollständig und es ist daher eine Theorie, welche auch der endlichen Ausdehnung der Wirkungssphären der Moleküle Rechnung trägt, höchst erwünscht. Eine solche wurde von van der Waals gegeben, der sich die Moleküle im Uebrigen, wie wir es zu Anfang des ersten Theiles thaten, als verschwindend wenig deformirbare elastische Kugeln denkt. Er verallgemeinert jedoch die Theorie in zwei- facher Weise: Boltzmann, Gastheorie II. 1

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Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/19>, abgerufen am 29.03.2024.