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Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898.

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III. Abschnitt. [Gleich. 60]
als Functionen der Independenten s bestimmt sein. Die s
sollen explicit als Functionen von s, s1, s2 ... sn gegeben sein.
Da wir den Buchstaben d für eine andere Art von Zuwächsen
reserviren wollen, haben wir den Zuwachs der Independenten
mit d s, die entsprechenden Zuwächse der Dependenten aber
mit d s1, d s2 ... d sn bezeichnet.

Für ein System materieller Punkte wäre d s mit dem Zu-
wachse d t der Zeit zu identificiren. Unter d s1, d s2 ... d sn
aber wären sowohl die Zuwächse d [x]1, d y1 ... der Coordinaten,
als auch die Zuwächse d u1, d v1 ... der Geschwindigkeits-
componenten während der Zeit d t zu verstehen. Es wäre z. B.
d x1 = u1 d t.

Die Werthe der dependenten Variabeln s1, s2 ... sn sollen
durch ihre zu einem bestimmten s, z. B. s = 0, gehörigen An-
fangswerthe
58) S1, S2 ... Sn
und durch die ein für alle Male unveränderlich gegebenen
Differentialgleichungen 57) als eindeutige Functionen der In-
dependenten s bestimmt sein.

Wir können uns nun im Geiste alle Werthe der Depen-
denten, welche bei gegebenen Anfangswerthen zu allen mög-
lichen Werthen der Independenten s gehören, vorstellen. Wir
wollen den Inbegriff aller dieser Werthe eine Werthereihe
nennen. Dieselbe entspricht dem ganzen Verlaufe der Be-
wegung eines mechanischen Systemes, wenn dieses seine Be-
wegung von einem bestimmten Anfangszustande ausgehend
beginnt.

In derjenigen Werthereihe, welche von den Anfangs-
werthen 58) ausgeht, sollen die dependenten Variabeln für
einen bestimmten Werth s der Independenten die Werthe
59) s1, s2 ... sn,
für einen unendlich wenig verschiedenen Werth s + d s der
Independenten aber die Werthe
60) s'1 = s1 + d s1, s'2 = s2 + d s2 ... s'n = sn + d sn
haben. Wir bezeichnen dann Kürze halber die Werthe 59) als
die "den Anfangswerthen 58) nach s (nach dem Werthe s der
Independenten) entsprechenden" Werthe der Dependenten. Die

III. Abschnitt. [Gleich. 60]
als Functionen der Independenten s bestimmt sein. Die σ
sollen explicit als Functionen von s, s1, s2sn gegeben sein.
Da wir den Buchstaben d für eine andere Art von Zuwächsen
reserviren wollen, haben wir den Zuwachs der Independenten
mit δ s, die entsprechenden Zuwächse der Dependenten aber
mit δ s1, δ s2δ sn bezeichnet.

Für ein System materieller Punkte wäre δ s mit dem Zu-
wachse δ t der Zeit zu identificiren. Unter δ s1, δ s2δ sn
aber wären sowohl die Zuwächse δ [x]1, δ y1 … der Coordinaten,
als auch die Zuwächse δ u1, δ v1 … der Geschwindigkeits-
componenten während der Zeit δ t zu verstehen. Es wäre z. B.
δ x1 = u1 δ t.

Die Werthe der dependenten Variabeln s1, s2sn sollen
durch ihre zu einem bestimmten s, z. B. s = 0, gehörigen An-
fangswerthe
58) S1, S2Sn
und durch die ein für alle Male unveränderlich gegebenen
Differentialgleichungen 57) als eindeutige Functionen der In-
dependenten s bestimmt sein.

Wir können uns nun im Geiste alle Werthe der Depen-
denten, welche bei gegebenen Anfangswerthen zu allen mög-
lichen Werthen der Independenten s gehören, vorstellen. Wir
wollen den Inbegriff aller dieser Werthe eine Werthereihe
nennen. Dieselbe entspricht dem ganzen Verlaufe der Be-
wegung eines mechanischen Systemes, wenn dieses seine Be-
wegung von einem bestimmten Anfangszustande ausgehend
beginnt.

In derjenigen Werthereihe, welche von den Anfangs-
werthen 58) ausgeht, sollen die dependenten Variabeln für
einen bestimmten Werth s der Independenten die Werthe
59) s1, s2sn,
für einen unendlich wenig verschiedenen Werth s + δ s der
Independenten aber die Werthe
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[78/0096] III. Abschnitt. [Gleich. 60] als Functionen der Independenten s bestimmt sein. Die σ sollen explicit als Functionen von s, s1, s2 … sn gegeben sein. Da wir den Buchstaben d für eine andere Art von Zuwächsen reserviren wollen, haben wir den Zuwachs der Independenten mit δ s, die entsprechenden Zuwächse der Dependenten aber mit δ s1, δ s2 … δ sn bezeichnet. Für ein System materieller Punkte wäre δ s mit dem Zu- wachse δ t der Zeit zu identificiren. Unter δ s1, δ s2 … δ sn aber wären sowohl die Zuwächse δ x1, δ y1 … der Coordinaten, als auch die Zuwächse δ u1, δ v1 … der Geschwindigkeits- componenten während der Zeit δ t zu verstehen. Es wäre z. B. δ x1 = u1 δ t. Die Werthe der dependenten Variabeln s1, s2 … sn sollen durch ihre zu einem bestimmten s, z. B. s = 0, gehörigen An- fangswerthe 58) S1, S2 … Sn und durch die ein für alle Male unveränderlich gegebenen Differentialgleichungen 57) als eindeutige Functionen der In- dependenten s bestimmt sein. Wir können uns nun im Geiste alle Werthe der Depen- denten, welche bei gegebenen Anfangswerthen zu allen mög- lichen Werthen der Independenten s gehören, vorstellen. Wir wollen den Inbegriff aller dieser Werthe eine Werthereihe nennen. Dieselbe entspricht dem ganzen Verlaufe der Be- wegung eines mechanischen Systemes, wenn dieses seine Be- wegung von einem bestimmten Anfangszustande ausgehend beginnt. In derjenigen Werthereihe, welche von den Anfangs- werthen 58) ausgeht, sollen die dependenten Variabeln für einen bestimmten Werth s der Independenten die Werthe 59) s1, s2 … sn, für einen unendlich wenig verschiedenen Werth s + δ s der Independenten aber die Werthe 60) s'1 = s1 + δ s1, s'2 = s2 + δ s2 … s'n = sn + δ sn haben. Wir bezeichnen dann Kürze halber die Werthe 59) als die „den Anfangswerthen 58) nach s (nach dem Werthe s der Independenten) entsprechenden“ Werthe der Dependenten. Die

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Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/96>, abgerufen am 28.03.2024.