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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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chen stolz auf sie. Denn, ihrer Armuth ungeachtet,
hab' ich von keinem Dieb, oder sonst einem Ver-
brecher den die Justitz hätte straffen müssen, von
keinem Lasterbuben, Schwelger, Flucher, Verleum-
der u. s. f. unter ihnen gehört; von keinem, den
man nicht als einen braven Biedermann mußte gel-
ten lassen; der sich nicht ehrlich und redlich in der
Welt nährte; von keinem der betteln gieng. Dage-
gen kannt' ich wirklich recht manchen wackern, from-
men Mann, mit zartem Gewissen. Das ist's allein,
worauf ich stolz bin, und wünsche, daß auch Ihr
stolz darauf werdet, meine Kinder! daß wir diesen
Ruhm nicht besudeln, sondern denselben fortzupflan-
zen suchen. Und eben das möcht' ich Euch recht oft
zu Gemüthe führen, in dieser meiner Lebensgeschichte.

II.
Mein Geburthstag.

(22. Dezembr. 1735.)

Für mich ein wichtiger Tag. Ich sey ein Bischen
zu früh auf der Welt erschienen, sagte man mir.
Meine Eltern mußten sich dafür verantworten. --
Mag seyn, daß ich mich schon in Mutterleibe nach
dem Tageslichte gesehnt habe -- und dieß nach dem
Licht sehnen geht mir wohl all mein Tage nach!
Daneben war ich die erste Kraft meines Vaters --
und Dank sey ihm unter der Erde, von mir auch
dafür gesagt! Er war ein hitziger Mann, voll war-
men Blutes. O ich habe schon tausendmal drüber

chen ſtolz auf ſie. Denn, ihrer Armuth ungeachtet,
hab’ ich von keinem Dieb, oder ſonſt einem Ver-
brecher den die Juſtitz haͤtte ſtraffen muͤſſen, von
keinem Laſterbuben, Schwelger, Flucher, Verleum-
der u. ſ. f. unter ihnen gehoͤrt; von keinem, den
man nicht als einen braven Biedermann mußte gel-
ten laſſen; der ſich nicht ehrlich und redlich in der
Welt naͤhrte; von keinem der betteln gieng. Dage-
gen kannt’ ich wirklich recht manchen wackern, from-
men Mann, mit zartem Gewiſſen. Das iſt’s allein,
worauf ich ſtolz bin, und wuͤnſche, daß auch Ihr
ſtolz darauf werdet, meine Kinder! daß wir dieſen
Ruhm nicht beſudeln, ſondern denſelben fortzupflan-
zen ſuchen. Und eben das moͤcht’ ich Euch recht oft
zu Gemuͤthe fuͤhren, in dieſer meiner Lebensgeſchichte.

II.
Mein Geburthstag.

(22. Dezembr. 1735.)

Fuͤr mich ein wichtiger Tag. Ich ſey ein Bischen
zu fruͤh auf der Welt erſchienen, ſagte man mir.
Meine Eltern mußten ſich dafuͤr verantworten. —
Mag ſeyn, daß ich mich ſchon in Mutterleibe nach
dem Tageslichte geſehnt habe — und dieß nach dem
Licht ſehnen geht mir wohl all mein Tage nach!
Daneben war ich die erſte Kraft meines Vaters —
und Dank ſey ihm unter der Erde, von mir auch
dafuͤr geſagt! Er war ein hitziger Mann, voll war-
men Blutes. O ich habe ſchon tauſendmal druͤber

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[5/0021] chen ſtolz auf ſie. Denn, ihrer Armuth ungeachtet, hab’ ich von keinem Dieb, oder ſonſt einem Ver- brecher den die Juſtitz haͤtte ſtraffen muͤſſen, von keinem Laſterbuben, Schwelger, Flucher, Verleum- der u. ſ. f. unter ihnen gehoͤrt; von keinem, den man nicht als einen braven Biedermann mußte gel- ten laſſen; der ſich nicht ehrlich und redlich in der Welt naͤhrte; von keinem der betteln gieng. Dage- gen kannt’ ich wirklich recht manchen wackern, from- men Mann, mit zartem Gewiſſen. Das iſt’s allein, worauf ich ſtolz bin, und wuͤnſche, daß auch Ihr ſtolz darauf werdet, meine Kinder! daß wir dieſen Ruhm nicht beſudeln, ſondern denſelben fortzupflan- zen ſuchen. Und eben das moͤcht’ ich Euch recht oft zu Gemuͤthe fuͤhren, in dieſer meiner Lebensgeſchichte. II. Mein Geburthstag. (22. Dezembr. 1735.) Fuͤr mich ein wichtiger Tag. Ich ſey ein Bischen zu fruͤh auf der Welt erſchienen, ſagte man mir. Meine Eltern mußten ſich dafuͤr verantworten. — Mag ſeyn, daß ich mich ſchon in Mutterleibe nach dem Tageslichte geſehnt habe — und dieß nach dem Licht ſehnen geht mir wohl all mein Tage nach! Daneben war ich die erſte Kraft meines Vaters — und Dank ſey ihm unter der Erde, von mir auch dafuͤr geſagt! Er war ein hitziger Mann, voll war- men Blutes. O ich habe ſchon tauſendmal druͤber

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/21>, abgerufen am 29.03.2024.