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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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Nun, das war schön und gut; aber es muß einer
denn doch durch wo's ihm geschaufelt ist. Gleichwohl
dacht' ich etwas zu erhaschen, und glaubte mich ei-
gentlich zum Ehestand bestimmt, sonst wär' ich um
diese Zeit sicher in die weite Welt gegangen. In-
zwischen war, aller meiner obenbelobten Bedächtlich-
keit ungeachtet, der Geitz wirklich nicht meine Sache.
Ein Mädchen, ganz nach meinem Herzen, hätt' ich
nackend genommen. Aber da leuchtete mir eben keine
vollkommen recht ein, wie weiland mein Aennchen.
Mit einem gewissen Lisgen von R. war ich ein Paar-
mal auf dem Sprung. Erst machte das Ding Be-
denklichkeiten; nachwerts bot es sich selber an. Aber
meine Neigung zu ihr war zu schwach; und doch
glaub' ich nicht, daß ich unglücklich mit ihr gefahren
wäre. Aber zu stockig, ist zu stockig. Bald darauf
kam ich fast ohne mein Wissen und Willen mit der
Tochter einer catholischen Wittwe in einen Handel,
welcher ziemliches Aufsehen machte, obschon ich nur
ein Paarmal mit ihr spaziren gegangen, ein Glas
Wein mit ihr getrunken, u. d. gl. alles ohne son-
derliche Absicht, und vornehmlich ohne sonderliche
Liebe. Aber da blies man meinem Vater ein, ich
wolle catholisch, und Marianchens Mutter, sie
wolle reformirt werden; und doch hatte keins von
uns nur nicht an den Glauben, geschweige an eine
Aenderung desselben gedacht. Das arme Ding kam
wirklich darüber in eine Art geheimer Inquisition
von Geist- und Weltlichen; erzählte mir dann alles
haarklein, und ihr ward himmelangst. Ich hingegen

Nun, das war ſchoͤn und gut; aber es muß einer
denn doch durch wo’s ihm geſchaufelt iſt. Gleichwohl
dacht’ ich etwas zu erhaſchen, und glaubte mich ei-
gentlich zum Eheſtand beſtimmt, ſonſt waͤr’ ich um
dieſe Zeit ſicher in die weite Welt gegangen. In-
zwiſchen war, aller meiner obenbelobten Bedaͤchtlich-
keit ungeachtet, der Geitz wirklich nicht meine Sache.
Ein Maͤdchen, ganz nach meinem Herzen, haͤtt’ ich
nackend genommen. Aber da leuchtete mir eben keine
vollkommen recht ein, wie weiland mein Aennchen.
Mit einem gewiſſen Liſgen von R. war ich ein Paar-
mal auf dem Sprung. Erſt machte das Ding Be-
denklichkeiten; nachwerts bot es ſich ſelber an. Aber
meine Neigung zu ihr war zu ſchwach; und doch
glaub’ ich nicht, daß ich ungluͤcklich mit ihr gefahren
waͤre. Aber zu ſtockig, iſt zu ſtockig. Bald darauf
kam ich faſt ohne mein Wiſſen und Willen mit der
Tochter einer catholiſchen Wittwe in einen Handel,
welcher ziemliches Aufſehen machte, obſchon ich nur
ein Paarmal mit ihr ſpaziren gegangen, ein Glas
Wein mit ihr getrunken, u. d. gl. alles ohne ſon-
derliche Abſicht, und vornehmlich ohne ſonderliche
Liebe. Aber da blies man meinem Vater ein, ich
wolle catholiſch, und Marianchens Mutter, ſie
wolle reformirt werden; und doch hatte keins von
uns nur nicht an den Glauben, geſchweige an eine
Aenderung deſſelben gedacht. Das arme Ding kam
wirklich daruͤber in eine Art geheimer Inquiſition
von Geiſt- und Weltlichen; erzaͤhlte mir dann alles
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[170/0186] Nun, das war ſchoͤn und gut; aber es muß einer denn doch durch wo’s ihm geſchaufelt iſt. Gleichwohl dacht’ ich etwas zu erhaſchen, und glaubte mich ei- gentlich zum Eheſtand beſtimmt, ſonſt waͤr’ ich um dieſe Zeit ſicher in die weite Welt gegangen. In- zwiſchen war, aller meiner obenbelobten Bedaͤchtlich- keit ungeachtet, der Geitz wirklich nicht meine Sache. Ein Maͤdchen, ganz nach meinem Herzen, haͤtt’ ich nackend genommen. Aber da leuchtete mir eben keine vollkommen recht ein, wie weiland mein Aennchen. Mit einem gewiſſen Liſgen von R. war ich ein Paar- mal auf dem Sprung. Erſt machte das Ding Be- denklichkeiten; nachwerts bot es ſich ſelber an. Aber meine Neigung zu ihr war zu ſchwach; und doch glaub’ ich nicht, daß ich ungluͤcklich mit ihr gefahren waͤre. Aber zu ſtockig, iſt zu ſtockig. Bald darauf kam ich faſt ohne mein Wiſſen und Willen mit der Tochter einer catholiſchen Wittwe in einen Handel, welcher ziemliches Aufſehen machte, obſchon ich nur ein Paarmal mit ihr ſpaziren gegangen, ein Glas Wein mit ihr getrunken, u. d. gl. alles ohne ſon- derliche Abſicht, und vornehmlich ohne ſonderliche Liebe. Aber da blies man meinem Vater ein, ich wolle catholiſch, und Marianchens Mutter, ſie wolle reformirt werden; und doch hatte keins von uns nur nicht an den Glauben, geſchweige an eine Aenderung deſſelben gedacht. Das arme Ding kam wirklich daruͤber in eine Art geheimer Inquiſition von Geiſt- und Weltlichen; erzaͤhlte mir dann alles haarklein, und ihr ward himmelangſt. Ich hingegen

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/186>, abgerufen am 28.03.2024.