Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite
VIII.
Oekonomische Einrichtung.

Mein Vater wollte doch das Salpetersieden nicht
aufgeben, und dachte damit wenigstens etwas zu
Abherrschung der Zinse zu verdienen. Aber so ein
Gut, wie der Dreyschlatt, braucht Händ' und
Armschmalz. Wir Kinder waren noch wie für nichts
zu rechnen; der Großäti hatte mit dem Vieh, und
die Mutter genug im Haus zu thun. Es mußten
also ein Knecht und eine Magd gedungen werden.
Im folgenden Frühjahr gieng der Vater wieder dem
Salpeterwerk nach. Inzwischen hatte man mehr
Küh' und Geissen angeschaft. Der Großäti zog jun-
gen Fasel nach. Das war mir eine Tausendslust,
mit den Gitzen so im Gras herumlaufen; und ich
wußte nicht, ob der Alte eine grössere Freud an mir
oder an ihnen hatte, wenn er sich so, nachdem das
Vieh besorgt war, an unsern Sprüngen ergötzte. So
oft er vom Melken kam, nahm er mich mit sich
in den Milchkeller, zog dann ein Stück Brod aus
dem Futterhemd, brockt' es in eine kleine Mutte,
und machte ein kühwarmes Milchsüpple. Das assen
ich und er so alle Tage. So vergieng mir meine
Zeit, unter Spiel und Herumtrillern, ich wußt'
nicht wie? Dem Großäti giengs eben so. Aber,
aber -- Knecht und Magd thaten inzwischen was
sie gern wollten. Die Mutter war ein gutherziges
Weib; nicht gewohnt jemand mit Strenge zur Arbeit

VIII.
Oekonomiſche Einrichtung.

Mein Vater wollte doch das Salpeterſieden nicht
aufgeben, und dachte damit wenigſtens etwas zu
Abherrſchung der Zinſe zu verdienen. Aber ſo ein
Gut, wie der Dreyſchlatt, braucht Haͤnd’ und
Armſchmalz. Wir Kinder waren noch wie fuͤr nichts
zu rechnen; der Großaͤti hatte mit dem Vieh, und
die Mutter genug im Haus zu thun. Es mußten
alſo ein Knecht und eine Magd gedungen werden.
Im folgenden Fruͤhjahr gieng der Vater wieder dem
Salpeterwerk nach. Inzwiſchen hatte man mehr
Kuͤh’ und Geiſſen angeſchaft. Der Großaͤti zog jun-
gen Faſel nach. Das war mir eine Tauſendsluſt,
mit den Gitzen ſo im Gras herumlaufen; und ich
wußte nicht, ob der Alte eine groͤſſere Freud an mir
oder an ihnen hatte, wenn er ſich ſo, nachdem das
Vieh beſorgt war, an unſern Spruͤngen ergoͤtzte. So
oft er vom Melken kam, nahm er mich mit ſich
in den Milchkeller, zog dann ein Stuͤck Brod aus
dem Futterhemd, brockt’ es in eine kleine Mutte,
und machte ein kuͤhwarmes Milchſuͤpple. Das aſſen
ich und er ſo alle Tage. So vergieng mir meine
Zeit, unter Spiel und Herumtrillern, ich wußt’
nicht wie? Dem Großaͤti giengs eben ſo. Aber,
aber — Knecht und Magd thaten inzwiſchen was
ſie gern wollten. Die Mutter war ein gutherziges
Weib; nicht gewohnt jemand mit Strenge zur Arbeit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0030" n="14"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#aq">VIII.</hi><lb/> <hi rendition="#fr">Oekonomi&#x017F;che Einrichtung.</hi> </hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">M</hi>ein Vater wollte doch das Salpeter&#x017F;ieden nicht<lb/>
aufgeben, und dachte damit wenig&#x017F;tens etwas zu<lb/>
Abherr&#x017F;chung der Zin&#x017F;e zu verdienen. Aber &#x017F;o ein<lb/>
Gut, wie der <hi rendition="#fr">Drey&#x017F;chlatt,</hi> braucht Ha&#x0364;nd&#x2019; und<lb/>
Arm&#x017F;chmalz. Wir Kinder waren noch wie fu&#x0364;r nichts<lb/>
zu rechnen; der Großa&#x0364;ti hatte mit dem Vieh, und<lb/>
die Mutter genug im Haus zu thun. Es mußten<lb/>
al&#x017F;o ein Knecht und eine Magd gedungen werden.<lb/>
Im folgenden Fru&#x0364;hjahr gieng der Vater wieder dem<lb/>
Salpeterwerk nach. Inzwi&#x017F;chen hatte man mehr<lb/>
Ku&#x0364;h&#x2019; und Gei&#x017F;&#x017F;en ange&#x017F;chaft. Der Großa&#x0364;ti zog jun-<lb/>
gen Fa&#x017F;el nach. Das war mir eine Tau&#x017F;endslu&#x017F;t,<lb/>
mit den Gitzen &#x017F;o im Gras herumlaufen; und ich<lb/>
wußte nicht, ob der Alte eine gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Freud an mir<lb/>
oder an ihnen hatte, wenn er &#x017F;ich &#x017F;o, nachdem das<lb/>
Vieh be&#x017F;orgt war, an un&#x017F;ern Spru&#x0364;ngen ergo&#x0364;tzte. So<lb/>
oft er vom Melken kam, nahm er mich mit &#x017F;ich<lb/>
in den Milchkeller, zog dann ein Stu&#x0364;ck Brod aus<lb/>
dem Futterhemd, brockt&#x2019; es in eine kleine Mutte,<lb/>
und machte ein ku&#x0364;hwarmes Milch&#x017F;u&#x0364;pple. Das a&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ich und er &#x017F;o alle Tage. So vergieng mir meine<lb/>
Zeit, unter Spiel und Herumtrillern, ich wußt&#x2019;<lb/>
nicht wie? Dem Großa&#x0364;ti giengs eben &#x017F;o. Aber,<lb/>
aber &#x2014; Knecht und Magd thaten inzwi&#x017F;chen was<lb/>
&#x017F;ie gern wollten. Die Mutter war ein gutherziges<lb/>
Weib; nicht gewohnt jemand mit Strenge zur Arbeit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0030] VIII. Oekonomiſche Einrichtung. Mein Vater wollte doch das Salpeterſieden nicht aufgeben, und dachte damit wenigſtens etwas zu Abherrſchung der Zinſe zu verdienen. Aber ſo ein Gut, wie der Dreyſchlatt, braucht Haͤnd’ und Armſchmalz. Wir Kinder waren noch wie fuͤr nichts zu rechnen; der Großaͤti hatte mit dem Vieh, und die Mutter genug im Haus zu thun. Es mußten alſo ein Knecht und eine Magd gedungen werden. Im folgenden Fruͤhjahr gieng der Vater wieder dem Salpeterwerk nach. Inzwiſchen hatte man mehr Kuͤh’ und Geiſſen angeſchaft. Der Großaͤti zog jun- gen Faſel nach. Das war mir eine Tauſendsluſt, mit den Gitzen ſo im Gras herumlaufen; und ich wußte nicht, ob der Alte eine groͤſſere Freud an mir oder an ihnen hatte, wenn er ſich ſo, nachdem das Vieh beſorgt war, an unſern Spruͤngen ergoͤtzte. So oft er vom Melken kam, nahm er mich mit ſich in den Milchkeller, zog dann ein Stuͤck Brod aus dem Futterhemd, brockt’ es in eine kleine Mutte, und machte ein kuͤhwarmes Milchſuͤpple. Das aſſen ich und er ſo alle Tage. So vergieng mir meine Zeit, unter Spiel und Herumtrillern, ich wußt’ nicht wie? Dem Großaͤti giengs eben ſo. Aber, aber — Knecht und Magd thaten inzwiſchen was ſie gern wollten. Die Mutter war ein gutherziges Weib; nicht gewohnt jemand mit Strenge zur Arbeit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/30
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/30>, abgerufen am 29.03.2024.