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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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verbundenen Räder gleichfalls regelmäßig umtreiben, und so der
Maschine wesentlichen Nutzen bringen.

Moment der Trägheit.

Hieran schließt sich eine in der Maschinenlehre wichtige Frage
an, wie man die Drehungsgeschwindigkeit der durch bewegende
Kräfte angetriebenen Räder bestimmt, und obgleich ich diese Lehre
hier nur kurz berühren kann, so glaube ich doch den wichtigen Be-
griff des Momentes der Trägheit nicht übergehen zu dür-
fen, um so weniger, da sich dadurch die überraschend scheinende Be-
hauptung Laplace's erklärt, daß wir aus astronomischen Beob-
achtungen, aus der Vergleichung alter und neuer Beobachtungen,
schließen können, daß die Temperatur der Erde seit Hipparchs
Zeiten nicht merklich abgenommen habe.

Wenn eine bewegende Kraft unmittelbar auf eine Masse wirkt,
so ertheilt sie derselben eine bestimmte Geschwindigkeit, die, bei
gleich lange dauernder Einwirkung, der Masse umgekehrt propor-
tional ist. Wir sehen dies zum Beispiel, wenn wir ein aufgehängtes
schweres Gewicht in Bewegung zu setzen streben, indem die Ge-
schwindigkeit, die wir ihm ertheilen können, desto kleiner ist, je
größer die in Bewegung zu setzende Masse ist. -- Aber nun sei die
zu bewegende Masse an einem Hebel-Arme AB angebracht, nach
welchen Gesetzen richtet sich dann die Geschwindigkeit? Es sei zuerst
(Fig. 61.) die Masse in C und die Kraft wirke unmittelbar auf C,
dann wird diese der Masse eben die Geschwindigkeit ertheilen, wie
bei gradlinigem Fortschieben der Masse, und der Drehungswinkel
wird sich daher, bei gleich bleibender und einerlei Zeit lang gleich-
förmig wirkender Kraft, umgekehrt, wie die Masse verhalten. Ist
dagegen die Masse in D angebracht, so daß AD = 1/2 AC ist, so
ertheilt dieselbe in C wirkende Kraft ihr eine größere Winkelgeschwin-
digkeit; denn aus der Lehre vom Gleichgewichte wissen wir, daß
eine Kraft von einem Pfunde in C ebenso viel bewirkt, als eine
Kraft von 2 Pfunden in D; konnte also die in C wirkende Kraft
der Masse, als sie in C war, eine Geschwindigkeit von 1 Fuß in
der Secunde ertheilen, so wird sie jetzt der in D befindlichen Masse
eine Geschwindigkeit von 2 Fuß in der Secunde ertheilen. Diese 2
Fuß in D betragen aber dort 4 Grade des Umfanges, wenn sie in

I. G

verbundenen Raͤder gleichfalls regelmaͤßig umtreiben, und ſo der
Maſchine weſentlichen Nutzen bringen.

Moment der Traͤgheit.

Hieran ſchließt ſich eine in der Maſchinenlehre wichtige Frage
an, wie man die Drehungsgeſchwindigkeit der durch bewegende
Kraͤfte angetriebenen Raͤder beſtimmt, und obgleich ich dieſe Lehre
hier nur kurz beruͤhren kann, ſo glaube ich doch den wichtigen Be-
griff des Momentes der Traͤgheit nicht uͤbergehen zu duͤr-
fen, um ſo weniger, da ſich dadurch die uͤberraſchend ſcheinende Be-
hauptung Laplace's erklaͤrt, daß wir aus aſtronomiſchen Beob-
achtungen, aus der Vergleichung alter und neuer Beobachtungen,
ſchließen koͤnnen, daß die Temperatur der Erde ſeit Hipparchs
Zeiten nicht merklich abgenommen habe.

Wenn eine bewegende Kraft unmittelbar auf eine Maſſe wirkt,
ſo ertheilt ſie derſelben eine beſtimmte Geſchwindigkeit, die, bei
gleich lange dauernder Einwirkung, der Maſſe umgekehrt propor-
tional iſt. Wir ſehen dies zum Beiſpiel, wenn wir ein aufgehaͤngtes
ſchweres Gewicht in Bewegung zu ſetzen ſtreben, indem die Ge-
ſchwindigkeit, die wir ihm ertheilen koͤnnen, deſto kleiner iſt, je
groͤßer die in Bewegung zu ſetzende Maſſe iſt. — Aber nun ſei die
zu bewegende Maſſe an einem Hebel-Arme AB angebracht, nach
welchen Geſetzen richtet ſich dann die Geſchwindigkeit? Es ſei zuerſt
(Fig. 61.) die Maſſe in C und die Kraft wirke unmittelbar auf C,
dann wird dieſe der Maſſe eben die Geſchwindigkeit ertheilen, wie
bei gradlinigem Fortſchieben der Maſſe, und der Drehungswinkel
wird ſich daher, bei gleich bleibender und einerlei Zeit lang gleich-
foͤrmig wirkender Kraft, umgekehrt, wie die Maſſe verhalten. Iſt
dagegen die Maſſe in D angebracht, ſo daß AD = ½ AC iſt, ſo
ertheilt dieſelbe in C wirkende Kraft ihr eine groͤßere Winkelgeſchwin-
digkeit; denn aus der Lehre vom Gleichgewichte wiſſen wir, daß
eine Kraft von einem Pfunde in C ebenſo viel bewirkt, als eine
Kraft von 2 Pfunden in D; konnte alſo die in C wirkende Kraft
der Maſſe, als ſie in C war, eine Geſchwindigkeit von 1 Fuß in
der Secunde ertheilen, ſo wird ſie jetzt der in D befindlichen Maſſe
eine Geſchwindigkeit von 2 Fuß in der Secunde ertheilen. Dieſe 2
Fuß in D betragen aber dort 4 Grade des Umfanges, wenn ſie in

I. G
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[97/0119] verbundenen Raͤder gleichfalls regelmaͤßig umtreiben, und ſo der Maſchine weſentlichen Nutzen bringen. Moment der Traͤgheit. Hieran ſchließt ſich eine in der Maſchinenlehre wichtige Frage an, wie man die Drehungsgeſchwindigkeit der durch bewegende Kraͤfte angetriebenen Raͤder beſtimmt, und obgleich ich dieſe Lehre hier nur kurz beruͤhren kann, ſo glaube ich doch den wichtigen Be- griff des Momentes der Traͤgheit nicht uͤbergehen zu duͤr- fen, um ſo weniger, da ſich dadurch die uͤberraſchend ſcheinende Be- hauptung Laplace's erklaͤrt, daß wir aus aſtronomiſchen Beob- achtungen, aus der Vergleichung alter und neuer Beobachtungen, ſchließen koͤnnen, daß die Temperatur der Erde ſeit Hipparchs Zeiten nicht merklich abgenommen habe. Wenn eine bewegende Kraft unmittelbar auf eine Maſſe wirkt, ſo ertheilt ſie derſelben eine beſtimmte Geſchwindigkeit, die, bei gleich lange dauernder Einwirkung, der Maſſe umgekehrt propor- tional iſt. Wir ſehen dies zum Beiſpiel, wenn wir ein aufgehaͤngtes ſchweres Gewicht in Bewegung zu ſetzen ſtreben, indem die Ge- ſchwindigkeit, die wir ihm ertheilen koͤnnen, deſto kleiner iſt, je groͤßer die in Bewegung zu ſetzende Maſſe iſt. — Aber nun ſei die zu bewegende Maſſe an einem Hebel-Arme AB angebracht, nach welchen Geſetzen richtet ſich dann die Geſchwindigkeit? Es ſei zuerſt (Fig. 61.) die Maſſe in C und die Kraft wirke unmittelbar auf C, dann wird dieſe der Maſſe eben die Geſchwindigkeit ertheilen, wie bei gradlinigem Fortſchieben der Maſſe, und der Drehungswinkel wird ſich daher, bei gleich bleibender und einerlei Zeit lang gleich- foͤrmig wirkender Kraft, umgekehrt, wie die Maſſe verhalten. Iſt dagegen die Maſſe in D angebracht, ſo daß AD = ½ AC iſt, ſo ertheilt dieſelbe in C wirkende Kraft ihr eine groͤßere Winkelgeſchwin- digkeit; denn aus der Lehre vom Gleichgewichte wiſſen wir, daß eine Kraft von einem Pfunde in C ebenſo viel bewirkt, als eine Kraft von 2 Pfunden in D; konnte alſo die in C wirkende Kraft der Maſſe, als ſie in C war, eine Geſchwindigkeit von 1 Fuß in der Secunde ertheilen, ſo wird ſie jetzt der in D befindlichen Maſſe eine Geſchwindigkeit von 2 Fuß in der Secunde ertheilen. Dieſe 2 Fuß in D betragen aber dort 4 Grade des Umfanges, wenn ſie in I. G

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/119>, abgerufen am 16.04.2024.