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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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Strahles sehen, so bietet sich 6 oder 8 Zoll tiefer seine breite
Seite, abermals 6 bis 8 Zoll tiefer wieder seine schmale Seite
dar. Man kann eben das beim Ausgießen aus kleinern Gefäßen
beobachten, aber da erhält sich der Strahl nicht so gut lange Zeit
in immer gleicher Form.

Wie wichtig die Bestimmung der aus Gefäßen ausfließenden
Wassermenge ist, erhellt leicht, da zum Beispiel da, wo eine ganze
Stadt mit Wasser aus dem Vorrathe einer Wasserkunst versorgt
werden soll, die Größe der Oeffnungen, durch welche dem einen
Theile der Stadt viel, dem andern Theile weniger zugeführt werden
soll, von diesen Ueberlegungen abhängt. Dabei kömmt noch eine
andere Betrachtung vor, nämlich wie in langen Röhrenleitungen
die Geschwindigkeit des Wassers bestimmt, wie sie da durch den
Widerstand an den Röhrenwänden und durch den Widerstand,
den die Krümmungen der Röhren hervorbringen, vermindert
wird, u. s. w.; aber diese ganze auf Erfahrung beruhende Be-
stimmung bietet wenig wissenschaftlich Merkwürdiges dar.

Auf der Kenntniß der Gesetze, denen der Ausfluß des Wassers aus
kleinen Oeffnungen unterworfen ist, beruhete die Einrichtung der
Wasser-Uhren bei den Alten. Ein Schwimmer auf der allmählig
sinkenden Oberfläche des im Gefäße noch übrigen Wassers zeigte auf
einer an der Wand des Gefäßes angebrachten Scale die Stunden
an, und die Geschicklichkeit des Ctesibius, Hero und anderer
wußte schon damals künstlichere Einrichtungen hiemit in Verbindung
zu setzen.

Oscillationen des Wassers in Röhren.

Die oscillirende Bewegung des Wassers in einer zweischenk-
lichen Röhre ABCD (Fig. 100.) scheint zwar beim ersten An-
blicke nur zu einer angenehmen Unterhaltung oder allenfalls zu
einer nutzlosen theoretischen Speculation Anlaß zu geben; aber
Sie werden bald sehen, daß nützliche Anwendungen für die Be-
dürfnisse der Gesellschaft und Erklärungen merkwürdiger Natur-
Erscheinungen sich auch an diese anscheinend unbedeutende Be-
trachtung anknüpfen.

Wenn das Wasser, in den verbundenen verticalen Röhren
(Fig. 100.) AB, CD ruhend, sich bis an E und F erstreckt,

Strahles ſehen, ſo bietet ſich 6 oder 8 Zoll tiefer ſeine breite
Seite, abermals 6 bis 8 Zoll tiefer wieder ſeine ſchmale Seite
dar. Man kann eben das beim Ausgießen aus kleinern Gefaͤßen
beobachten, aber da erhaͤlt ſich der Strahl nicht ſo gut lange Zeit
in immer gleicher Form.

Wie wichtig die Beſtimmung der aus Gefaͤßen ausfließenden
Waſſermenge iſt, erhellt leicht, da zum Beiſpiel da, wo eine ganze
Stadt mit Waſſer aus dem Vorrathe einer Waſſerkunſt verſorgt
werden ſoll, die Groͤße der Oeffnungen, durch welche dem einen
Theile der Stadt viel, dem andern Theile weniger zugefuͤhrt werden
ſoll, von dieſen Ueberlegungen abhaͤngt. Dabei koͤmmt noch eine
andere Betrachtung vor, naͤmlich wie in langen Roͤhrenleitungen
die Geſchwindigkeit des Waſſers beſtimmt, wie ſie da durch den
Widerſtand an den Roͤhrenwaͤnden und durch den Widerſtand,
den die Kruͤmmungen der Roͤhren hervorbringen, vermindert
wird, u. ſ. w.; aber dieſe ganze auf Erfahrung beruhende Be-
ſtimmung bietet wenig wiſſenſchaftlich Merkwuͤrdiges dar.

Auf der Kenntniß der Geſetze, denen der Ausfluß des Waſſers aus
kleinen Oeffnungen unterworfen iſt, beruhete die Einrichtung der
Waſſer-Uhren bei den Alten. Ein Schwimmer auf der allmaͤhlig
ſinkenden Oberflaͤche des im Gefaͤße noch uͤbrigen Waſſers zeigte auf
einer an der Wand des Gefaͤßes angebrachten Scale die Stunden
an, und die Geſchicklichkeit des Cteſibius, Hero und anderer
wußte ſchon damals kuͤnſtlichere Einrichtungen hiemit in Verbindung
zu ſetzen.

Oſcillationen des Waſſers in Roͤhren.

Die oſcillirende Bewegung des Waſſers in einer zweiſchenk-
lichen Roͤhre ABCD (Fig. 100.) ſcheint zwar beim erſten An-
blicke nur zu einer angenehmen Unterhaltung oder allenfalls zu
einer nutzloſen theoretiſchen Speculation Anlaß zu geben; aber
Sie werden bald ſehen, daß nuͤtzliche Anwendungen fuͤr die Be-
duͤrfniſſe der Geſellſchaft und Erklaͤrungen merkwuͤrdiger Natur-
Erſcheinungen ſich auch an dieſe anſcheinend unbedeutende Be-
trachtung anknuͤpfen.

Wenn das Waſſer, in den verbundenen verticalen Roͤhren
(Fig. 100.) AB, CD ruhend, ſich bis an E und F erſtreckt,

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[171/0193] Strahles ſehen, ſo bietet ſich 6 oder 8 Zoll tiefer ſeine breite Seite, abermals 6 bis 8 Zoll tiefer wieder ſeine ſchmale Seite dar. Man kann eben das beim Ausgießen aus kleinern Gefaͤßen beobachten, aber da erhaͤlt ſich der Strahl nicht ſo gut lange Zeit in immer gleicher Form. Wie wichtig die Beſtimmung der aus Gefaͤßen ausfließenden Waſſermenge iſt, erhellt leicht, da zum Beiſpiel da, wo eine ganze Stadt mit Waſſer aus dem Vorrathe einer Waſſerkunſt verſorgt werden ſoll, die Groͤße der Oeffnungen, durch welche dem einen Theile der Stadt viel, dem andern Theile weniger zugefuͤhrt werden ſoll, von dieſen Ueberlegungen abhaͤngt. Dabei koͤmmt noch eine andere Betrachtung vor, naͤmlich wie in langen Roͤhrenleitungen die Geſchwindigkeit des Waſſers beſtimmt, wie ſie da durch den Widerſtand an den Roͤhrenwaͤnden und durch den Widerſtand, den die Kruͤmmungen der Roͤhren hervorbringen, vermindert wird, u. ſ. w.; aber dieſe ganze auf Erfahrung beruhende Be- ſtimmung bietet wenig wiſſenſchaftlich Merkwuͤrdiges dar. Auf der Kenntniß der Geſetze, denen der Ausfluß des Waſſers aus kleinen Oeffnungen unterworfen iſt, beruhete die Einrichtung der Waſſer-Uhren bei den Alten. Ein Schwimmer auf der allmaͤhlig ſinkenden Oberflaͤche des im Gefaͤße noch uͤbrigen Waſſers zeigte auf einer an der Wand des Gefaͤßes angebrachten Scale die Stunden an, und die Geſchicklichkeit des Cteſibius, Hero und anderer wußte ſchon damals kuͤnſtlichere Einrichtungen hiemit in Verbindung zu ſetzen. Oſcillationen des Waſſers in Roͤhren. Die oſcillirende Bewegung des Waſſers in einer zweiſchenk- lichen Roͤhre ABCD (Fig. 100.) ſcheint zwar beim erſten An- blicke nur zu einer angenehmen Unterhaltung oder allenfalls zu einer nutzloſen theoretiſchen Speculation Anlaß zu geben; aber Sie werden bald ſehen, daß nuͤtzliche Anwendungen fuͤr die Be- duͤrfniſſe der Geſellſchaft und Erklaͤrungen merkwuͤrdiger Natur- Erſcheinungen ſich auch an dieſe anſcheinend unbedeutende Be- trachtung anknuͤpfen. Wenn das Waſſer, in den verbundenen verticalen Roͤhren (Fig. 100.) AB, CD ruhend, ſich bis an E und F erſtreckt,

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/193>, abgerufen am 28.03.2024.