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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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die Quantität der Bewegung zu, wie einer Masse von 5 Pfunden,
die mit 6 Fuß Geschwindigkeit bewegt wird, oder wie einer Masse
von 1 Pfund, die mit 30 Fuß Geschwindigkeit in 1 Secunde fort-
geht, und die Producte 10.3 = 5.6 = 1.30. drücken die Quan-
tität der Bewegung aus.

Diese Ueberzeugung, daß beim Stoße an einander gleiche
Quantitäten der Bewegung sich völlig aufheben, wenn die Richtun-
gen der Bewegungen entgegengesetzt sind, führt zu dem zweiten
Satze, daß bei unelastischen Körpern, wo gar keine neuen Kräfte
thätig sind, nach dem Stoße die Summe der Bewegungen ebenso
groß ist als vor dem Stoße, wenn die Körper einander folgten, und
daß der Unterschied der beiden Bewegungsquantitäten vor dem Stoße
die Quantität der Bewegung nach dem Stoße giebt, wenn sie einan-
der begegnen. Beispiele werden dies völlig erläutern. Wenn zwei
Kugeln einander in genau entgegengesetzten Richtungen begegnen,
die eine von 4 Pfund, die andre von 1 Pfund, jene mit der Ge-
schwindigkeit = 9, diese mit der Geschwindigkeit = 6 Fuß in der
Secunde, so drückt 4. 9 = 36 bei jener 1. 6 = 6 bei dieser die
Quantität der Bewegung vor dem Stoße aus, und im Stoße behält
die erstere einen Ueberrest von 30; aber sie kann in ihrer Richtung
nicht fortgehen, ohne auch noch das eine Pfund mit fortzureißen, und
die Quantität der Bewegung = 30, auf die 5 vereinigten Pfunde
ausgetheilt, giebt diesen 6 Fuß Geschwindigkeit. Die Einwirkung
der mit größerer Bewegung begabten Masse ist also eine doppelte,
erstlich raubt sie der begegnenden Masse alle Geschwindigkeit, dazu
wäre sie bei 11/2 Fuß Geschwindigkeit schon im Stande gewesen, und
ihr bleiben daher 71/2 Fuß Geschwindigkeit übrig; aber zweitens er-
theilt sie der aufgehaltenen Masse eine neue entgegengesetzte Ge-
schwindigkeit, und diese muß derjenigen gleich sein, die sie selbst am
Ende behält; die den 4 Pfunden noch übrige Geschwindigkeit =
71/2 Fuß wird daher unter die 5 Pfunde so vertheilt, daß beide Mas-
sen 6 Fuß Geschwindigkeit erhalten. Man kann, obgleich der Stoß
bei ziemlich harten Körpern in einem einzigen Augenblicke seine Wir-
kung zu vollenden scheint, dennoch diese Wirkung als in auf einander
folgenden, sehr kleinen Zeitmomenten vorgehend ansehen, nämlich
so: die Masse 4 mit der Geschwindigkeit 9 trifft gegen die Masse 1
mit Geschwindigkeit 6, im ersten Momente verliere die letztere

die Quantitaͤt der Bewegung zu, wie einer Maſſe von 5 Pfunden,
die mit 6 Fuß Geſchwindigkeit bewegt wird, oder wie einer Maſſe
von 1 Pfund, die mit 30 Fuß Geſchwindigkeit in 1 Secunde fort-
geht, und die Producte 10.3 = 5.6 = 1.30. druͤcken die Quan-
titaͤt der Bewegung aus.

Dieſe Ueberzeugung, daß beim Stoße an einander gleiche
Quantitaͤten der Bewegung ſich voͤllig aufheben, wenn die Richtun-
gen der Bewegungen entgegengeſetzt ſind, fuͤhrt zu dem zweiten
Satze, daß bei unelaſtiſchen Koͤrpern, wo gar keine neuen Kraͤfte
thaͤtig ſind, nach dem Stoße die Summe der Bewegungen ebenſo
groß iſt als vor dem Stoße, wenn die Koͤrper einander folgten, und
daß der Unterſchied der beiden Bewegungsquantitaͤten vor dem Stoße
die Quantitaͤt der Bewegung nach dem Stoße giebt, wenn ſie einan-
der begegnen. Beiſpiele werden dies voͤllig erlaͤutern. Wenn zwei
Kugeln einander in genau entgegengeſetzten Richtungen begegnen,
die eine von 4 Pfund, die andre von 1 Pfund, jene mit der Ge-
ſchwindigkeit = 9, dieſe mit der Geſchwindigkeit = 6 Fuß in der
Secunde, ſo druͤckt 4. 9 = 36 bei jener 1. 6 = 6 bei dieſer die
Quantitaͤt der Bewegung vor dem Stoße aus, und im Stoße behaͤlt
die erſtere einen Ueberreſt von 30; aber ſie kann in ihrer Richtung
nicht fortgehen, ohne auch noch das eine Pfund mit fortzureißen, und
die Quantitaͤt der Bewegung = 30, auf die 5 vereinigten Pfunde
ausgetheilt, giebt dieſen 6 Fuß Geſchwindigkeit. Die Einwirkung
der mit groͤßerer Bewegung begabten Maſſe iſt alſo eine doppelte,
erſtlich raubt ſie der begegnenden Maſſe alle Geſchwindigkeit, dazu
waͤre ſie bei 1½ Fuß Geſchwindigkeit ſchon im Stande geweſen, und
ihr bleiben daher 7½ Fuß Geſchwindigkeit uͤbrig; aber zweitens er-
theilt ſie der aufgehaltenen Maſſe eine neue entgegengeſetzte Ge-
ſchwindigkeit, und dieſe muß derjenigen gleich ſein, die ſie ſelbſt am
Ende behaͤlt; die den 4 Pfunden noch uͤbrige Geſchwindigkeit =
7½ Fuß wird daher unter die 5 Pfunde ſo vertheilt, daß beide Maſ-
ſen 6 Fuß Geſchwindigkeit erhalten. Man kann, obgleich der Stoß
bei ziemlich harten Koͤrpern in einem einzigen Augenblicke ſeine Wir-
kung zu vollenden ſcheint, dennoch dieſe Wirkung als in auf einander
folgenden, ſehr kleinen Zeitmomenten vorgehend anſehen, naͤmlich
ſo: die Maſſe 4 mit der Geſchwindigkeit 9 trifft gegen die Maſſe 1
mit Geſchwindigkeit 6, im erſten Momente verliere die letztere

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[117/0139] die Quantitaͤt der Bewegung zu, wie einer Maſſe von 5 Pfunden, die mit 6 Fuß Geſchwindigkeit bewegt wird, oder wie einer Maſſe von 1 Pfund, die mit 30 Fuß Geſchwindigkeit in 1 Secunde fort- geht, und die Producte 10.3 = 5.6 = 1.30. druͤcken die Quan- titaͤt der Bewegung aus. Dieſe Ueberzeugung, daß beim Stoße an einander gleiche Quantitaͤten der Bewegung ſich voͤllig aufheben, wenn die Richtun- gen der Bewegungen entgegengeſetzt ſind, fuͤhrt zu dem zweiten Satze, daß bei unelaſtiſchen Koͤrpern, wo gar keine neuen Kraͤfte thaͤtig ſind, nach dem Stoße die Summe der Bewegungen ebenſo groß iſt als vor dem Stoße, wenn die Koͤrper einander folgten, und daß der Unterſchied der beiden Bewegungsquantitaͤten vor dem Stoße die Quantitaͤt der Bewegung nach dem Stoße giebt, wenn ſie einan- der begegnen. Beiſpiele werden dies voͤllig erlaͤutern. Wenn zwei Kugeln einander in genau entgegengeſetzten Richtungen begegnen, die eine von 4 Pfund, die andre von 1 Pfund, jene mit der Ge- ſchwindigkeit = 9, dieſe mit der Geſchwindigkeit = 6 Fuß in der Secunde, ſo druͤckt 4. 9 = 36 bei jener 1. 6 = 6 bei dieſer die Quantitaͤt der Bewegung vor dem Stoße aus, und im Stoße behaͤlt die erſtere einen Ueberreſt von 30; aber ſie kann in ihrer Richtung nicht fortgehen, ohne auch noch das eine Pfund mit fortzureißen, und die Quantitaͤt der Bewegung = 30, auf die 5 vereinigten Pfunde ausgetheilt, giebt dieſen 6 Fuß Geſchwindigkeit. Die Einwirkung der mit groͤßerer Bewegung begabten Maſſe iſt alſo eine doppelte, erſtlich raubt ſie der begegnenden Maſſe alle Geſchwindigkeit, dazu waͤre ſie bei 1½ Fuß Geſchwindigkeit ſchon im Stande geweſen, und ihr bleiben daher 7½ Fuß Geſchwindigkeit uͤbrig; aber zweitens er- theilt ſie der aufgehaltenen Maſſe eine neue entgegengeſetzte Ge- ſchwindigkeit, und dieſe muß derjenigen gleich ſein, die ſie ſelbſt am Ende behaͤlt; die den 4 Pfunden noch uͤbrige Geſchwindigkeit = 7½ Fuß wird daher unter die 5 Pfunde ſo vertheilt, daß beide Maſ- ſen 6 Fuß Geſchwindigkeit erhalten. Man kann, obgleich der Stoß bei ziemlich harten Koͤrpern in einem einzigen Augenblicke ſeine Wir- kung zu vollenden ſcheint, dennoch dieſe Wirkung als in auf einander folgenden, ſehr kleinen Zeitmomenten vorgehend anſehen, naͤmlich ſo: die Maſſe 4 mit der Geſchwindigkeit 9 trifft gegen die Maſſe 1 mit Geſchwindigkeit 6, im erſten Momente verliere die letztere

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/139>, abgerufen am 29.03.2024.