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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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strömenden Luft, die sich, wie die Chemie lehrt, mit einem Theile
der atmosphärischen Luft zu Wasser verbindet, in so gleichmäßig ab-
gesetzten Zeitmomenten erfolgen, daß daraus ein Ton hervorgehen
kann. Daß diese Vibrationen sich so anordnen, wie es dem Tone,
welchen die Röhre geben kann, gemäß ist, läßt sich leicht einsehen.
Das Experiment gelingt am leichtesten, wenn man die aus einer
Auflösung sich entbindende brennbare Luft durch ein enges Röhrchen
ausströmen läßt, und sie an der Mündung entzündet, über die man
dann ein Glasgefäß oder Glasröhre mit der Hand festhält. Die
einzelnen Umstände, die das Hervorgehen des Tones befördern, --
ein nicht zu weit und nicht zu wenig innerhalb der Mündung ge-
wählter Ort der Flamme u. s. w. -- darf ich hier wohl übergehen.

Das Gehör-Organ.

Das Gehör-Organ, dessen künstliche Einrichtung schon jetzt
unsre Aufmerksamkeit erregt, wird gewiß einst den Physikern Gele-
genheit zu den interessantesten Untersuchungen und ohne Zweifel zur
Bewunderung seiner zweckmäßigen Anordnung geben; aber der
Zeitpunct scheint noch ziemlich entfernt zu sein, wo eine vollendetere
Einsicht in die Gesetze der Einwirkung des Schalles auf das Ohr
uns berechtigen kann, über die Art der Mitwirkung jedes einzelnen
Theiles auf das Hören sichere Schlüsse zu ziehen. Bis jetzt sind
wie, obgleich die Anatomen uns mit der Einrichtung des Ohres
sehr genau bekannt gemacht haben, noch gar nicht im Stande, die
sichere Bestimmung der einzelnen Theile des Gehör-Organes anzu-
geben, und wir wissen nicht, ob wir neue Aufschlüsse über diesen
Gegenstand eher von noch unbekannten, erst neu zu entdeckenden
Gesetzen in der Fortpflanzung des Schalles oder in der Natur der
durch denselben bewirkten Vibrationen, erwarten sollen, oder ob eine
genauere Aufmerksamkeit auf Fehler des Gehörsinns und auf die
dabei vielleicht erkennbaren Mängel an den Organen uns zur Kennt-
niß ihrer Thätigkeit führen werden.

Daß die äußere Erweiterung der an den Gehörgang sich an-
schließenden Muschel, des äußern Ohres, dazu beitragen soll, mehr
Schallstrahlen aufzunehmen und dem innern Ohre zuzuführen, ist
wohl gewiß; aber selbst hier schon möchte es schwer sein, anzugeben,
warum das menschliche Ohr genau diese Bildung haben mußte.


I. Z

ſtroͤmenden Luft, die ſich, wie die Chemie lehrt, mit einem Theile
der atmoſphaͤriſchen Luft zu Waſſer verbindet, in ſo gleichmaͤßig ab-
geſetzten Zeitmomenten erfolgen, daß daraus ein Ton hervorgehen
kann. Daß dieſe Vibrationen ſich ſo anordnen, wie es dem Tone,
welchen die Roͤhre geben kann, gemaͤß iſt, laͤßt ſich leicht einſehen.
Das Experiment gelingt am leichteſten, wenn man die aus einer
Aufloͤſung ſich entbindende brennbare Luft durch ein enges Roͤhrchen
ausſtroͤmen laͤßt, und ſie an der Muͤndung entzuͤndet, uͤber die man
dann ein Glasgefaͤß oder Glasroͤhre mit der Hand feſthaͤlt. Die
einzelnen Umſtaͤnde, die das Hervorgehen des Tones befoͤrdern, —
ein nicht zu weit und nicht zu wenig innerhalb der Muͤndung ge-
waͤhlter Ort der Flamme u. ſ. w. — darf ich hier wohl uͤbergehen.

Das Gehoͤr-Organ.

Das Gehoͤr-Organ, deſſen kuͤnſtliche Einrichtung ſchon jetzt
unſre Aufmerkſamkeit erregt, wird gewiß einſt den Phyſikern Gele-
genheit zu den intereſſanteſten Unterſuchungen und ohne Zweifel zur
Bewunderung ſeiner zweckmaͤßigen Anordnung geben; aber der
Zeitpunct ſcheint noch ziemlich entfernt zu ſein, wo eine vollendetere
Einſicht in die Geſetze der Einwirkung des Schalles auf das Ohr
uns berechtigen kann, uͤber die Art der Mitwirkung jedes einzelnen
Theiles auf das Hoͤren ſichere Schluͤſſe zu ziehen. Bis jetzt ſind
wie, obgleich die Anatomen uns mit der Einrichtung des Ohres
ſehr genau bekannt gemacht haben, noch gar nicht im Stande, die
ſichere Beſtimmung der einzelnen Theile des Gehoͤr-Organes anzu-
geben, und wir wiſſen nicht, ob wir neue Aufſchluͤſſe uͤber dieſen
Gegenſtand eher von noch unbekannten, erſt neu zu entdeckenden
Geſetzen in der Fortpflanzung des Schalles oder in der Natur der
durch denſelben bewirkten Vibrationen, erwarten ſollen, oder ob eine
genauere Aufmerkſamkeit auf Fehler des Gehoͤrſinns und auf die
dabei vielleicht erkennbaren Maͤngel an den Organen uns zur Kennt-
niß ihrer Thaͤtigkeit fuͤhren werden.

Daß die aͤußere Erweiterung der an den Gehoͤrgang ſich an-
ſchließenden Muſchel, des aͤußern Ohres, dazu beitragen ſoll, mehr
Schallſtrahlen aufzunehmen und dem innern Ohre zuzufuͤhren, iſt
wohl gewiß; aber ſelbſt hier ſchon moͤchte es ſchwer ſein, anzugeben,
warum das menſchliche Ohr genau dieſe Bildung haben mußte.


I. Z
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[353/0375] ſtroͤmenden Luft, die ſich, wie die Chemie lehrt, mit einem Theile der atmoſphaͤriſchen Luft zu Waſſer verbindet, in ſo gleichmaͤßig ab- geſetzten Zeitmomenten erfolgen, daß daraus ein Ton hervorgehen kann. Daß dieſe Vibrationen ſich ſo anordnen, wie es dem Tone, welchen die Roͤhre geben kann, gemaͤß iſt, laͤßt ſich leicht einſehen. Das Experiment gelingt am leichteſten, wenn man die aus einer Aufloͤſung ſich entbindende brennbare Luft durch ein enges Roͤhrchen ausſtroͤmen laͤßt, und ſie an der Muͤndung entzuͤndet, uͤber die man dann ein Glasgefaͤß oder Glasroͤhre mit der Hand feſthaͤlt. Die einzelnen Umſtaͤnde, die das Hervorgehen des Tones befoͤrdern, — ein nicht zu weit und nicht zu wenig innerhalb der Muͤndung ge- waͤhlter Ort der Flamme u. ſ. w. — darf ich hier wohl uͤbergehen. Das Gehoͤr-Organ. Das Gehoͤr-Organ, deſſen kuͤnſtliche Einrichtung ſchon jetzt unſre Aufmerkſamkeit erregt, wird gewiß einſt den Phyſikern Gele- genheit zu den intereſſanteſten Unterſuchungen und ohne Zweifel zur Bewunderung ſeiner zweckmaͤßigen Anordnung geben; aber der Zeitpunct ſcheint noch ziemlich entfernt zu ſein, wo eine vollendetere Einſicht in die Geſetze der Einwirkung des Schalles auf das Ohr uns berechtigen kann, uͤber die Art der Mitwirkung jedes einzelnen Theiles auf das Hoͤren ſichere Schluͤſſe zu ziehen. Bis jetzt ſind wie, obgleich die Anatomen uns mit der Einrichtung des Ohres ſehr genau bekannt gemacht haben, noch gar nicht im Stande, die ſichere Beſtimmung der einzelnen Theile des Gehoͤr-Organes anzu- geben, und wir wiſſen nicht, ob wir neue Aufſchluͤſſe uͤber dieſen Gegenſtand eher von noch unbekannten, erſt neu zu entdeckenden Geſetzen in der Fortpflanzung des Schalles oder in der Natur der durch denſelben bewirkten Vibrationen, erwarten ſollen, oder ob eine genauere Aufmerkſamkeit auf Fehler des Gehoͤrſinns und auf die dabei vielleicht erkennbaren Maͤngel an den Organen uns zur Kennt- niß ihrer Thaͤtigkeit fuͤhren werden. Daß die aͤußere Erweiterung der an den Gehoͤrgang ſich an- ſchließenden Muſchel, des aͤußern Ohres, dazu beitragen ſoll, mehr Schallſtrahlen aufzunehmen und dem innern Ohre zuzufuͤhren, iſt wohl gewiß; aber ſelbſt hier ſchon moͤchte es ſchwer ſein, anzugeben, warum das menſchliche Ohr genau dieſe Bildung haben mußte. I. Z

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/375>, abgerufen am 28.03.2024.