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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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kömmt, zeigt, daß die Puncte, die das Auge O um die Mitte sehen
soll, am weitesten hinaus gerückt werden; daher denn bei einem
abgebildeten Gesichte, dessen Mund grade die Mitte des Spiegel-
bildes ausmachen soll, die Seltsamkeit eintritt, daß die Lippen
rund um den Rand des Zerrbildes laufen, während in der Gegend
T zum Beispiel die Stirn, in der Gegend U Kinn und Hals liegen.

Nützliche Anwendungen dieser Spiegel möchten sich wohl kaum
erdenken lassen.



Sechste Vorlesung.


Die Behauptung, m. h. H., das Licht gehe nach graden Linien
fort, scheint uns eine so wohl begründete zu sein, daß wir bei allen
Gegenständen, die wir sehen, vorausgesetzt, daß sie uns nicht im
Spiegel erscheinen, kaum einen Zweifel hegen, ob sie anderswo,
als in der Richtung liegen, welche der zu unserm Auge gelangende
Lichtstrahl uns angiebt. Und gleichwohl leidet jene Behauptung
noch viele Ausnahmen, die uns oft genug kenntlich werden und zu
unzähligen Täuschungen oder unrichtigen Schlüssen Anlaß geben.
Die Brechung der Lichtstrahlen ist eine der vorzüglichsten Ursachen
dieser Abweichung des Lichtstrahles von der graden Richtung.

Brechung der Lichtstrahlen.

Wenn ich (Fig. 47.) auf dem Boden des Gefäßes ADCB
einen Punct E bezeichne, und nun mein Auge in O so stelle, daß
ich diesen Punct grade noch an dem Rande B vorbei sehe, so ist,
wenn das Gefäß leer, das heißt bloß mit Luft gefüllt, ist, kein
Zweifel, daß die von E über B nach meinem Auge O gezogne Linie
eine grade Linie sein muß. Wir sagen hier mit vollem Rechte,
der von E ausgehende, zum Auge O gelangende Lichtstrahl kömmt,
weil er immer in einerlei Körper, in der Luft, fortgeht, in grader
Linie zum Auge, und da wir ihn, als unmittelbar an B vorbei
gehend erkennen, so ist EBO grade. Aber wenn wir nun Wasser

koͤmmt, zeigt, daß die Puncte, die das Auge O um die Mitte ſehen
ſoll, am weiteſten hinaus geruͤckt werden; daher denn bei einem
abgebildeten Geſichte, deſſen Mund grade die Mitte des Spiegel-
bildes ausmachen ſoll, die Seltſamkeit eintritt, daß die Lippen
rund um den Rand des Zerrbildes laufen, waͤhrend in der Gegend
T zum Beiſpiel die Stirn, in der Gegend U Kinn und Hals liegen.

Nuͤtzliche Anwendungen dieſer Spiegel moͤchten ſich wohl kaum
erdenken laſſen.



Sechste Vorleſung.


Die Behauptung, m. h. H., das Licht gehe nach graden Linien
fort, ſcheint uns eine ſo wohl begruͤndete zu ſein, daß wir bei allen
Gegenſtaͤnden, die wir ſehen, vorausgeſetzt, daß ſie uns nicht im
Spiegel erſcheinen, kaum einen Zweifel hegen, ob ſie anderswo,
als in der Richtung liegen, welche der zu unſerm Auge gelangende
Lichtſtrahl uns angiebt. Und gleichwohl leidet jene Behauptung
noch viele Ausnahmen, die uns oft genug kenntlich werden und zu
unzaͤhligen Taͤuſchungen oder unrichtigen Schluͤſſen Anlaß geben.
Die Brechung der Lichtſtrahlen iſt eine der vorzuͤglichſten Urſachen
dieſer Abweichung des Lichtſtrahles von der graden Richtung.

Brechung der Lichtſtrahlen.

Wenn ich (Fig. 47.) auf dem Boden des Gefaͤßes ADCB
einen Punct E bezeichne, und nun mein Auge in O ſo ſtelle, daß
ich dieſen Punct grade noch an dem Rande B vorbei ſehe, ſo iſt,
wenn das Gefaͤß leer, das heißt bloß mit Luft gefuͤllt, iſt, kein
Zweifel, daß die von E uͤber B nach meinem Auge O gezogne Linie
eine grade Linie ſein muß. Wir ſagen hier mit vollem Rechte,
der von E ausgehende, zum Auge O gelangende Lichtſtrahl koͤmmt,
weil er immer in einerlei Koͤrper, in der Luft, fortgeht, in grader
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[98/0112] koͤmmt, zeigt, daß die Puncte, die das Auge O um die Mitte ſehen ſoll, am weiteſten hinaus geruͤckt werden; daher denn bei einem abgebildeten Geſichte, deſſen Mund grade die Mitte des Spiegel- bildes ausmachen ſoll, die Seltſamkeit eintritt, daß die Lippen rund um den Rand des Zerrbildes laufen, waͤhrend in der Gegend T zum Beiſpiel die Stirn, in der Gegend U Kinn und Hals liegen. Nuͤtzliche Anwendungen dieſer Spiegel moͤchten ſich wohl kaum erdenken laſſen. Sechste Vorleſung. Die Behauptung, m. h. H., das Licht gehe nach graden Linien fort, ſcheint uns eine ſo wohl begruͤndete zu ſein, daß wir bei allen Gegenſtaͤnden, die wir ſehen, vorausgeſetzt, daß ſie uns nicht im Spiegel erſcheinen, kaum einen Zweifel hegen, ob ſie anderswo, als in der Richtung liegen, welche der zu unſerm Auge gelangende Lichtſtrahl uns angiebt. Und gleichwohl leidet jene Behauptung noch viele Ausnahmen, die uns oft genug kenntlich werden und zu unzaͤhligen Taͤuſchungen oder unrichtigen Schluͤſſen Anlaß geben. Die Brechung der Lichtſtrahlen iſt eine der vorzuͤglichſten Urſachen dieſer Abweichung des Lichtſtrahles von der graden Richtung. Brechung der Lichtſtrahlen. Wenn ich (Fig. 47.) auf dem Boden des Gefaͤßes ADCB einen Punct E bezeichne, und nun mein Auge in O ſo ſtelle, daß ich dieſen Punct grade noch an dem Rande B vorbei ſehe, ſo iſt, wenn das Gefaͤß leer, das heißt bloß mit Luft gefuͤllt, iſt, kein Zweifel, daß die von E uͤber B nach meinem Auge O gezogne Linie eine grade Linie ſein muß. Wir ſagen hier mit vollem Rechte, der von E ausgehende, zum Auge O gelangende Lichtſtrahl koͤmmt, weil er immer in einerlei Koͤrper, in der Luft, fortgeht, in grader Linie zum Auge, und da wir ihn, als unmittelbar an B vorbei gehend erkennen, ſo iſt EBO grade. Aber wenn wir nun Waſſer

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/112>, abgerufen am 25.04.2024.