Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

entfernten Gegenstand zu richten; das recht geübte Auge erkennt
hier wohl die Wirkung des Fernrohres, aber da die Dünste in der
Luft meistens das recht scharfe Sehen hindern, so werden kleine
Theile der Gegenstände nicht klar genug sichtbar, um von dem
Ungeübten in dem minder hellen Bilde wahrgenommen zu werden.
Richtet man dagegen das Fernrohr auf einen Gegenstand, der
etwa eine halbe Stunde entfernt ist, läßt den Beobachter nun
zuerst mit dem bloßen Auge wahrnehmen, welche Theile der Häu-
ser, Bäume u. s. w. er noch erkennt, und ihn dann durch das
Fernrohr blicken, so wird er gewiß bekennen, daß er nun Gegen-
stände sehe, die ihm vorhin ganz unkenntlich, ja völlig unsichtbar
waren; er sieht bei 20maliger Vergrößerung die Gegenstände in
10000 Fuß Entfernung beinahe so gut, wie er sie mit bloßem
Auge in 500 Fuß Entfernung sehen würde, und würde sie voll-
kommen so gut sehen, wenn nicht einiger Lichtverlust theils in der
Luft bei größern Entfernungen, theils beim Durchgange durch die
Gläser statt fände.

Das galiläische oder holländische Fernrohr.

Das bisher betrachtete, nur aus zwei Gläsern zusammenge-
fügte Fernrohr würde allen Forderungen sehr wohl entsprechen,
wenn es nicht die Gegenstände umgekehrt zeigte; denn so wie das
durch ein Linsenglas hervorgebrachte Bild allemal umgekehrt ist,
so muß es auch hier, wo wir ein solches Bild betrachten, sein; der
Lichtstrahl tEO (Fig. 75.) kömmt vom obern Theile des Augen-
glases ins Auge, obgleich der Gegenstand T unterhalb S liegt.
Diese Unbequemlichkeit hindert den Astronomen nicht, der überdies
bei oftmaliger Beobachtung sich ganz an diese Umkehrung der Lage
gewöhnt; aber bei irdischen Gegenständen ist sie störend, und man
kam daher bei Erfindung der Fernröhre zuerst auf diejenigen, die
mit zwei Gläsern ein aufrechtes Bild geben, und in der neueren
Zeit hat man Zusammenfügungen aus mehreren Gläsern erfunden,
um den gesehenen Gegenstand aufrecht zu sehen.

Jenen ersten Zweck, durch zwei Gläser die Gegenstände in
der richtigen Stellung zu sehen, erreicht man durch das holländische
oder galiläische Fernrohr, -- dasjenige, welches zuerst erfunden
worden ist. Dieses besteht zwar auch aus einem convexen Ob-

entfernten Gegenſtand zu richten; das recht geuͤbte Auge erkennt
hier wohl die Wirkung des Fernrohres, aber da die Duͤnſte in der
Luft meiſtens das recht ſcharfe Sehen hindern, ſo werden kleine
Theile der Gegenſtaͤnde nicht klar genug ſichtbar, um von dem
Ungeuͤbten in dem minder hellen Bilde wahrgenommen zu werden.
Richtet man dagegen das Fernrohr auf einen Gegenſtand, der
etwa eine halbe Stunde entfernt iſt, laͤßt den Beobachter nun
zuerſt mit dem bloßen Auge wahrnehmen, welche Theile der Haͤu-
ſer, Baͤume u. ſ. w. er noch erkennt, und ihn dann durch das
Fernrohr blicken, ſo wird er gewiß bekennen, daß er nun Gegen-
ſtaͤnde ſehe, die ihm vorhin ganz unkenntlich, ja voͤllig unſichtbar
waren; er ſieht bei 20maliger Vergroͤßerung die Gegenſtaͤnde in
10000 Fuß Entfernung beinahe ſo gut, wie er ſie mit bloßem
Auge in 500 Fuß Entfernung ſehen wuͤrde, und wuͤrde ſie voll-
kommen ſo gut ſehen, wenn nicht einiger Lichtverluſt theils in der
Luft bei groͤßern Entfernungen, theils beim Durchgange durch die
Glaͤſer ſtatt faͤnde.

Das galilaͤiſche oder hollaͤndiſche Fernrohr.

Das bisher betrachtete, nur aus zwei Glaͤſern zuſammenge-
fuͤgte Fernrohr wuͤrde allen Forderungen ſehr wohl entſprechen,
wenn es nicht die Gegenſtaͤnde umgekehrt zeigte; denn ſo wie das
durch ein Linſenglas hervorgebrachte Bild allemal umgekehrt iſt,
ſo muß es auch hier, wo wir ein ſolches Bild betrachten, ſein; der
Lichtſtrahl tEO (Fig. 75.) koͤmmt vom obern Theile des Augen-
glaſes ins Auge, obgleich der Gegenſtand T unterhalb S liegt.
Dieſe Unbequemlichkeit hindert den Aſtronomen nicht, der uͤberdies
bei oftmaliger Beobachtung ſich ganz an dieſe Umkehrung der Lage
gewoͤhnt; aber bei irdiſchen Gegenſtaͤnden iſt ſie ſtoͤrend, und man
kam daher bei Erfindung der Fernroͤhre zuerſt auf diejenigen, die
mit zwei Glaͤſern ein aufrechtes Bild geben, und in der neueren
Zeit hat man Zuſammenfuͤgungen aus mehreren Glaͤſern erfunden,
um den geſehenen Gegenſtand aufrecht zu ſehen.

Jenen erſten Zweck, durch zwei Glaͤſer die Gegenſtaͤnde in
der richtigen Stellung zu ſehen, erreicht man durch das hollaͤndiſche
oder galilaͤiſche Fernrohr, — dasjenige, welches zuerſt erfunden
worden iſt. Dieſes beſteht zwar auch aus einem convexen Ob-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0164" n="150"/>
entfernten Gegen&#x017F;tand zu richten; das recht geu&#x0364;bte                         Auge erkennt<lb/>
hier wohl die Wirkung des Fernrohres, aber da die                         Du&#x0364;n&#x017F;te in der<lb/>
Luft mei&#x017F;tens das recht                         &#x017F;charfe Sehen hindern, &#x017F;o werden kleine<lb/>
Theile der                         Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde nicht klar genug &#x017F;ichtbar, um                         von dem<lb/>
Ungeu&#x0364;bten in dem minder hellen Bilde wahrgenommen zu                         werden.<lb/>
Richtet man dagegen das Fernrohr auf einen                         Gegen&#x017F;tand, der<lb/>
etwa eine halbe Stunde entfernt                         i&#x017F;t, la&#x0364;ßt den Beobachter nun<lb/>
zuer&#x017F;t                         mit dem bloßen Auge wahrnehmen, welche Theile der                         Ha&#x0364;u-<lb/>
&#x017F;er, Ba&#x0364;ume u. &#x017F;. w.                         er noch erkennt, und ihn dann durch das<lb/>
Fernrohr blicken, &#x017F;o                         wird er gewiß bekennen, daß er nun Gegen-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde                         &#x017F;ehe, die ihm vorhin ganz unkenntlich, ja vo&#x0364;llig                         un&#x017F;ichtbar<lb/>
waren; er &#x017F;ieht bei 20maliger                         Vergro&#x0364;ßerung die Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde in<lb/>
10000                         Fuß Entfernung beinahe &#x017F;o gut, wie er &#x017F;ie mit                         bloßem<lb/>
Auge in 500 Fuß Entfernung &#x017F;ehen wu&#x0364;rde,                         und wu&#x0364;rde &#x017F;ie voll-<lb/>
kommen &#x017F;o gut                         &#x017F;ehen, wenn nicht einiger Lichtverlu&#x017F;t theils in                         der<lb/>
Luft bei gro&#x0364;ßern Entfernungen, theils beim Durchgange                         durch die<lb/>
Gla&#x0364;&#x017F;er &#x017F;tatt                         fa&#x0364;nde.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Das galila&#x0364;i&#x017F;che oder                             holla&#x0364;ndi&#x017F;che Fernrohr</hi>.</head><lb/>
          <p>Das bisher betrachtete, nur aus zwei Gla&#x0364;&#x017F;ern                         zu&#x017F;ammenge-<lb/>
fu&#x0364;gte Fernrohr wu&#x0364;rde                         allen Forderungen &#x017F;ehr wohl ent&#x017F;prechen,<lb/>
wenn es                         nicht die Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde umgekehrt zeigte; denn                         &#x017F;o wie das<lb/>
durch ein Lin&#x017F;englas hervorgebrachte                         Bild allemal umgekehrt i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o muß es auch hier,                         wo wir ein &#x017F;olches Bild betrachten, &#x017F;ein;                         der<lb/>
Licht&#x017F;trahl <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">tEO</hi></hi> (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">Fig. 75.</hi></hi>) ko&#x0364;mmt vom obern Theile des Augen-<lb/>
gla&#x017F;es                         ins Auge, obgleich der Gegen&#x017F;tand <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">T</hi></hi> unterhalb <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">S</hi></hi> liegt.<lb/>
Die&#x017F;e Unbequemlichkeit hindert den                         A&#x017F;tronomen nicht, der u&#x0364;berdies<lb/>
bei oftmaliger                         Beobachtung &#x017F;ich ganz an die&#x017F;e Umkehrung der                         Lage<lb/>
gewo&#x0364;hnt; aber bei irdi&#x017F;chen                         Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden i&#x017F;t &#x017F;ie                         &#x017F;to&#x0364;rend, und man<lb/>
kam daher bei Erfindung der                         Fernro&#x0364;hre zuer&#x017F;t auf diejenigen, die<lb/>
mit zwei                         Gla&#x0364;&#x017F;ern ein aufrechtes Bild geben, und in der                         neueren<lb/>
Zeit hat man Zu&#x017F;ammenfu&#x0364;gungen aus                         mehreren Gla&#x0364;&#x017F;ern erfunden,<lb/>
um den                         ge&#x017F;ehenen Gegen&#x017F;tand aufrecht zu &#x017F;ehen.</p><lb/>
          <p>Jenen er&#x017F;ten Zweck, durch zwei Gla&#x0364;&#x017F;er die                         Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde in<lb/>
der richtigen Stellung zu                         &#x017F;ehen, erreicht man durch das                         holla&#x0364;ndi&#x017F;che<lb/>
oder                         galila&#x0364;i&#x017F;che Fernrohr, &#x2014; dasjenige, welches                         zuer&#x017F;t erfunden<lb/>
worden i&#x017F;t. Die&#x017F;es                         be&#x017F;teht zwar auch aus einem convexen Ob-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0164] entfernten Gegenſtand zu richten; das recht geuͤbte Auge erkennt hier wohl die Wirkung des Fernrohres, aber da die Duͤnſte in der Luft meiſtens das recht ſcharfe Sehen hindern, ſo werden kleine Theile der Gegenſtaͤnde nicht klar genug ſichtbar, um von dem Ungeuͤbten in dem minder hellen Bilde wahrgenommen zu werden. Richtet man dagegen das Fernrohr auf einen Gegenſtand, der etwa eine halbe Stunde entfernt iſt, laͤßt den Beobachter nun zuerſt mit dem bloßen Auge wahrnehmen, welche Theile der Haͤu- ſer, Baͤume u. ſ. w. er noch erkennt, und ihn dann durch das Fernrohr blicken, ſo wird er gewiß bekennen, daß er nun Gegen- ſtaͤnde ſehe, die ihm vorhin ganz unkenntlich, ja voͤllig unſichtbar waren; er ſieht bei 20maliger Vergroͤßerung die Gegenſtaͤnde in 10000 Fuß Entfernung beinahe ſo gut, wie er ſie mit bloßem Auge in 500 Fuß Entfernung ſehen wuͤrde, und wuͤrde ſie voll- kommen ſo gut ſehen, wenn nicht einiger Lichtverluſt theils in der Luft bei groͤßern Entfernungen, theils beim Durchgange durch die Glaͤſer ſtatt faͤnde. Das galilaͤiſche oder hollaͤndiſche Fernrohr. Das bisher betrachtete, nur aus zwei Glaͤſern zuſammenge- fuͤgte Fernrohr wuͤrde allen Forderungen ſehr wohl entſprechen, wenn es nicht die Gegenſtaͤnde umgekehrt zeigte; denn ſo wie das durch ein Linſenglas hervorgebrachte Bild allemal umgekehrt iſt, ſo muß es auch hier, wo wir ein ſolches Bild betrachten, ſein; der Lichtſtrahl tEO (Fig. 75.) koͤmmt vom obern Theile des Augen- glaſes ins Auge, obgleich der Gegenſtand T unterhalb S liegt. Dieſe Unbequemlichkeit hindert den Aſtronomen nicht, der uͤberdies bei oftmaliger Beobachtung ſich ganz an dieſe Umkehrung der Lage gewoͤhnt; aber bei irdiſchen Gegenſtaͤnden iſt ſie ſtoͤrend, und man kam daher bei Erfindung der Fernroͤhre zuerſt auf diejenigen, die mit zwei Glaͤſern ein aufrechtes Bild geben, und in der neueren Zeit hat man Zuſammenfuͤgungen aus mehreren Glaͤſern erfunden, um den geſehenen Gegenſtand aufrecht zu ſehen. Jenen erſten Zweck, durch zwei Glaͤſer die Gegenſtaͤnde in der richtigen Stellung zu ſehen, erreicht man durch das hollaͤndiſche oder galilaͤiſche Fernrohr, — dasjenige, welches zuerſt erfunden worden iſt. Dieſes beſteht zwar auch aus einem convexen Ob-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/164
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/164>, abgerufen am 29.03.2024.