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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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Micrometer.

Mit den Fernröhren steht noch ein Gegenstand in Verbindung,
den ich jedoch nur kurz erwähnen will. Der Astronom will durch
die Fernröhre nicht bloß sehen, sondern er will auch messen, er
will die scheinbare Größe des gesehenen Gegenstandes bestimmen
und daraus die wahre Größe berechnen. Zu dieser Messung klei-
ner Winkel dienen die Micrometer. Schon da, wo man auch
nicht zu messen beabsichtigt, pflegt ein Fadenkreuz im Felde des
Fernrohrs seine Mitte zu bezeichnen, und diese Fäden befinden sich
genau da, wo das letzte Bild des Gegenstandes sich darstellt, oder
bei einem einfachen Oculare in dem Brennpuncte des Oculars.
Das durch das Augenglas blickende Auge sieht diese Fäden deutlich,
und zugleich das Bild des Gegenstandes, weil sie sich beide an der-
selben Stelle befinden, an derjenigen nämlich, von wo die Strahlen
ausgehen müssen, um durch das Ocular gebrochen parallel in das
Auge zu gelangen. Will man nun die Größe des dort entstande-
nen Bildes messen, so kann dazu ein beweglicher Faden, parallel
mit einem jener Kreutzfäden, dienen. Stellt man nämlich das
Fernrohr so, daß der zu messende Planet, um nur ein Beispiel
zu nehmen, den einen der Kreutzfäden berührt, und bringt man
nun durch die zu diesem Zwecke angebrachte Schraube den bewegli-
chen Faden ebenfalls zur Berührung des im Fernrohr gesehenen
Bildes, so daß der Planet zwischen beiden parallelen Fäden von
ihnen berührt erscheint, so ergiebt die Schraube, wie viele Schrau-
ben-Umgänge weit die Fäden von einander ab standen, folglich wie
groß das Bild im Fernrohre war. Diese wahre Größe des Bildes
giebt die Größe des Sehewinkels, entweder durch die Berech-
nung des Ganges der Lichtstrahlen im Fernrohre oder durch Ver-
gleichung mit einem auf der Erde in bestimmter Entfernung beob-
achteten Gegenstande, dessen scheinbare Größe man kennt und mit
den Angaben des Micrometers vergleicht. Mit dieser Einrichtung
stimmen die meisten Micrometer, wenn gleich die Art, wie das
Bild gemessen wird, verschieden ist, der Hauptsache nach überein *).

*) Man hat mit Recht die Frage aufgeworfen, warum diese sehr
feinen Fäden, im Brennpuncte des Objectivs ausgespannt, nicht ver-
Micrometer.

Mit den Fernroͤhren ſteht noch ein Gegenſtand in Verbindung,
den ich jedoch nur kurz erwaͤhnen will. Der Aſtronom will durch
die Fernroͤhre nicht bloß ſehen, ſondern er will auch meſſen, er
will die ſcheinbare Groͤße des geſehenen Gegenſtandes beſtimmen
und daraus die wahre Groͤße berechnen. Zu dieſer Meſſung klei-
ner Winkel dienen die Micrometer. Schon da, wo man auch
nicht zu meſſen beabſichtigt, pflegt ein Fadenkreuz im Felde des
Fernrohrs ſeine Mitte zu bezeichnen, und dieſe Faͤden befinden ſich
genau da, wo das letzte Bild des Gegenſtandes ſich darſtellt, oder
bei einem einfachen Oculare in dem Brennpuncte des Oculars.
Das durch das Augenglas blickende Auge ſieht dieſe Faͤden deutlich,
und zugleich das Bild des Gegenſtandes, weil ſie ſich beide an der-
ſelben Stelle befinden, an derjenigen naͤmlich, von wo die Strahlen
ausgehen muͤſſen, um durch das Ocular gebrochen parallel in das
Auge zu gelangen. Will man nun die Groͤße des dort entſtande-
nen Bildes meſſen, ſo kann dazu ein beweglicher Faden, parallel
mit einem jener Kreutzfaͤden, dienen. Stellt man naͤmlich das
Fernrohr ſo, daß der zu meſſende Planet, um nur ein Beiſpiel
zu nehmen, den einen der Kreutzfaͤden beruͤhrt, und bringt man
nun durch die zu dieſem Zwecke angebrachte Schraube den bewegli-
chen Faden ebenfalls zur Beruͤhrung des im Fernrohr geſehenen
Bildes, ſo daß der Planet zwiſchen beiden parallelen Faͤden von
ihnen beruͤhrt erſcheint, ſo ergiebt die Schraube, wie viele Schrau-
ben-Umgaͤnge weit die Faͤden von einander ab ſtanden, folglich wie
groß das Bild im Fernrohre war. Dieſe wahre Groͤße des Bildes
giebt die Groͤße des Sehewinkels, entweder durch die Berech-
nung des Ganges der Lichtſtrahlen im Fernrohre oder durch Ver-
gleichung mit einem auf der Erde in beſtimmter Entfernung beob-
achteten Gegenſtande, deſſen ſcheinbare Groͤße man kennt und mit
den Angaben des Micrometers vergleicht. Mit dieſer Einrichtung
ſtimmen die meiſten Micrometer, wenn gleich die Art, wie das
Bild gemeſſen wird, verſchieden iſt, der Hauptſache nach uͤberein *).

*) Man hat mit Recht die Frage aufgeworfen, warum dieſe ſehr
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[158/0172] Micrometer. Mit den Fernroͤhren ſteht noch ein Gegenſtand in Verbindung, den ich jedoch nur kurz erwaͤhnen will. Der Aſtronom will durch die Fernroͤhre nicht bloß ſehen, ſondern er will auch meſſen, er will die ſcheinbare Groͤße des geſehenen Gegenſtandes beſtimmen und daraus die wahre Groͤße berechnen. Zu dieſer Meſſung klei- ner Winkel dienen die Micrometer. Schon da, wo man auch nicht zu meſſen beabſichtigt, pflegt ein Fadenkreuz im Felde des Fernrohrs ſeine Mitte zu bezeichnen, und dieſe Faͤden befinden ſich genau da, wo das letzte Bild des Gegenſtandes ſich darſtellt, oder bei einem einfachen Oculare in dem Brennpuncte des Oculars. Das durch das Augenglas blickende Auge ſieht dieſe Faͤden deutlich, und zugleich das Bild des Gegenſtandes, weil ſie ſich beide an der- ſelben Stelle befinden, an derjenigen naͤmlich, von wo die Strahlen ausgehen muͤſſen, um durch das Ocular gebrochen parallel in das Auge zu gelangen. Will man nun die Groͤße des dort entſtande- nen Bildes meſſen, ſo kann dazu ein beweglicher Faden, parallel mit einem jener Kreutzfaͤden, dienen. Stellt man naͤmlich das Fernrohr ſo, daß der zu meſſende Planet, um nur ein Beiſpiel zu nehmen, den einen der Kreutzfaͤden beruͤhrt, und bringt man nun durch die zu dieſem Zwecke angebrachte Schraube den bewegli- chen Faden ebenfalls zur Beruͤhrung des im Fernrohr geſehenen Bildes, ſo daß der Planet zwiſchen beiden parallelen Faͤden von ihnen beruͤhrt erſcheint, ſo ergiebt die Schraube, wie viele Schrau- ben-Umgaͤnge weit die Faͤden von einander ab ſtanden, folglich wie groß das Bild im Fernrohre war. Dieſe wahre Groͤße des Bildes giebt die Groͤße des Sehewinkels, entweder durch die Berech- nung des Ganges der Lichtſtrahlen im Fernrohre oder durch Ver- gleichung mit einem auf der Erde in beſtimmter Entfernung beob- achteten Gegenſtande, deſſen ſcheinbare Groͤße man kennt und mit den Angaben des Micrometers vergleicht. Mit dieſer Einrichtung ſtimmen die meiſten Micrometer, wenn gleich die Art, wie das Bild gemeſſen wird, verſchieden iſt, der Hauptſache nach uͤberein *). *) Man hat mit Recht die Frage aufgeworfen, warum dieſe ſehr feinen Faͤden, im Brennpuncte des Objectivs ausgeſpannt, nicht ver-

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/172>, abgerufen am 28.03.2024.