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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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die rund um gehende Begrenzung in der Röhre, dagegen nur
durch die Begrenzung an zwei Seiten zwischen den Platten statt
findet. Aber auch daß die eine Höhe die genaue Hälfte der andern
ist, läßt sich zeigen. Wenn die Platten 1 Lin. von einander ent-
fernt sind, und wir unsre Aufmerksamkeit auf einen Theil = 1 Lin.
lang richten, so tragen hier zwei Wände, die zusammen 2 Lin. in
der Richtung des Umfanges oder des Horizontes lang sind, eine
Säule von 1 Quadratlinie Querschnitt; der Kreis-Umfang ist bei
1 Lin. Durchmesser 3,14 Linien und sein Inhalt 3,14 Viertel-
Quadratlinien. Die hebende Kraft ist also reichlich 11/2 mal (genau
= 1,57 mal) so groß im letzten Falle als im ersten, also muß
auch das getragene Gewicht reichlich 11/2 mal (genau 1,57 mal) so
groß sein, und wenn jener Plattentheil eine Wassersäule von 2 Li-
nien Höhe, das ist 2 Cubiclinien trug, so muß die cylindrische
Röhre 1,57 mal 2 Cubiclinien, das ist 3,14 mal 2 halbe Cubicli-
nien oder 3,14 mal 4 Viertel-Cubiclinien tragen, das ist eine Höhe
von 4 Linien, weil der Querschnitt der Säule 3,14 Viertel-Qua-
dratlinien betrug.

Auch zwischen parallelen Platten also sinkt die Flüssigkeit auf
die halbe Höhe herab, wenn man jene doppelt so weit aus einander
rückt, auf ein Drittel der Höhe, wenn man sie dreimal so weit
aus einander rückt, und so weiter; und dieses kann man sehr be-
quem sichtbar machen, wenn man die verticalen Ebnen nicht mehr
parallel, sondern so aufstellt, daß sie sich an der einen Seite HI
berühren, an der andern einen erheblichen Zwischenraum lassen.
Alsdann nämlich nimmt die Oberfläche (Fig. 4.) die Gestalt ABCF
an, wo die Höhen BD, CE, FG, im umgekehrten Verhältniß
des Abstandes von der Seite HI sind, in welcher beide Flächen
sich einander berühren.

Laplace's Theorie der Erscheinungen in Haarröhrchen.

Gegen die Erklärung dieser Erscheinungen, nach welcher sie
als Folge der anziehenden Kraft der Röhrenwand anzusehen sind,
von der wir doch behaupten, daß sie nur bis zu höchst kleinen Ab-
ständen merklich sei, scheint ein Einwurf so fern statt zu finden, als
man zweifeln könnte, ob eine in so enge Grenzen eingeschlossene

die rund um gehende Begrenzung in der Roͤhre, dagegen nur
durch die Begrenzung an zwei Seiten zwiſchen den Platten ſtatt
findet. Aber auch daß die eine Hoͤhe die genaue Haͤlfte der andern
iſt, laͤßt ſich zeigen. Wenn die Platten 1 Lin. von einander ent-
fernt ſind, und wir unſre Aufmerkſamkeit auf einen Theil = 1 Lin.
lang richten, ſo tragen hier zwei Waͤnde, die zuſammen 2 Lin. in
der Richtung des Umfanges oder des Horizontes lang ſind, eine
Saͤule von 1 Quadratlinie Querſchnitt; der Kreis-Umfang iſt bei
1 Lin. Durchmeſſer 3,14 Linien und ſein Inhalt 3,14 Viertel-
Quadratlinien. Die hebende Kraft iſt alſo reichlich 1½ mal (genau
= 1,57 mal) ſo groß im letzten Falle als im erſten, alſo muß
auch das getragene Gewicht reichlich 1½ mal (genau 1,57 mal) ſo
groß ſein, und wenn jener Plattentheil eine Waſſerſaͤule von 2 Li-
nien Hoͤhe, das iſt 2 Cubiclinien trug, ſo muß die cylindriſche
Roͤhre 1,57 mal 2 Cubiclinien, das iſt 3,14 mal 2 halbe Cubicli-
nien oder 3,14 mal 4 Viertel-Cubiclinien tragen, das iſt eine Hoͤhe
von 4 Linien, weil der Querſchnitt der Saͤule 3,14 Viertel-Qua-
dratlinien betrug.

Auch zwiſchen parallelen Platten alſo ſinkt die Fluͤſſigkeit auf
die halbe Hoͤhe herab, wenn man jene doppelt ſo weit aus einander
ruͤckt, auf ein Drittel der Hoͤhe, wenn man ſie dreimal ſo weit
aus einander ruͤckt, und ſo weiter; und dieſes kann man ſehr be-
quem ſichtbar machen, wenn man die verticalen Ebnen nicht mehr
parallel, ſondern ſo aufſtellt, daß ſie ſich an der einen Seite HI
beruͤhren, an der andern einen erheblichen Zwiſchenraum laſſen.
Alsdann naͤmlich nimmt die Oberflaͤche (Fig. 4.) die Geſtalt ABCF
an, wo die Hoͤhen BD, CE, FG, im umgekehrten Verhaͤltniß
des Abſtandes von der Seite HI ſind, in welcher beide Flaͤchen
ſich einander beruͤhren.

Laplace's Theorie der Erſcheinungen in Haarroͤhrchen.

Gegen die Erklaͤrung dieſer Erſcheinungen, nach welcher ſie
als Folge der anziehenden Kraft der Roͤhrenwand anzuſehen ſind,
von der wir doch behaupten, daß ſie nur bis zu hoͤchſt kleinen Ab-
ſtaͤnden merklich ſei, ſcheint ein Einwurf ſo fern ſtatt zu finden, als
man zweifeln koͤnnte, ob eine in ſo enge Grenzen eingeſchloſſene

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[9/0023] die rund um gehende Begrenzung in der Roͤhre, dagegen nur durch die Begrenzung an zwei Seiten zwiſchen den Platten ſtatt findet. Aber auch daß die eine Hoͤhe die genaue Haͤlfte der andern iſt, laͤßt ſich zeigen. Wenn die Platten 1 Lin. von einander ent- fernt ſind, und wir unſre Aufmerkſamkeit auf einen Theil = 1 Lin. lang richten, ſo tragen hier zwei Waͤnde, die zuſammen 2 Lin. in der Richtung des Umfanges oder des Horizontes lang ſind, eine Saͤule von 1 Quadratlinie Querſchnitt; der Kreis-Umfang iſt bei 1 Lin. Durchmeſſer 3,14 Linien und ſein Inhalt 3,14 Viertel- Quadratlinien. Die hebende Kraft iſt alſo reichlich 1½ mal (genau [FORMEL] = 1,57 mal) ſo groß im letzten Falle als im erſten, alſo muß auch das getragene Gewicht reichlich 1½ mal (genau 1,57 mal) ſo groß ſein, und wenn jener Plattentheil eine Waſſerſaͤule von 2 Li- nien Hoͤhe, das iſt 2 Cubiclinien trug, ſo muß die cylindriſche Roͤhre 1,57 mal 2 Cubiclinien, das iſt 3,14 mal 2 halbe Cubicli- nien oder 3,14 mal 4 Viertel-Cubiclinien tragen, das iſt eine Hoͤhe von 4 Linien, weil der Querſchnitt der Saͤule 3,14 Viertel-Qua- dratlinien betrug. Auch zwiſchen parallelen Platten alſo ſinkt die Fluͤſſigkeit auf die halbe Hoͤhe herab, wenn man jene doppelt ſo weit aus einander ruͤckt, auf ein Drittel der Hoͤhe, wenn man ſie dreimal ſo weit aus einander ruͤckt, und ſo weiter; und dieſes kann man ſehr be- quem ſichtbar machen, wenn man die verticalen Ebnen nicht mehr parallel, ſondern ſo aufſtellt, daß ſie ſich an der einen Seite HI beruͤhren, an der andern einen erheblichen Zwiſchenraum laſſen. Alsdann naͤmlich nimmt die Oberflaͤche (Fig. 4.) die Geſtalt ABCF an, wo die Hoͤhen BD, CE, FG, im umgekehrten Verhaͤltniß des Abſtandes von der Seite HI ſind, in welcher beide Flaͤchen ſich einander beruͤhren. Laplace's Theorie der Erſcheinungen in Haarroͤhrchen. Gegen die Erklaͤrung dieſer Erſcheinungen, nach welcher ſie als Folge der anziehenden Kraft der Roͤhrenwand anzuſehen ſind, von der wir doch behaupten, daß ſie nur bis zu hoͤchſt kleinen Ab- ſtaͤnden merklich ſei, ſcheint ein Einwurf ſo fern ſtatt zu finden, als man zweifeln koͤnnte, ob eine in ſo enge Grenzen eingeſchloſſene

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/23>, abgerufen am 25.04.2024.