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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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Sonne selbst, theils der Abendröthe zurück, und die höheren rei-
neren Luftschichten würden für sich allein sich blau zeigen, sie ge-
währen uns daher ebenfalls eine Mischung aller Farben, und darum
ist der Uebergang vom Orange zum Blau hier gewöhnlich ein ziem-
lich reines Weiß. --

Subjective Farben-Erscheinungen.

Alle bisher betrachteten Farben-Erscheinungen zeigten sich uns
so, daß wir sie als objectiv, als aus einer Erleuchtung durch farbige
Strahlen entstehend, erklären konnten; aber dieses ist bei manchen
andern Erscheinungen nicht der Fall, sondern diese zeigen sich uns da,
wo kein äußerer Grund dazu da zu sein scheint. Die einfachsten dieser
Erscheinungen bestehen darin, daß ein Theil einer überall gleich er-
leuchteten weißen Fläche uns heller vorkömmt, wenn er neben einem
beschatteten Theile liegt, uns grünlich vorkömmt, wenn er neben
einer rothen Färbung liegt, u. s. w.

Wenn wir anhaltend und mit einiger Anstrengung des Auges
auf einen schwarzen Kreis oder eine andre schwarze nicht zu ausge-
dehnte Fläche sehen, die auf weißem Grunde liegt, so bemerken wir,
sobald wir das Auge ein wenig von jenem, scharf ins Auge gefaßten
Gegenstande auf die daneben liegenden weißen Flächentheile wenden,
daß diese uns etwas glänzender weiß scheinen, als die entfernteren;
und umgekehrt, wenn ein weißer Kreis auf grauem Grunde liegend
mit Anstrengung des Auges angesehen wird, so bemerkt man, daß
das Grau in seiner Nähe dunkler erscheint. Wenn man ein gegen
den hellen Himmel gehendes Fenster lange, bis zu einiger Ermü-
dung des Auges, ansieht und dann das Auge schließt, so sieht man
im geschlossenen Auge noch ein Bild des Fensters, in welchem aber
umgekehrt die Scheiben dunkler, die Einfassungen heller erscheinen;
ist das Auge sehr reitzbar, so kann dieses falsche Bild im Auge sich
auch vor dem offenen Auge, wenn man auf eine matt erhellte
Fläche sieht, darstellen. Diese Erscheinung hat in der Blendung
und dem Ueberreitze, der durch helleres Licht auf einige Theile der
Netzhaut ausgeübt worden, ihren Grund; diese Theile nämlich,
die bei gleichmäßigem starren Hinblicken den stärkern Lichtreitz em-
pfunden haben, sind abgestumpfter, als die zunächst benachbarten;
während daher diese durch die vom Grau ausgehenden Lichtstrahlen

II. P

Sonne ſelbſt, theils der Abendroͤthe zuruͤck, und die hoͤheren rei-
neren Luftſchichten wuͤrden fuͤr ſich allein ſich blau zeigen, ſie ge-
waͤhren uns daher ebenfalls eine Miſchung aller Farben, und darum
iſt der Uebergang vom Orange zum Blau hier gewoͤhnlich ein ziem-
lich reines Weiß. —

Subjective Farben-Erſcheinungen.

Alle bisher betrachteten Farben-Erſcheinungen zeigten ſich uns
ſo, daß wir ſie als objectiv, als aus einer Erleuchtung durch farbige
Strahlen entſtehend, erklaͤren konnten; aber dieſes iſt bei manchen
andern Erſcheinungen nicht der Fall, ſondern dieſe zeigen ſich uns da,
wo kein aͤußerer Grund dazu da zu ſein ſcheint. Die einfachſten dieſer
Erſcheinungen beſtehen darin, daß ein Theil einer uͤberall gleich er-
leuchteten weißen Flaͤche uns heller vorkoͤmmt, wenn er neben einem
beſchatteten Theile liegt, uns gruͤnlich vorkoͤmmt, wenn er neben
einer rothen Faͤrbung liegt, u. ſ. w.

Wenn wir anhaltend und mit einiger Anſtrengung des Auges
auf einen ſchwarzen Kreis oder eine andre ſchwarze nicht zu ausge-
dehnte Flaͤche ſehen, die auf weißem Grunde liegt, ſo bemerken wir,
ſobald wir das Auge ein wenig von jenem, ſcharf ins Auge gefaßten
Gegenſtande auf die daneben liegenden weißen Flaͤchentheile wenden,
daß dieſe uns etwas glaͤnzender weiß ſcheinen, als die entfernteren;
und umgekehrt, wenn ein weißer Kreis auf grauem Grunde liegend
mit Anſtrengung des Auges angeſehen wird, ſo bemerkt man, daß
das Grau in ſeiner Naͤhe dunkler erſcheint. Wenn man ein gegen
den hellen Himmel gehendes Fenſter lange, bis zu einiger Ermuͤ-
dung des Auges, anſieht und dann das Auge ſchließt, ſo ſieht man
im geſchloſſenen Auge noch ein Bild des Fenſters, in welchem aber
umgekehrt die Scheiben dunkler, die Einfaſſungen heller erſcheinen;
iſt das Auge ſehr reitzbar, ſo kann dieſes falſche Bild im Auge ſich
auch vor dem offenen Auge, wenn man auf eine matt erhellte
Flaͤche ſieht, darſtellen. Dieſe Erſcheinung hat in der Blendung
und dem Ueberreitze, der durch helleres Licht auf einige Theile der
Netzhaut ausgeuͤbt worden, ihren Grund; dieſe Theile naͤmlich,
die bei gleichmaͤßigem ſtarren Hinblicken den ſtaͤrkern Lichtreitz em-
pfunden haben, ſind abgeſtumpfter, als die zunaͤchſt benachbarten;
waͤhrend daher dieſe durch die vom Grau ausgehenden Lichtſtrahlen

II. P
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[225/0239] Sonne ſelbſt, theils der Abendroͤthe zuruͤck, und die hoͤheren rei- neren Luftſchichten wuͤrden fuͤr ſich allein ſich blau zeigen, ſie ge- waͤhren uns daher ebenfalls eine Miſchung aller Farben, und darum iſt der Uebergang vom Orange zum Blau hier gewoͤhnlich ein ziem- lich reines Weiß. — Subjective Farben-Erſcheinungen. Alle bisher betrachteten Farben-Erſcheinungen zeigten ſich uns ſo, daß wir ſie als objectiv, als aus einer Erleuchtung durch farbige Strahlen entſtehend, erklaͤren konnten; aber dieſes iſt bei manchen andern Erſcheinungen nicht der Fall, ſondern dieſe zeigen ſich uns da, wo kein aͤußerer Grund dazu da zu ſein ſcheint. Die einfachſten dieſer Erſcheinungen beſtehen darin, daß ein Theil einer uͤberall gleich er- leuchteten weißen Flaͤche uns heller vorkoͤmmt, wenn er neben einem beſchatteten Theile liegt, uns gruͤnlich vorkoͤmmt, wenn er neben einer rothen Faͤrbung liegt, u. ſ. w. Wenn wir anhaltend und mit einiger Anſtrengung des Auges auf einen ſchwarzen Kreis oder eine andre ſchwarze nicht zu ausge- dehnte Flaͤche ſehen, die auf weißem Grunde liegt, ſo bemerken wir, ſobald wir das Auge ein wenig von jenem, ſcharf ins Auge gefaßten Gegenſtande auf die daneben liegenden weißen Flaͤchentheile wenden, daß dieſe uns etwas glaͤnzender weiß ſcheinen, als die entfernteren; und umgekehrt, wenn ein weißer Kreis auf grauem Grunde liegend mit Anſtrengung des Auges angeſehen wird, ſo bemerkt man, daß das Grau in ſeiner Naͤhe dunkler erſcheint. Wenn man ein gegen den hellen Himmel gehendes Fenſter lange, bis zu einiger Ermuͤ- dung des Auges, anſieht und dann das Auge ſchließt, ſo ſieht man im geſchloſſenen Auge noch ein Bild des Fenſters, in welchem aber umgekehrt die Scheiben dunkler, die Einfaſſungen heller erſcheinen; iſt das Auge ſehr reitzbar, ſo kann dieſes falſche Bild im Auge ſich auch vor dem offenen Auge, wenn man auf eine matt erhellte Flaͤche ſieht, darſtellen. Dieſe Erſcheinung hat in der Blendung und dem Ueberreitze, der durch helleres Licht auf einige Theile der Netzhaut ausgeuͤbt worden, ihren Grund; dieſe Theile naͤmlich, die bei gleichmaͤßigem ſtarren Hinblicken den ſtaͤrkern Lichtreitz em- pfunden haben, ſind abgeſtumpfter, als die zunaͤchſt benachbarten; waͤhrend daher dieſe durch die vom Grau ausgehenden Lichtſtrahlen II. P

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/239>, abgerufen am 19.04.2024.