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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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auch entscheiden, welches der ungewöhnlich gebrochene Strahl ist.
Wenn die Richtung des aus dem ersten Spiegel kommenden Strah-
les AB (Fig. 144.) ziemlich nahe horizontal ist, das Gypsblättchen
auf 45° steht, der Doppelspath mit seinem Hauptschnitte der ersten
Reflexions-Ebne parallel steht und diese vertical ist; so wissen Sie,
daß BO der gewöhnliche, BE der ungewöhnliche Strahl ist, daß
also der gewöhnliche der untere ist, wenn die Axe GH des Crystal-
les von oben nach unten gegen den Beobachter P zu geht, und
dieser gewöhnlich gebrochene Strahl muß also in unserm Falle Pur-
pur darstellen, wenn es gegründet ist, daß der in der ersten Re-
flexions-Ebne polarisirt bleibende Strahl mit dem gewöhnlich gebro-
chenen Strahle des so gestellten Doppelspathcrystalls übereinstimmt.
Die Erfahrung stimmt hiemit völlig überein, und es versteht sich
daher, daß das untere Bild das grüne ist, wenn der Crystall die
Lage (Fig. 145.) erhält, wo alle Buchstaben eben die Bedeutung
behalten.

Bestimmung der Farbe nach der Dicke des Gyps-
blättchens.

Ich verweile jetzt nicht bei den Erscheinungen, die ein in
andre Stellungen gegen die erste Reflexions-Ebne gebrachtes Gyps-
blättchen hervorbringt, indem die Mannigfaltigkeit der Erscheinun-
gen zu groß ist, um hier umständlich erklärt zu werden; dagegen
muß ich bei dem Gesetze, nach welchem sich die Entstehung der Ver-
schiedenheit der Farben richtet, nothwendig verweilen. Und hiebei
bietet sich die auffallendste Uebereinstimmung derjenigen Farben, die
wir hier beobachten, mit denen, die Sie in den Newton'schen Far-
benringen kennen gelernt haben, dar. Biot hat die Dicke vieler
Blättchen sorgfältig abgemessen und gefunden, daß die Farben,
welche der Polarisation entzogen werden, genau in eben dem Zu-
sammenhange mit dem Verhältniß der Dicken der Blättchen stehen,
wie die Farben der durch Zurückwerfung entstehenden Newton'schen
Ringe mit den Dicken der Luftschichten. Nach Biot's Versuchen
war es zum Beispiel ein Blättchen von 82 Tausendteln eines Mil-
limeters (ungefähr 3 Tausendtel Zoll), welches das Blau des ersten
schönen Farbenringes gab, und es fand sich nun in allen Fällen
bestätigt, daß ein doppelt so dickes Blättchen eben die Farbe Orange

auch entſcheiden, welches der ungewoͤhnlich gebrochene Strahl iſt.
Wenn die Richtung des aus dem erſten Spiegel kommenden Strah-
les AB (Fig. 144.) ziemlich nahe horizontal iſt, das Gypsblaͤttchen
auf 45° ſteht, der Doppelſpath mit ſeinem Hauptſchnitte der erſten
Reflexions-Ebne parallel ſteht und dieſe vertical iſt; ſo wiſſen Sie,
daß BO der gewoͤhnliche, BE der ungewoͤhnliche Strahl iſt, daß
alſo der gewoͤhnliche der untere iſt, wenn die Axe GH des Cryſtal-
les von oben nach unten gegen den Beobachter P zu geht, und
dieſer gewoͤhnlich gebrochene Strahl muß alſo in unſerm Falle Pur-
pur darſtellen, wenn es gegruͤndet iſt, daß der in der erſten Re-
flexions-Ebne polariſirt bleibende Strahl mit dem gewoͤhnlich gebro-
chenen Strahle des ſo geſtellten Doppelſpathcryſtalls uͤbereinſtimmt.
Die Erfahrung ſtimmt hiemit voͤllig uͤberein, und es verſteht ſich
daher, daß das untere Bild das gruͤne iſt, wenn der Cryſtall die
Lage (Fig. 145.) erhaͤlt, wo alle Buchſtaben eben die Bedeutung
behalten.

Beſtimmung der Farbe nach der Dicke des Gyps-
blaͤttchens.

Ich verweile jetzt nicht bei den Erſcheinungen, die ein in
andre Stellungen gegen die erſte Reflexions-Ebne gebrachtes Gyps-
blaͤttchen hervorbringt, indem die Mannigfaltigkeit der Erſcheinun-
gen zu groß iſt, um hier umſtaͤndlich erklaͤrt zu werden; dagegen
muß ich bei dem Geſetze, nach welchem ſich die Entſtehung der Ver-
ſchiedenheit der Farben richtet, nothwendig verweilen. Und hiebei
bietet ſich die auffallendſte Uebereinſtimmung derjenigen Farben, die
wir hier beobachten, mit denen, die Sie in den Newton'ſchen Far-
benringen kennen gelernt haben, dar. Biot hat die Dicke vieler
Blaͤttchen ſorgfaͤltig abgemeſſen und gefunden, daß die Farben,
welche der Polariſation entzogen werden, genau in eben dem Zu-
ſammenhange mit dem Verhaͤltniß der Dicken der Blaͤttchen ſtehen,
wie die Farben der durch Zuruͤckwerfung entſtehenden Newton'ſchen
Ringe mit den Dicken der Luftſchichten. Nach Biot's Verſuchen
war es zum Beiſpiel ein Blaͤttchen von 82 Tauſendteln eines Mil-
limeters (ungefaͤhr 3 Tauſendtel Zoll), welches das Blau des erſten
ſchoͤnen Farbenringes gab, und es fand ſich nun in allen Faͤllen
beſtaͤtigt, daß ein doppelt ſo dickes Blaͤttchen eben die Farbe Orange

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[343/0357] auch entſcheiden, welches der ungewoͤhnlich gebrochene Strahl iſt. Wenn die Richtung des aus dem erſten Spiegel kommenden Strah- les AB (Fig. 144.) ziemlich nahe horizontal iſt, das Gypsblaͤttchen auf 45° ſteht, der Doppelſpath mit ſeinem Hauptſchnitte der erſten Reflexions-Ebne parallel ſteht und dieſe vertical iſt; ſo wiſſen Sie, daß BO der gewoͤhnliche, BE der ungewoͤhnliche Strahl iſt, daß alſo der gewoͤhnliche der untere iſt, wenn die Axe GH des Cryſtal- les von oben nach unten gegen den Beobachter P zu geht, und dieſer gewoͤhnlich gebrochene Strahl muß alſo in unſerm Falle Pur- pur darſtellen, wenn es gegruͤndet iſt, daß der in der erſten Re- flexions-Ebne polariſirt bleibende Strahl mit dem gewoͤhnlich gebro- chenen Strahle des ſo geſtellten Doppelſpathcryſtalls uͤbereinſtimmt. Die Erfahrung ſtimmt hiemit voͤllig uͤberein, und es verſteht ſich daher, daß das untere Bild das gruͤne iſt, wenn der Cryſtall die Lage (Fig. 145.) erhaͤlt, wo alle Buchſtaben eben die Bedeutung behalten. Beſtimmung der Farbe nach der Dicke des Gyps- blaͤttchens. Ich verweile jetzt nicht bei den Erſcheinungen, die ein in andre Stellungen gegen die erſte Reflexions-Ebne gebrachtes Gyps- blaͤttchen hervorbringt, indem die Mannigfaltigkeit der Erſcheinun- gen zu groß iſt, um hier umſtaͤndlich erklaͤrt zu werden; dagegen muß ich bei dem Geſetze, nach welchem ſich die Entſtehung der Ver- ſchiedenheit der Farben richtet, nothwendig verweilen. Und hiebei bietet ſich die auffallendſte Uebereinſtimmung derjenigen Farben, die wir hier beobachten, mit denen, die Sie in den Newton'ſchen Far- benringen kennen gelernt haben, dar. Biot hat die Dicke vieler Blaͤttchen ſorgfaͤltig abgemeſſen und gefunden, daß die Farben, welche der Polariſation entzogen werden, genau in eben dem Zu- ſammenhange mit dem Verhaͤltniß der Dicken der Blaͤttchen ſtehen, wie die Farben der durch Zuruͤckwerfung entſtehenden Newton'ſchen Ringe mit den Dicken der Luftſchichten. Nach Biot's Verſuchen war es zum Beiſpiel ein Blaͤttchen von 82 Tauſendteln eines Mil- limeters (ungefaͤhr 3 Tauſendtel Zoll), welches das Blau des erſten ſchoͤnen Farbenringes gab, und es fand ſich nun in allen Faͤllen beſtaͤtigt, daß ein doppelt ſo dickes Blaͤttchen eben die Farbe Orange

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/357>, abgerufen am 19.04.2024.