Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

sich senkrecht durchschneiden, so verhält es sich anders. Ich will
annehmen, der zweite Spiegel stehe in der Stellung, wo er die
vom ersten Spiegel polarisirten Strahlen nicht zurückwirft; dann
wirft er sie auch nicht zurück, wenn die Hauptlinie des einen Blätt-
chens parallel mit der ersten Reflexions- oder Polarisations-Ebne,
die Hauptlinie des andern Blättchens darauf senkrecht ist. Dagegen
bei einer andern Stellung, am besten, wenn beide Hauptlinien um
45 Grad von jener Ebne abweichen, zeigen die gekreuzten Blättchen
Farben, die ein dünneres einzelnes Blättchen geben würde, nämlich
genau die Farben, die ein einzelnes Blättchen geben würde, wenn
seine Dicke gleich dem Unterschiede der Dicke jener wäre. Um nicht
hiebei abermals so lange zu verweilen, mag es genug sein, zur Erklä-
rung dieser Erscheinung zu bemerken, daß diese Kreuzung der Axen
eine entgegengesetzte Wirkung hervorbringt, so daß das dünnere
Blättchen einen Theil der Wirkung des dickeren zerstört, und nur
die Wirkung übrig läßt, die dem Unterschiede der Dicken entspricht.

Erklärung dieser Farben-Erscheinungen nach der
Undulationstheorie
.

Diese Bestimmungen sind sämmtlich den Erfahrungen, die
Biot angestellt hat, genau angemessen, und obgleich Fresnel
bei anders eingerichteten Versuchen Folgerungen gefunden hatte, die
diesen Oscillationen nicht entsprechend schienen, so hat doch Biot
seine Ansichten dadurch nicht als widerlegt angesehen. Als ein
passender Ausdruck für die wichtigsten Erscheinungen kann diese
bewegliche Polarisation also wohl gelten; aber über die Hypothese
einer wirklich so angeordneten Bewegung der Axe der Lichttheilchen
bieten sich freilich manche Zweifel dar, die ich hier umständlich zu
erörtern Bedenken trage. Arago und Fresnel haben jene
Farben-Erscheinungen sehr genügend aus der Theorie der Interfe-
renzen erklärt. Nach Fresnel's Ansicht muß man bei dem
Durchgange des polarisirten Strahles durch das Gypsblättchen auf
die auch hier statt findende doppelte Brechung sehen. Ist die
Hauptlinie des Blättchens BD unter einem schiefen Winkel gegen
die anfängliche Polarisations-Ebne AB (Fig. 146.) geneigt, so
gehen zwei getrennte Strahlen durch das Blättchen, die wir bei
so dünnen Blättchen, wo sie sich höchst unbedeutend von einan-

ſich ſenkrecht durchſchneiden, ſo verhaͤlt es ſich anders. Ich will
annehmen, der zweite Spiegel ſtehe in der Stellung, wo er die
vom erſten Spiegel polariſirten Strahlen nicht zuruͤckwirft; dann
wirft er ſie auch nicht zuruͤck, wenn die Hauptlinie des einen Blaͤtt-
chens parallel mit der erſten Reflexions- oder Polariſations-Ebne,
die Hauptlinie des andern Blaͤttchens darauf ſenkrecht iſt. Dagegen
bei einer andern Stellung, am beſten, wenn beide Hauptlinien um
45 Grad von jener Ebne abweichen, zeigen die gekreuzten Blaͤttchen
Farben, die ein duͤnneres einzelnes Blaͤttchen geben wuͤrde, naͤmlich
genau die Farben, die ein einzelnes Blaͤttchen geben wuͤrde, wenn
ſeine Dicke gleich dem Unterſchiede der Dicke jener waͤre. Um nicht
hiebei abermals ſo lange zu verweilen, mag es genug ſein, zur Erklaͤ-
rung dieſer Erſcheinung zu bemerken, daß dieſe Kreuzung der Axen
eine entgegengeſetzte Wirkung hervorbringt, ſo daß das duͤnnere
Blaͤttchen einen Theil der Wirkung des dickeren zerſtoͤrt, und nur
die Wirkung uͤbrig laͤßt, die dem Unterſchiede der Dicken entſpricht.

Erklaͤrung dieſer Farben-Erſcheinungen nach der
Undulationstheorie
.

Dieſe Beſtimmungen ſind ſaͤmmtlich den Erfahrungen, die
Biot angeſtellt hat, genau angemeſſen, und obgleich Fresnel
bei anders eingerichteten Verſuchen Folgerungen gefunden hatte, die
dieſen Oſcillationen nicht entſprechend ſchienen, ſo hat doch Biot
ſeine Anſichten dadurch nicht als widerlegt angeſehen. Als ein
paſſender Ausdruck fuͤr die wichtigſten Erſcheinungen kann dieſe
bewegliche Polariſation alſo wohl gelten; aber uͤber die Hypotheſe
einer wirklich ſo angeordneten Bewegung der Axe der Lichttheilchen
bieten ſich freilich manche Zweifel dar, die ich hier umſtaͤndlich zu
eroͤrtern Bedenken trage. Arago und Fresnel haben jene
Farben-Erſcheinungen ſehr genuͤgend aus der Theorie der Interfe-
renzen erklaͤrt. Nach Fresnel's Anſicht muß man bei dem
Durchgange des polariſirten Strahles durch das Gypsblaͤttchen auf
die auch hier ſtatt findende doppelte Brechung ſehen. Iſt die
Hauptlinie des Blaͤttchens BD unter einem ſchiefen Winkel gegen
die anfaͤngliche Polariſations-Ebne AB (Fig. 146.) geneigt, ſo
gehen zwei getrennte Strahlen durch das Blaͤttchen, die wir bei
ſo duͤnnen Blaͤttchen, wo ſie ſich hoͤchſt unbedeutend von einan-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0362" n="348"/>
&#x017F;ich &#x017F;enkrecht durch&#x017F;chneiden,                         &#x017F;o verha&#x0364;lt es &#x017F;ich anders. Ich                         will<lb/>
annehmen, der zweite Spiegel &#x017F;tehe in der Stellung, wo                         er die<lb/>
vom er&#x017F;ten Spiegel polari&#x017F;irten Strahlen                         nicht zuru&#x0364;ckwirft; dann<lb/>
wirft er &#x017F;ie auch nicht                         zuru&#x0364;ck, wenn die Hauptlinie des einen                         Bla&#x0364;tt-<lb/>
chens parallel mit der er&#x017F;ten Reflexions-                         oder Polari&#x017F;ations-Ebne,<lb/>
die Hauptlinie des andern                         Bla&#x0364;ttchens darauf &#x017F;enkrecht i&#x017F;t.                         Dagegen<lb/>
bei einer andern Stellung, am be&#x017F;ten, wenn beide                         Hauptlinien um<lb/>
45 Grad von jener Ebne abweichen, zeigen die gekreuzten                         Bla&#x0364;ttchen<lb/>
Farben, die ein du&#x0364;nneres einzelnes                         Bla&#x0364;ttchen geben wu&#x0364;rde, na&#x0364;mlich<lb/>
genau                         die Farben, die ein einzelnes Bla&#x0364;ttchen geben wu&#x0364;rde,                         wenn<lb/>
&#x017F;eine Dicke gleich dem Unter&#x017F;chiede der Dicke                         jener wa&#x0364;re. Um nicht<lb/>
hiebei abermals &#x017F;o lange zu                         verweilen, mag es genug &#x017F;ein, zur Erkla&#x0364;-<lb/>
rung                         die&#x017F;er Er&#x017F;cheinung zu bemerken, daß die&#x017F;e                         Kreuzung der Axen<lb/>
eine entgegenge&#x017F;etzte Wirkung hervorbringt,                         &#x017F;o daß das du&#x0364;nnere<lb/>
Bla&#x0364;ttchen einen                         Theil der Wirkung des dickeren zer&#x017F;to&#x0364;rt, und                         nur<lb/>
die Wirkung u&#x0364;brig la&#x0364;ßt, die dem                         Unter&#x017F;chiede der Dicken ent&#x017F;pricht.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Erkla&#x0364;rung die&#x017F;er Farben</hi>-<hi rendition="#g">Er&#x017F;cheinungen nach                             der<lb/>
Undulationstheorie</hi>.</head><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Be&#x017F;timmungen &#x017F;ind                         &#x017F;a&#x0364;mmtlich den Erfahrungen, die<lb/><hi rendition="#g">Biot</hi> ange&#x017F;tellt hat, genau                         angeme&#x017F;&#x017F;en, und obgleich <hi rendition="#g">Fresnel</hi><lb/>
bei anders eingerichteten Ver&#x017F;uchen                         Folgerungen gefunden hatte, die<lb/>
die&#x017F;en                         O&#x017F;cillationen nicht ent&#x017F;prechend &#x017F;chienen,                         &#x017F;o hat doch <hi rendition="#g">Biot</hi><lb/>
&#x017F;eine                         An&#x017F;ichten dadurch nicht als widerlegt ange&#x017F;ehen. Als                         ein<lb/>
pa&#x017F;&#x017F;ender Ausdruck fu&#x0364;r die                         wichtig&#x017F;ten Er&#x017F;cheinungen kann                         die&#x017F;e<lb/>
bewegliche Polari&#x017F;ation al&#x017F;o wohl                         gelten; aber u&#x0364;ber die Hypothe&#x017F;e<lb/>
einer wirklich                         &#x017F;o angeordneten Bewegung der Axe der Lichttheilchen<lb/>
bieten                         &#x017F;ich freilich manche Zweifel dar, die ich hier                         um&#x017F;ta&#x0364;ndlich zu<lb/>
ero&#x0364;rtern Bedenken                         trage. <hi rendition="#g">Arago</hi> und <hi rendition="#g">Fresnel</hi> haben jene<lb/>
Farben-Er&#x017F;cheinungen &#x017F;ehr                         genu&#x0364;gend aus der Theorie der Interfe-<lb/>
renzen                         erkla&#x0364;rt. Nach <hi rendition="#g">Fresnel</hi>'s                         An&#x017F;icht muß man bei dem<lb/>
Durchgange des                         polari&#x017F;irten Strahles durch das Gypsbla&#x0364;ttchen                         auf<lb/>
die auch hier &#x017F;tatt findende doppelte Brechung                         &#x017F;ehen. I&#x017F;t die<lb/>
Hauptlinie des                         Bla&#x0364;ttchens <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">BD</hi></hi> unter einem &#x017F;chiefen Winkel gegen<lb/>
die                         anfa&#x0364;ngliche Polari&#x017F;ations-Ebne <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">AB</hi></hi> (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">Fig. 146.</hi></hi>) geneigt, &#x017F;o<lb/>
gehen zwei getrennte Strahlen durch das                         Bla&#x0364;ttchen, die wir bei<lb/>
&#x017F;o du&#x0364;nnen                         Bla&#x0364;ttchen, wo &#x017F;ie &#x017F;ich                         ho&#x0364;ch&#x017F;t unbedeutend von einan-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[348/0362] ſich ſenkrecht durchſchneiden, ſo verhaͤlt es ſich anders. Ich will annehmen, der zweite Spiegel ſtehe in der Stellung, wo er die vom erſten Spiegel polariſirten Strahlen nicht zuruͤckwirft; dann wirft er ſie auch nicht zuruͤck, wenn die Hauptlinie des einen Blaͤtt- chens parallel mit der erſten Reflexions- oder Polariſations-Ebne, die Hauptlinie des andern Blaͤttchens darauf ſenkrecht iſt. Dagegen bei einer andern Stellung, am beſten, wenn beide Hauptlinien um 45 Grad von jener Ebne abweichen, zeigen die gekreuzten Blaͤttchen Farben, die ein duͤnneres einzelnes Blaͤttchen geben wuͤrde, naͤmlich genau die Farben, die ein einzelnes Blaͤttchen geben wuͤrde, wenn ſeine Dicke gleich dem Unterſchiede der Dicke jener waͤre. Um nicht hiebei abermals ſo lange zu verweilen, mag es genug ſein, zur Erklaͤ- rung dieſer Erſcheinung zu bemerken, daß dieſe Kreuzung der Axen eine entgegengeſetzte Wirkung hervorbringt, ſo daß das duͤnnere Blaͤttchen einen Theil der Wirkung des dickeren zerſtoͤrt, und nur die Wirkung uͤbrig laͤßt, die dem Unterſchiede der Dicken entſpricht. Erklaͤrung dieſer Farben-Erſcheinungen nach der Undulationstheorie. Dieſe Beſtimmungen ſind ſaͤmmtlich den Erfahrungen, die Biot angeſtellt hat, genau angemeſſen, und obgleich Fresnel bei anders eingerichteten Verſuchen Folgerungen gefunden hatte, die dieſen Oſcillationen nicht entſprechend ſchienen, ſo hat doch Biot ſeine Anſichten dadurch nicht als widerlegt angeſehen. Als ein paſſender Ausdruck fuͤr die wichtigſten Erſcheinungen kann dieſe bewegliche Polariſation alſo wohl gelten; aber uͤber die Hypotheſe einer wirklich ſo angeordneten Bewegung der Axe der Lichttheilchen bieten ſich freilich manche Zweifel dar, die ich hier umſtaͤndlich zu eroͤrtern Bedenken trage. Arago und Fresnel haben jene Farben-Erſcheinungen ſehr genuͤgend aus der Theorie der Interfe- renzen erklaͤrt. Nach Fresnel's Anſicht muß man bei dem Durchgange des polariſirten Strahles durch das Gypsblaͤttchen auf die auch hier ſtatt findende doppelte Brechung ſehen. Iſt die Hauptlinie des Blaͤttchens BD unter einem ſchiefen Winkel gegen die anfaͤngliche Polariſations-Ebne AB (Fig. 146.) geneigt, ſo gehen zwei getrennte Strahlen durch das Blaͤttchen, die wir bei ſo duͤnnen Blaͤttchen, wo ſie ſich hoͤchſt unbedeutend von einan-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/362
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/362>, abgerufen am 28.03.2024.