Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

den Sonnenstrahlen erleuchtet wird, vorzüglich geeignet ist, die
Erscheinung zu begünstigen. Aber ich habe hier Manches erwähnen
müssen, was hier noch nicht genau erklärt werden kann, und muß
daher abbrechen, obgleich mehr als eine Erläuterung über die Un-
gleichheit der Erleuchtung bei verschiedener Richtung des auffallenden
Lichtes u. s. w. hier noch beizufügen wäre.

Aber diese Betrachtungen über scheinbare Größe kann ich
dennoch nicht ganz abbrechen, da die Frage, wie groß, unter welchem
Sehewinkel ein Gegenstand uns erscheinen muß, um noch kenntlich
zu sein, hier am besten beantwortet wird. Daß diese Frage keine
allgemein gültige Beantwortung gestattet, ist bekannt, und erhellt
auch aus dem eben vorhin Angegebenen. Wir nennen dasjenige
Auge ein scharfes Auge, welches Gegenstände, die unter einem
sehr kleinen Winkel erscheinen, noch erkennt, und für ein solches
recht scharfes Auge und unter übrigens günstigen Umständen der
Beleuchtung beträgt der kleinste Sehewinkel für einen weißen Ge-
genstand auf schwarzem Grunde etwa 40 Secunden *), das heißt,
eine weiße Stange, auf dunkelm Grunde erscheinend, ist in 500
Fuß Entfernung noch sichtbar, wenn sie 1 Zoll dick ist; -- gegen
den hellen Himmel sieht man eine dunkle Stange noch bei gerin-
gerem Durchmesser, und leuchtende Körper können unter einem
Sehewinkel von 1 Secunde (das heißt, wenn sie 200000 mal so
entfernt sind, als die Größe ihres Durchmessers) noch sehr wohl
kenntlich sein. In dunkler Nacht sind Gegenstände von hinreichend
hellem Lichte noch bei viel geringerem Durchmesser kenntlich; denn
wir haben Grund, den größern Fixsternen kaum einen Durchmesser
von Sec. beizulegen, und doch machen diese noch einen so
lebhaften Eindruck auf das Auge.

Bilder der Gegenstände durch grade fortgehende
Strahlen
.

Die gerade fortgehenden Lichtstrahlen geben uns zuweilen
Bilder der Gegenstände, von welchen sie ausgehen. Wenn in ein

*) v. Humboldt hält es mit Recht für ein Zeichen ungewöhnlich
reiner Luft, wenn man einen weißen Gegenstand noch bei 13 Sec.
Sehewinkel erkennt, wie es auf Bergen zuweilen der Fall ist.

den Sonnenſtrahlen erleuchtet wird, vorzuͤglich geeignet iſt, die
Erſcheinung zu beguͤnſtigen. Aber ich habe hier Manches erwaͤhnen
muͤſſen, was hier noch nicht genau erklaͤrt werden kann, und muß
daher abbrechen, obgleich mehr als eine Erlaͤuterung uͤber die Un-
gleichheit der Erleuchtung bei verſchiedener Richtung des auffallenden
Lichtes u. ſ. w. hier noch beizufuͤgen waͤre.

Aber dieſe Betrachtungen uͤber ſcheinbare Groͤße kann ich
dennoch nicht ganz abbrechen, da die Frage, wie groß, unter welchem
Sehewinkel ein Gegenſtand uns erſcheinen muß, um noch kenntlich
zu ſein, hier am beſten beantwortet wird. Daß dieſe Frage keine
allgemein guͤltige Beantwortung geſtattet, iſt bekannt, und erhellt
auch aus dem eben vorhin Angegebenen. Wir nennen dasjenige
Auge ein ſcharfes Auge, welches Gegenſtaͤnde, die unter einem
ſehr kleinen Winkel erſcheinen, noch erkennt, und fuͤr ein ſolches
recht ſcharfes Auge und unter uͤbrigens guͤnſtigen Umſtaͤnden der
Beleuchtung betraͤgt der kleinſte Sehewinkel fuͤr einen weißen Ge-
genſtand auf ſchwarzem Grunde etwa 40 Secunden *), das heißt,
eine weiße Stange, auf dunkelm Grunde erſcheinend, iſt in 500
Fuß Entfernung noch ſichtbar, wenn ſie 1 Zoll dick iſt; — gegen
den hellen Himmel ſieht man eine dunkle Stange noch bei gerin-
gerem Durchmeſſer, und leuchtende Koͤrper koͤnnen unter einem
Sehewinkel von 1 Secunde (das heißt, wenn ſie 200000 mal ſo
entfernt ſind, als die Groͤße ihres Durchmeſſers) noch ſehr wohl
kenntlich ſein. In dunkler Nacht ſind Gegenſtaͤnde von hinreichend
hellem Lichte noch bei viel geringerem Durchmeſſer kenntlich; denn
wir haben Grund, den groͤßern Fixſternen kaum einen Durchmeſſer
von Sec. beizulegen, und doch machen dieſe noch einen ſo
lebhaften Eindruck auf das Auge.

Bilder der Gegenſtaͤnde durch grade fortgehende
Strahlen
.

Die gerade fortgehenden Lichtſtrahlen geben uns zuweilen
Bilder der Gegenſtaͤnde, von welchen ſie ausgehen. Wenn in ein

*) v. Humboldt haͤlt es mit Recht fuͤr ein Zeichen ungewoͤhnlich
reiner Luft, wenn man einen weißen Gegenſtand noch bei 13 Sec.
Sehewinkel erkennt, wie es auf Bergen zuweilen der Fall iſt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0076" n="62"/>
den                         Sonnen&#x017F;trahlen erleuchtet wird, vorzu&#x0364;glich geeignet                         i&#x017F;t, die<lb/>
Er&#x017F;cheinung zu                         begu&#x0364;n&#x017F;tigen. Aber ich habe hier Manches                         erwa&#x0364;hnen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, was hier                         noch nicht genau erkla&#x0364;rt werden kann, und muß<lb/>
daher                         abbrechen, obgleich mehr als eine Erla&#x0364;uterung u&#x0364;ber                         die Un-<lb/>
gleichheit der Erleuchtung bei ver&#x017F;chiedener Richtung                         des auffallenden<lb/>
Lichtes u. &#x017F;. w. hier noch                         beizufu&#x0364;gen wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <p>Aber die&#x017F;e Betrachtungen u&#x0364;ber &#x017F;cheinbare                         Gro&#x0364;ße kann ich<lb/>
dennoch nicht ganz abbrechen, da die Frage,                         wie groß, unter welchem<lb/>
Sehewinkel ein Gegen&#x017F;tand uns                         er&#x017F;cheinen muß, um noch kenntlich<lb/>
zu &#x017F;ein, hier am                         be&#x017F;ten beantwortet wird. Daß die&#x017F;e Frage                         keine<lb/>
allgemein gu&#x0364;ltige Beantwortung ge&#x017F;tattet,                         i&#x017F;t bekannt, und erhellt<lb/>
auch aus dem eben vorhin                         Angegebenen. Wir nennen dasjenige<lb/>
Auge ein &#x017F;charfes Auge,                         welches Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde, die unter                         einem<lb/>
&#x017F;ehr kleinen Winkel er&#x017F;cheinen, noch                         erkennt, und fu&#x0364;r ein &#x017F;olches<lb/>
recht                         &#x017F;charfes Auge und unter u&#x0364;brigens                         gu&#x0364;n&#x017F;tigen Um&#x017F;ta&#x0364;nden                         der<lb/>
Beleuchtung betra&#x0364;gt der klein&#x017F;te Sehewinkel                         fu&#x0364;r einen weißen Ge-<lb/>
gen&#x017F;tand auf                         &#x017F;chwarzem Grunde etwa 40 Secunden <note place="foot" n="*)">v. <hi rendition="#g">Humboldt</hi> ha&#x0364;lt es mit Recht                             fu&#x0364;r ein Zeichen ungewo&#x0364;hnlich<lb/>
reiner Luft,                             wenn man einen weißen Gegen&#x017F;tand noch bei 13                             Sec.<lb/>
Sehewinkel erkennt, wie es auf Bergen zuweilen der Fall                             i&#x017F;t.</note>, das heißt,<lb/>
eine weiße Stange, auf dunkelm                         Grunde er&#x017F;cheinend, i&#x017F;t in 500<lb/>
Fuß Entfernung noch                         &#x017F;ichtbar, wenn &#x017F;ie 1 Zoll dick i&#x017F;t;                         &#x2014; gegen<lb/>
den hellen Himmel &#x017F;ieht man eine dunkle                         Stange noch bei gerin-<lb/>
gerem Durchme&#x017F;&#x017F;er, und                         leuchtende Ko&#x0364;rper ko&#x0364;nnen unter einem<lb/>
Sehewinkel                         von 1 Secunde (das heißt, wenn &#x017F;ie 200000 mal                         &#x017F;o<lb/>
entfernt &#x017F;ind, als die Gro&#x0364;ße ihres                         Durchme&#x017F;&#x017F;ers) noch &#x017F;ehr wohl<lb/>
kenntlich                         &#x017F;ein. In dunkler Nacht &#x017F;ind                         Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde von hinreichend<lb/>
hellem Lichte noch                         bei viel geringerem Durchme&#x017F;&#x017F;er kenntlich;                         denn<lb/>
wir haben Grund, den gro&#x0364;ßern Fix&#x017F;ternen kaum                         einen Durchme&#x017F;&#x017F;er<lb/>
von <formula notation="TeX">\frac{1}{150}</formula> Sec. beizulegen, und doch machen die&#x017F;e noch einen                         &#x017F;o<lb/>
lebhaften Eindruck auf das Auge.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Bilder der Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde durch                             grade fortgehende<lb/>
Strahlen</hi>.</head><lb/>
          <p>Die gerade fortgehenden Licht&#x017F;trahlen geben uns                         zuweilen<lb/>
Bilder der Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde, von welchen                         &#x017F;ie ausgehen. Wenn in ein<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0076] den Sonnenſtrahlen erleuchtet wird, vorzuͤglich geeignet iſt, die Erſcheinung zu beguͤnſtigen. Aber ich habe hier Manches erwaͤhnen muͤſſen, was hier noch nicht genau erklaͤrt werden kann, und muß daher abbrechen, obgleich mehr als eine Erlaͤuterung uͤber die Un- gleichheit der Erleuchtung bei verſchiedener Richtung des auffallenden Lichtes u. ſ. w. hier noch beizufuͤgen waͤre. Aber dieſe Betrachtungen uͤber ſcheinbare Groͤße kann ich dennoch nicht ganz abbrechen, da die Frage, wie groß, unter welchem Sehewinkel ein Gegenſtand uns erſcheinen muß, um noch kenntlich zu ſein, hier am beſten beantwortet wird. Daß dieſe Frage keine allgemein guͤltige Beantwortung geſtattet, iſt bekannt, und erhellt auch aus dem eben vorhin Angegebenen. Wir nennen dasjenige Auge ein ſcharfes Auge, welches Gegenſtaͤnde, die unter einem ſehr kleinen Winkel erſcheinen, noch erkennt, und fuͤr ein ſolches recht ſcharfes Auge und unter uͤbrigens guͤnſtigen Umſtaͤnden der Beleuchtung betraͤgt der kleinſte Sehewinkel fuͤr einen weißen Ge- genſtand auf ſchwarzem Grunde etwa 40 Secunden *), das heißt, eine weiße Stange, auf dunkelm Grunde erſcheinend, iſt in 500 Fuß Entfernung noch ſichtbar, wenn ſie 1 Zoll dick iſt; — gegen den hellen Himmel ſieht man eine dunkle Stange noch bei gerin- gerem Durchmeſſer, und leuchtende Koͤrper koͤnnen unter einem Sehewinkel von 1 Secunde (das heißt, wenn ſie 200000 mal ſo entfernt ſind, als die Groͤße ihres Durchmeſſers) noch ſehr wohl kenntlich ſein. In dunkler Nacht ſind Gegenſtaͤnde von hinreichend hellem Lichte noch bei viel geringerem Durchmeſſer kenntlich; denn wir haben Grund, den groͤßern Fixſternen kaum einen Durchmeſſer von [FORMEL] Sec. beizulegen, und doch machen dieſe noch einen ſo lebhaften Eindruck auf das Auge. Bilder der Gegenſtaͤnde durch grade fortgehende Strahlen. Die gerade fortgehenden Lichtſtrahlen geben uns zuweilen Bilder der Gegenſtaͤnde, von welchen ſie ausgehen. Wenn in ein *) v. Humboldt haͤlt es mit Recht fuͤr ein Zeichen ungewoͤhnlich reiner Luft, wenn man einen weißen Gegenſtand noch bei 13 Sec. Sehewinkel erkennt, wie es auf Bergen zuweilen der Fall iſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/76
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/76>, abgerufen am 24.04.2024.