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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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Schlußbemerkungen über die Theorie der Wärme.

Die bisher mitgetheilten Erfahrungen enthalten die wichtig-
sten Erscheinungen, welche die Wärme uns zeigt, und sie sollten
nun billig uns zu entscheidenden Bestimmungen über die Natur
der Grund-Ursache der Wärme führen. Wie weit wir aber von
der Kenntniß dieser noch entfernt sind, das habe ich schon mehr-
mals bemerkt, und muß auch hier dies Bekenntniß wiederholen.
Die meisten Erscheinungen lassen die Erklärung zu, daß der Wärme-
stoff ein für unsre Abwägungen nicht merkbares Fluidum ist, das
seiner Elasticität wegen sich überallhin, wo die Temperatur geringer
ist, ergießt. Vermöge seiner Elasticität dehnt es die Körper aus,
und die schon erhitzten Körper dehnen sich bei gleichen Aenderungen
der Temperatur mehr aus, als die minder erhitzten, weil die gegen-
seitige Anziehung der Körpertheilchen sich der Ausdehnung weniger
widersetzt, wenn sie weiter aus einander gerückt sind. Findet der
Wärmestoff einen Abfluß in einen kältern Körper, so vermindert
sich das Volumen des nun abkühlenden Körpers, weil die gegen-
seitige Attraction der Körpertheilchen diese wieder ungehindert näher
an einander bringt. Sie haben gesehen, daß das Abmessen der
Wärmemenge, die von einem Körper zum andern übergeht, das
Abmessen der Wärme beim Schmelzen des Eises u. s. w., sich
ganz gut diesen Ansichten angemessen zeigte; aber ich habe Ihnen
auch nicht verhehlt, daß diese Ansicht -- und ebenso jede andre --
nicht ohne Schwierigkeit ist.

Und so wenig als wir hier zu einem Grade von Gewißheit
gelangt sind, eben so wenig können wir uns dessen in Beziehung
auf den Zusammenhang zwischen Licht und Wärme rühmen.
Licht und Wärme befolgen bei der Strahlung so sehr übereinstim-
mende Gesetze, aber sind im Durchgange durch andre Körper doch
so sehr verschieden. Die Zurückwerfung geschieht fast nach gleichen
Gesetzen, aber bei dem Eindringen des Lichts in die undurchsichti-
gen Körper geht dieses, so scheint es uns, ganz verloren, während
die Wärme hier gerade die bedeutendste Wirkung zeigt. Beim
Durchgange durch durchsichtige Körper geht das Licht beinahe un-
geschwächt durch, statt daß die Wärme fast ganz zum Erwärmen
des Körpers verwandt wird. Da wo Licht und Wärme hervor-

Schlußbemerkungen uͤber die Theorie der Waͤrme.

Die bisher mitgetheilten Erfahrungen enthalten die wichtig-
ſten Erſcheinungen, welche die Waͤrme uns zeigt, und ſie ſollten
nun billig uns zu entſcheidenden Beſtimmungen uͤber die Natur
der Grund-Urſache der Waͤrme fuͤhren. Wie weit wir aber von
der Kenntniß dieſer noch entfernt ſind, das habe ich ſchon mehr-
mals bemerkt, und muß auch hier dies Bekenntniß wiederholen.
Die meiſten Erſcheinungen laſſen die Erklaͤrung zu, daß der Waͤrme-
ſtoff ein fuͤr unſre Abwaͤgungen nicht merkbares Fluidum iſt, das
ſeiner Elaſticitaͤt wegen ſich uͤberallhin, wo die Temperatur geringer
iſt, ergießt. Vermoͤge ſeiner Elaſticitaͤt dehnt es die Koͤrper aus,
und die ſchon erhitzten Koͤrper dehnen ſich bei gleichen Aenderungen
der Temperatur mehr aus, als die minder erhitzten, weil die gegen-
ſeitige Anziehung der Koͤrpertheilchen ſich der Ausdehnung weniger
widerſetzt, wenn ſie weiter aus einander geruͤckt ſind. Findet der
Waͤrmeſtoff einen Abfluß in einen kaͤltern Koͤrper, ſo vermindert
ſich das Volumen des nun abkuͤhlenden Koͤrpers, weil die gegen-
ſeitige Attraction der Koͤrpertheilchen dieſe wieder ungehindert naͤher
an einander bringt. Sie haben geſehen, daß das Abmeſſen der
Waͤrmemenge, die von einem Koͤrper zum andern uͤbergeht, das
Abmeſſen der Waͤrme beim Schmelzen des Eiſes u. ſ. w., ſich
ganz gut dieſen Anſichten angemeſſen zeigte; aber ich habe Ihnen
auch nicht verhehlt, daß dieſe Anſicht — und ebenſo jede andre —
nicht ohne Schwierigkeit iſt.

Und ſo wenig als wir hier zu einem Grade von Gewißheit
gelangt ſind, eben ſo wenig koͤnnen wir uns deſſen in Beziehung
auf den Zuſammenhang zwiſchen Licht und Waͤrme ruͤhmen.
Licht und Waͤrme befolgen bei der Strahlung ſo ſehr uͤbereinſtim-
mende Geſetze, aber ſind im Durchgange durch andre Koͤrper doch
ſo ſehr verſchieden. Die Zuruͤckwerfung geſchieht faſt nach gleichen
Geſetzen, aber bei dem Eindringen des Lichts in die undurchſichti-
gen Koͤrper geht dieſes, ſo ſcheint es uns, ganz verloren, waͤhrend
die Waͤrme hier gerade die bedeutendſte Wirkung zeigt. Beim
Durchgange durch durchſichtige Koͤrper geht das Licht beinahe un-
geſchwaͤcht durch, ſtatt daß die Waͤrme faſt ganz zum Erwaͤrmen
des Koͤrpers verwandt wird. Da wo Licht und Waͤrme hervor-

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[204/0218] Schlußbemerkungen uͤber die Theorie der Waͤrme. Die bisher mitgetheilten Erfahrungen enthalten die wichtig- ſten Erſcheinungen, welche die Waͤrme uns zeigt, und ſie ſollten nun billig uns zu entſcheidenden Beſtimmungen uͤber die Natur der Grund-Urſache der Waͤrme fuͤhren. Wie weit wir aber von der Kenntniß dieſer noch entfernt ſind, das habe ich ſchon mehr- mals bemerkt, und muß auch hier dies Bekenntniß wiederholen. Die meiſten Erſcheinungen laſſen die Erklaͤrung zu, daß der Waͤrme- ſtoff ein fuͤr unſre Abwaͤgungen nicht merkbares Fluidum iſt, das ſeiner Elaſticitaͤt wegen ſich uͤberallhin, wo die Temperatur geringer iſt, ergießt. Vermoͤge ſeiner Elaſticitaͤt dehnt es die Koͤrper aus, und die ſchon erhitzten Koͤrper dehnen ſich bei gleichen Aenderungen der Temperatur mehr aus, als die minder erhitzten, weil die gegen- ſeitige Anziehung der Koͤrpertheilchen ſich der Ausdehnung weniger widerſetzt, wenn ſie weiter aus einander geruͤckt ſind. Findet der Waͤrmeſtoff einen Abfluß in einen kaͤltern Koͤrper, ſo vermindert ſich das Volumen des nun abkuͤhlenden Koͤrpers, weil die gegen- ſeitige Attraction der Koͤrpertheilchen dieſe wieder ungehindert naͤher an einander bringt. Sie haben geſehen, daß das Abmeſſen der Waͤrmemenge, die von einem Koͤrper zum andern uͤbergeht, das Abmeſſen der Waͤrme beim Schmelzen des Eiſes u. ſ. w., ſich ganz gut dieſen Anſichten angemeſſen zeigte; aber ich habe Ihnen auch nicht verhehlt, daß dieſe Anſicht — und ebenſo jede andre — nicht ohne Schwierigkeit iſt. Und ſo wenig als wir hier zu einem Grade von Gewißheit gelangt ſind, eben ſo wenig koͤnnen wir uns deſſen in Beziehung auf den Zuſammenhang zwiſchen Licht und Waͤrme ruͤhmen. Licht und Waͤrme befolgen bei der Strahlung ſo ſehr uͤbereinſtim- mende Geſetze, aber ſind im Durchgange durch andre Koͤrper doch ſo ſehr verſchieden. Die Zuruͤckwerfung geſchieht faſt nach gleichen Geſetzen, aber bei dem Eindringen des Lichts in die undurchſichti- gen Koͤrper geht dieſes, ſo ſcheint es uns, ganz verloren, waͤhrend die Waͤrme hier gerade die bedeutendſte Wirkung zeigt. Beim Durchgange durch durchſichtige Koͤrper geht das Licht beinahe un- geſchwaͤcht durch, ſtatt daß die Waͤrme faſt ganz zum Erwaͤrmen des Koͤrpers verwandt wird. Da wo Licht und Waͤrme hervor-

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/218>, abgerufen am 29.03.2024.