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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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einer der geriebenen Körper negativ electrisch wird, indem der
andre positive Electricität annimmt, leitet uns zu dem Gedanken,
den electrischen Zustand des isolirten und auch mit dem Leiter L
nicht in Verbindung gesetzten Reibzeuges genauer zu untersuchen.
Um dieses zu thun bringt man an dem Reibzeuge einen eben solchen
isolirten Leiter an, wie derjenige ist, der von dem geriebenen Glase
die Electricität empfängt, wie HN (Fig. 48.), und läßt diesen
Leiter während der Wirkung der Maschine mit dem Reibzeuge in
Verbindung. Schon nach den ersten Umdrehungen der Maschine
zeigen sich beide Leiter electrisch, beide ziehen leichte Körper an und
stoßen sie nach der Mittheilung ab; aber wenn man einen isolirt
gehaltenen, vom Reibzeugconductor abgestoßenen Körper dem
Hauptleiter, der mit dem geriebenen Glase in Verbindung steht,
nähert, so wird er hier angezogen, und ebenso im umgekehrten
Falle. Bringt man einen größern, isolirt gehaltenen Körper an
den Leiter des Reibzeugs und läßt ihn da sich laden, so entsteht,
wenn er dem Leiter am Glascylinder genähert wird, ein Funke
zwischen beiden; und ebenso umgekehrt, wenn man einen vom
Glase her geladenen Leiter isolirt zu dem Leiter des Reibzeuges
bringt, so schlägt ein Funke über, welches nicht der Fall ist, wenn
man den am einen Leiter geladenen Körper eben diesem Leiter
wieder darbietet.

Das Reibzeug wird also negativ electrisch, während das Glas
positiv wird, und umgekehrt wird das aus Pelz bestehende Reibzeug
positiv, wenn man Schwefel oder Seidenzeug oder Wollenzeug, die
negativ werden, als geriebene Körper anwendet. Diese Erfahrung
kann uns zu einer genaueren Theorie der electrischen Erscheinungen
hin leiten; und wenn gleich Franklin schon viel mehr Erfah-
rungen vor sich hatte, als ich bis jetzt angeführt habe, so werde ich
doch Franklins Theorie und dann auch die ihr gegenüber-
stehende schon hier erklären.

Franklins Theorie der electrischen Erscheinungen.

Nach Franklins Ansicht ist die electrische Materie in
allen Körpern verbreitet; aber im natürlichen Zustande der Körper
befindet sie sich im Gleichgewichte, so daß sie kein Bestreben hat,
vom einen Körper zum andern überzugehen. Wir müssen es also

einer der geriebenen Koͤrper negativ electriſch wird, indem der
andre poſitive Electricitaͤt annimmt, leitet uns zu dem Gedanken,
den electriſchen Zuſtand des iſolirten und auch mit dem Leiter L
nicht in Verbindung geſetzten Reibzeuges genauer zu unterſuchen.
Um dieſes zu thun bringt man an dem Reibzeuge einen eben ſolchen
iſolirten Leiter an, wie derjenige iſt, der von dem geriebenen Glaſe
die Electricitaͤt empfaͤngt, wie HN (Fig. 48.), und laͤßt dieſen
Leiter waͤhrend der Wirkung der Maſchine mit dem Reibzeuge in
Verbindung. Schon nach den erſten Umdrehungen der Maſchine
zeigen ſich beide Leiter electriſch, beide ziehen leichte Koͤrper an und
ſtoßen ſie nach der Mittheilung ab; aber wenn man einen iſolirt
gehaltenen, vom Reibzeugconductor abgeſtoßenen Koͤrper dem
Hauptleiter, der mit dem geriebenen Glaſe in Verbindung ſteht,
naͤhert, ſo wird er hier angezogen, und ebenſo im umgekehrten
Falle. Bringt man einen groͤßern, iſolirt gehaltenen Koͤrper an
den Leiter des Reibzeugs und laͤßt ihn da ſich laden, ſo entſteht,
wenn er dem Leiter am Glascylinder genaͤhert wird, ein Funke
zwiſchen beiden; und ebenſo umgekehrt, wenn man einen vom
Glaſe her geladenen Leiter iſolirt zu dem Leiter des Reibzeuges
bringt, ſo ſchlaͤgt ein Funke uͤber, welches nicht der Fall iſt, wenn
man den am einen Leiter geladenen Koͤrper eben dieſem Leiter
wieder darbietet.

Das Reibzeug wird alſo negativ electriſch, waͤhrend das Glas
poſitiv wird, und umgekehrt wird das aus Pelz beſtehende Reibzeug
poſitiv, wenn man Schwefel oder Seidenzeug oder Wollenzeug, die
negativ werden, als geriebene Koͤrper anwendet. Dieſe Erfahrung
kann uns zu einer genaueren Theorie der electriſchen Erſcheinungen
hin leiten; und wenn gleich Franklin ſchon viel mehr Erfah-
rungen vor ſich hatte, als ich bis jetzt angefuͤhrt habe, ſo werde ich
doch Franklins Theorie und dann auch die ihr gegenuͤber-
ſtehende ſchon hier erklaͤren.

Franklins Theorie der electriſchen Erſcheinungen.

Nach Franklins Anſicht iſt die electriſche Materie in
allen Koͤrpern verbreitet; aber im natuͤrlichen Zuſtande der Koͤrper
befindet ſie ſich im Gleichgewichte, ſo daß ſie kein Beſtreben hat,
vom einen Koͤrper zum andern uͤberzugehen. Wir muͤſſen es alſo

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[235/0249] einer der geriebenen Koͤrper negativ electriſch wird, indem der andre poſitive Electricitaͤt annimmt, leitet uns zu dem Gedanken, den electriſchen Zuſtand des iſolirten und auch mit dem Leiter L nicht in Verbindung geſetzten Reibzeuges genauer zu unterſuchen. Um dieſes zu thun bringt man an dem Reibzeuge einen eben ſolchen iſolirten Leiter an, wie derjenige iſt, der von dem geriebenen Glaſe die Electricitaͤt empfaͤngt, wie HN (Fig. 48.), und laͤßt dieſen Leiter waͤhrend der Wirkung der Maſchine mit dem Reibzeuge in Verbindung. Schon nach den erſten Umdrehungen der Maſchine zeigen ſich beide Leiter electriſch, beide ziehen leichte Koͤrper an und ſtoßen ſie nach der Mittheilung ab; aber wenn man einen iſolirt gehaltenen, vom Reibzeugconductor abgeſtoßenen Koͤrper dem Hauptleiter, der mit dem geriebenen Glaſe in Verbindung ſteht, naͤhert, ſo wird er hier angezogen, und ebenſo im umgekehrten Falle. Bringt man einen groͤßern, iſolirt gehaltenen Koͤrper an den Leiter des Reibzeugs und laͤßt ihn da ſich laden, ſo entſteht, wenn er dem Leiter am Glascylinder genaͤhert wird, ein Funke zwiſchen beiden; und ebenſo umgekehrt, wenn man einen vom Glaſe her geladenen Leiter iſolirt zu dem Leiter des Reibzeuges bringt, ſo ſchlaͤgt ein Funke uͤber, welches nicht der Fall iſt, wenn man den am einen Leiter geladenen Koͤrper eben dieſem Leiter wieder darbietet. Das Reibzeug wird alſo negativ electriſch, waͤhrend das Glas poſitiv wird, und umgekehrt wird das aus Pelz beſtehende Reibzeug poſitiv, wenn man Schwefel oder Seidenzeug oder Wollenzeug, die negativ werden, als geriebene Koͤrper anwendet. Dieſe Erfahrung kann uns zu einer genaueren Theorie der electriſchen Erſcheinungen hin leiten; und wenn gleich Franklin ſchon viel mehr Erfah- rungen vor ſich hatte, als ich bis jetzt angefuͤhrt habe, ſo werde ich doch Franklins Theorie und dann auch die ihr gegenuͤber- ſtehende ſchon hier erklaͤren. Franklins Theorie der electriſchen Erſcheinungen. Nach Franklins Anſicht iſt die electriſche Materie in allen Koͤrpern verbreitet; aber im natuͤrlichen Zuſtande der Koͤrper befindet ſie ſich im Gleichgewichte, ſo daß ſie kein Beſtreben hat, vom einen Koͤrper zum andern uͤberzugehen. Wir muͤſſen es alſo

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/249>, abgerufen am 29.03.2024.