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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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ander gegenüber liegende Seiten, die sich am stärksten damit bele-
gen. Hängt man den Magnet so auf, daß diese Seiten in hori-
zontaler Richtung einander gegenüber stehen, so findet man, daß
er eine bestimmte Stellung, so daß jene Seiten sich ungefähr nach
Norden und Süden wenden, annimmt. Der Magnet hat also
einen Nordpol und einen Südpol. -- Diese Eigenschaft des Magne-
tes ist erst spät bemerkt worden, und wie man glaubt, den Chinesen
eher bekannt gewesen; in Europa ist sie erst im dreizehnten Jahr-
hundert bekannt geworden und Flavio Gioja aus Amalfi
um das Jahr 1300 wird immer als derjenige genannt, der den
Compaß, die Anwendung des Magnets zu Bestimmung der Welt-
gegenden, erfunden hat; doch schreibt Gilbert dem Marco
Polo
das Verdienst zu, die Richtung des Magnets nach Norden,
auf die er im Orient aufmerksam gemacht war, den Europäern
bekannt gemacht zu haben. Bei den unvollkommenen Mitteln,
die Himmelsgegenden durch einen auf einem Brettchen befestigten
und so auf Wasser schwimmenden Magnet zu bestimmen, will ich
indeß nicht verweilen, sondern sogleich auf die Mittel kommen, die
uns zu viel bequemerer Anwendung des Magnetes dienen.

Mittheilung der magnetischen Kräfte an Eisen und
Stahl
.

Schon wenn man den natürlichen Magnet in Eisenfeile legt,
macht man die Bemerkung, daß er sich mit derselben nicht so über-
zieht, wie etwa ein nasser Körper mit Sandkörnern, wenn man
ihn mit Sand bestreut; die feinen Eisentheile legen sich nicht jedes
einzeln an, sondern, als ob sie kleine Nadeln bildeten, reihen sich
mehrere, vom Magnete abwärts, an einander, so daß die Eisen-
theilchen selbst wieder einander anzuziehen scheinen. Noch auffal-
lender wird dies, wenn man Eisendräthchen oder auch stählerne
Nadeln nimmt; obgleich diese für sich allein keine Kraft, einander
anzuziehen, besitzen, so hängt sich doch, wenn die erste vom Ma-
gnete getragen wird, an sie gern die zweite und an die zweite auch
noch wohl die dritte. Der Versuch läßt sich aber noch weiter fort-
setzen, indem unter der Einwirkung eines hinreichend starken Ma-
gnetes ein Stab von weichem Eisen oder ungehärtetem Stahle,
wenn er auch einen Fuß lang und länger ist, an seinem andern

ander gegenuͤber liegende Seiten, die ſich am ſtaͤrkſten damit bele-
gen. Haͤngt man den Magnet ſo auf, daß dieſe Seiten in hori-
zontaler Richtung einander gegenuͤber ſtehen, ſo findet man, daß
er eine beſtimmte Stellung, ſo daß jene Seiten ſich ungefaͤhr nach
Norden und Suͤden wenden, annimmt. Der Magnet hat alſo
einen Nordpol und einen Suͤdpol. — Dieſe Eigenſchaft des Magne-
tes iſt erſt ſpaͤt bemerkt worden, und wie man glaubt, den Chineſen
eher bekannt geweſen; in Europa iſt ſie erſt im dreizehnten Jahr-
hundert bekannt geworden und Flavio Gioja aus Amalfi
um das Jahr 1300 wird immer als derjenige genannt, der den
Compaß, die Anwendung des Magnets zu Beſtimmung der Welt-
gegenden, erfunden hat; doch ſchreibt Gilbert dem Marco
Polo
das Verdienſt zu, die Richtung des Magnets nach Norden,
auf die er im Orient aufmerkſam gemacht war, den Europaͤern
bekannt gemacht zu haben. Bei den unvollkommenen Mitteln,
die Himmelsgegenden durch einen auf einem Brettchen befeſtigten
und ſo auf Waſſer ſchwimmenden Magnet zu beſtimmen, will ich
indeß nicht verweilen, ſondern ſogleich auf die Mittel kommen, die
uns zu viel bequemerer Anwendung des Magnetes dienen.

Mittheilung der magnetiſchen Kraͤfte an Eiſen und
Stahl
.

Schon wenn man den natuͤrlichen Magnet in Eiſenfeile legt,
macht man die Bemerkung, daß er ſich mit derſelben nicht ſo uͤber-
zieht, wie etwa ein naſſer Koͤrper mit Sandkoͤrnern, wenn man
ihn mit Sand beſtreut; die feinen Eiſentheile legen ſich nicht jedes
einzeln an, ſondern, als ob ſie kleine Nadeln bildeten, reihen ſich
mehrere, vom Magnete abwaͤrts, an einander, ſo daß die Eiſen-
theilchen ſelbſt wieder einander anzuziehen ſcheinen. Noch auffal-
lender wird dies, wenn man Eiſendraͤthchen oder auch ſtaͤhlerne
Nadeln nimmt; obgleich dieſe fuͤr ſich allein keine Kraft, einander
anzuziehen, beſitzen, ſo haͤngt ſich doch, wenn die erſte vom Ma-
gnete getragen wird, an ſie gern die zweite und an die zweite auch
noch wohl die dritte. Der Verſuch laͤßt ſich aber noch weiter fort-
ſetzen, indem unter der Einwirkung eines hinreichend ſtarken Ma-
gnetes ein Stab von weichem Eiſen oder ungehaͤrtetem Stahle,
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[409/0423] ander gegenuͤber liegende Seiten, die ſich am ſtaͤrkſten damit bele- gen. Haͤngt man den Magnet ſo auf, daß dieſe Seiten in hori- zontaler Richtung einander gegenuͤber ſtehen, ſo findet man, daß er eine beſtimmte Stellung, ſo daß jene Seiten ſich ungefaͤhr nach Norden und Suͤden wenden, annimmt. Der Magnet hat alſo einen Nordpol und einen Suͤdpol. — Dieſe Eigenſchaft des Magne- tes iſt erſt ſpaͤt bemerkt worden, und wie man glaubt, den Chineſen eher bekannt geweſen; in Europa iſt ſie erſt im dreizehnten Jahr- hundert bekannt geworden und Flavio Gioja aus Amalfi um das Jahr 1300 wird immer als derjenige genannt, der den Compaß, die Anwendung des Magnets zu Beſtimmung der Welt- gegenden, erfunden hat; doch ſchreibt Gilbert dem Marco Polo das Verdienſt zu, die Richtung des Magnets nach Norden, auf die er im Orient aufmerkſam gemacht war, den Europaͤern bekannt gemacht zu haben. Bei den unvollkommenen Mitteln, die Himmelsgegenden durch einen auf einem Brettchen befeſtigten und ſo auf Waſſer ſchwimmenden Magnet zu beſtimmen, will ich indeß nicht verweilen, ſondern ſogleich auf die Mittel kommen, die uns zu viel bequemerer Anwendung des Magnetes dienen. Mittheilung der magnetiſchen Kraͤfte an Eiſen und Stahl. Schon wenn man den natuͤrlichen Magnet in Eiſenfeile legt, macht man die Bemerkung, daß er ſich mit derſelben nicht ſo uͤber- zieht, wie etwa ein naſſer Koͤrper mit Sandkoͤrnern, wenn man ihn mit Sand beſtreut; die feinen Eiſentheile legen ſich nicht jedes einzeln an, ſondern, als ob ſie kleine Nadeln bildeten, reihen ſich mehrere, vom Magnete abwaͤrts, an einander, ſo daß die Eiſen- theilchen ſelbſt wieder einander anzuziehen ſcheinen. Noch auffal- lender wird dies, wenn man Eiſendraͤthchen oder auch ſtaͤhlerne Nadeln nimmt; obgleich dieſe fuͤr ſich allein keine Kraft, einander anzuziehen, beſitzen, ſo haͤngt ſich doch, wenn die erſte vom Ma- gnete getragen wird, an ſie gern die zweite und an die zweite auch noch wohl die dritte. Der Verſuch laͤßt ſich aber noch weiter fort- ſetzen, indem unter der Einwirkung eines hinreichend ſtarken Ma- gnetes ein Stab von weichem Eiſen oder ungehaͤrtetem Stahle, wenn er auch einen Fuß lang und laͤnger iſt, an ſeinem andern

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/423>, abgerufen am 19.04.2024.