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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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merkwürdigen Erscheinungen, sondern auch den Scharfsinn man-
cher ausgezeichneter Männer zu bewundern und in ihren Bemü-
hungen Beispiele des ächten philosophischen Forschens, Beispiele,
die uns als Vorbilder dienen können, zu erkennen. Und was
den Erfolg unserer Bemühungen, die Erscheinungen der Natur in
ihrem Zusammenhange zu übersehen, die Gesetze ihrer Verbindung
kennen zu lernen, betrifft, so habe ich zwar oft das Bekenntniß
ablegen müssen, daß vieles uns noch dunkel sei, vieles noch zu
untersuchen übrig bleibe; aber dennoch hoffe ich sagen zu können,
daß Sie nicht ohne Freude den Reichthum unserer Kenntnisse, das
gelungene Bestreben der Physiker, die Erscheinungen in einem
Systeme zu vereinigen, werden kennen gelernt haben, wenn an-
ders meine Darstellung nicht zu mangelhaft gewesen ist.

Und an die Freude über das, was wir besitzen, knüpft sich die
Hoffnung auf immer reichere Kenntnisse, auf immer vollendetere
Einsicht in die Natur, die, nie erschöpft, dem Menschengeschlechte
immer neue Wunder darbieten wird. Möge nur diese vermehrte
Einsicht auch durch weise Anwendung immer mehr zum Wohl der
menschlichen Gesellschaft beitragen, möge dadurch die Zahl der
Leiden, mit denen das menschliche Geschlecht umgeben ist, vermin-
dert werden; aber möge auch nie die Demuth aus den Herzen
der Menschen entweichen, anzuerkennen, daß selbst die größeste
menschliche Weisheit nicht zu einer vollkommenen Herrschaft über
die Natur führt, und daß wir die Heilung zahlreicher Leiden und
Gebrechen, welche die Menschheit drücken, von keiner irdischen Hand
erwarten dürfen.



merkwuͤrdigen Erſcheinungen, ſondern auch den Scharfſinn man-
cher ausgezeichneter Maͤnner zu bewundern und in ihren Bemuͤ-
hungen Beiſpiele des aͤchten philoſophiſchen Forſchens, Beiſpiele,
die uns als Vorbilder dienen koͤnnen, zu erkennen. Und was
den Erfolg unſerer Bemuͤhungen, die Erſcheinungen der Natur in
ihrem Zuſammenhange zu uͤberſehen, die Geſetze ihrer Verbindung
kennen zu lernen, betrifft, ſo habe ich zwar oft das Bekenntniß
ablegen muͤſſen, daß vieles uns noch dunkel ſei, vieles noch zu
unterſuchen uͤbrig bleibe; aber dennoch hoffe ich ſagen zu koͤnnen,
daß Sie nicht ohne Freude den Reichthum unſerer Kenntniſſe, das
gelungene Beſtreben der Phyſiker, die Erſcheinungen in einem
Syſteme zu vereinigen, werden kennen gelernt haben, wenn an-
ders meine Darſtellung nicht zu mangelhaft geweſen iſt.

Und an die Freude uͤber das, was wir beſitzen, knuͤpft ſich die
Hoffnung auf immer reichere Kenntniſſe, auf immer vollendetere
Einſicht in die Natur, die, nie erſchoͤpft, dem Menſchengeſchlechte
immer neue Wunder darbieten wird. Moͤge nur dieſe vermehrte
Einſicht auch durch weiſe Anwendung immer mehr zum Wohl der
menſchlichen Geſellſchaft beitragen, moͤge dadurch die Zahl der
Leiden, mit denen das menſchliche Geſchlecht umgeben iſt, vermin-
dert werden; aber moͤge auch nie die Demuth aus den Herzen
der Menſchen entweichen, anzuerkennen, daß ſelbſt die groͤßeſte
menſchliche Weisheit nicht zu einer vollkommenen Herrſchaft uͤber
die Natur fuͤhrt, und daß wir die Heilung zahlreicher Leiden und
Gebrechen, welche die Menſchheit druͤcken, von keiner irdiſchen Hand
erwarten duͤrfen.



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[531/0545] merkwuͤrdigen Erſcheinungen, ſondern auch den Scharfſinn man- cher ausgezeichneter Maͤnner zu bewundern und in ihren Bemuͤ- hungen Beiſpiele des aͤchten philoſophiſchen Forſchens, Beiſpiele, die uns als Vorbilder dienen koͤnnen, zu erkennen. Und was den Erfolg unſerer Bemuͤhungen, die Erſcheinungen der Natur in ihrem Zuſammenhange zu uͤberſehen, die Geſetze ihrer Verbindung kennen zu lernen, betrifft, ſo habe ich zwar oft das Bekenntniß ablegen muͤſſen, daß vieles uns noch dunkel ſei, vieles noch zu unterſuchen uͤbrig bleibe; aber dennoch hoffe ich ſagen zu koͤnnen, daß Sie nicht ohne Freude den Reichthum unſerer Kenntniſſe, das gelungene Beſtreben der Phyſiker, die Erſcheinungen in einem Syſteme zu vereinigen, werden kennen gelernt haben, wenn an- ders meine Darſtellung nicht zu mangelhaft geweſen iſt. Und an die Freude uͤber das, was wir beſitzen, knuͤpft ſich die Hoffnung auf immer reichere Kenntniſſe, auf immer vollendetere Einſicht in die Natur, die, nie erſchoͤpft, dem Menſchengeſchlechte immer neue Wunder darbieten wird. Moͤge nur dieſe vermehrte Einſicht auch durch weiſe Anwendung immer mehr zum Wohl der menſchlichen Geſellſchaft beitragen, moͤge dadurch die Zahl der Leiden, mit denen das menſchliche Geſchlecht umgeben iſt, vermin- dert werden; aber moͤge auch nie die Demuth aus den Herzen der Menſchen entweichen, anzuerkennen, daß ſelbſt die groͤßeſte menſchliche Weisheit nicht zu einer vollkommenen Herrſchaft uͤber die Natur fuͤhrt, und daß wir die Heilung zahlreicher Leiden und Gebrechen, welche die Menſchheit druͤcken, von keiner irdiſchen Hand erwarten duͤrfen.

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/545>, abgerufen am 29.03.2024.