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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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nen kann; denn es ist bekannt, daß diese Thiere die Reizbarkeit,
worauf die zuckenden Bewegungen der Muskeln beruhen, noch lange
nach dem Tode, und selbst nach der Trennung einzelner Theile
vom Körper, behalten; es ließ sich vermuthen, daß diese Reizbarkeit
nur der schwächsten Spuren von Electricität bedürfen möge, um
sich wirksam zu zeigen, und solche Spuren von Electricität konn-
ten, vermöge der Vertheilungs-Electricität, unter den erwähnten
Umständen gar wohl vorkommen. Indeß wollen wir nicht ver-
gessen, daß uns, nachdem wir in dem Froschschenkel eines der fein-
sten Electroscope kennen gelernt haben, diese Erscheinungen sich in
einem klareren Zusammenhange darstellen, als es in jener Zeit
möglich war. Uns, die wir die bei der Vertheilungs-Electricität
vorkommenden Veränderungen des electrischen Zustandes so genau
und auf so mannigfaltige Weise kennen, kann der Gedanke nicht
fremd sein, daß die Ladung und Entladung eines electrischen Lei-
ters, selbst in den schon bedeutend entfernten Leitern, eine Aen-
derung des electrischen Zustandes hervorbringen muß, daß also
das Messer, welches den entblößten Nerven des Frosches berührt,
in seinem von der Electrisirmaschine entferntern Theile positiv-
electrisch ist, wenn der Leiter der Electrisirmaschine positiv ist,
und daß dieser positive Zustand in dem Augenblicke der Entla-
dung jenes Leiters plötzlich aufhört, daß also ein in hohem Grade
empfindlicher Körper diese geringen Unterschiede gar wohl, und der
Hauptsache nach eben so gut zeigen kann, als wir es bei stärkern
Unterschieden überall gewohnt sind.

Galvani knüpfte an diese Erfahrung eine Reihe von Un-
tersuchungen über die Ursachen dieses Erfolges, und als er einmal
präparirte Froschschenkel an einem eisernen Geländer aufgehängt
hatte, bemerkte er, daß diese in Zuckungen geriethen, wenn die
Häkchen, welche das Rückenmark berührten, mit dem Metalle
des Geländers in Verbindung kamen. Diese Beobachtung führte
zur Kenntniß der ganz neuen Erscheinung, daß wenn ein Nerve
und ein Muskel eines Thieres durch zwei verschiedene Metalle, die
in leitender Verbindung stehen, berührt werden, eine Zuckung er-
folgt; und dieser Metallreiz erhielt den Namen Galvanis-
mus
. Galvani selbst war geneigt, diese Erscheinungen einer
eigenthümlichen thierischen Electricität zuzuschreiben, die in den

nen kann; denn es iſt bekannt, daß dieſe Thiere die Reizbarkeit,
worauf die zuckenden Bewegungen der Muskeln beruhen, noch lange
nach dem Tode, und ſelbſt nach der Trennung einzelner Theile
vom Koͤrper, behalten; es ließ ſich vermuthen, daß dieſe Reizbarkeit
nur der ſchwaͤchſten Spuren von Electricitaͤt beduͤrfen moͤge, um
ſich wirkſam zu zeigen, und ſolche Spuren von Electricitaͤt konn-
ten, vermoͤge der Vertheilungs-Electricitaͤt, unter den erwaͤhnten
Umſtaͤnden gar wohl vorkommen. Indeß wollen wir nicht ver-
geſſen, daß uns, nachdem wir in dem Froſchſchenkel eines der fein-
ſten Electroſcope kennen gelernt haben, dieſe Erſcheinungen ſich in
einem klareren Zuſammenhange darſtellen, als es in jener Zeit
moͤglich war. Uns, die wir die bei der Vertheilungs-Electricitaͤt
vorkommenden Veraͤnderungen des electriſchen Zuſtandes ſo genau
und auf ſo mannigfaltige Weiſe kennen, kann der Gedanke nicht
fremd ſein, daß die Ladung und Entladung eines electriſchen Lei-
ters, ſelbſt in den ſchon bedeutend entfernten Leitern, eine Aen-
derung des electriſchen Zuſtandes hervorbringen muß, daß alſo
das Meſſer, welches den entbloͤßten Nerven des Froſches beruͤhrt,
in ſeinem von der Electriſirmaſchine entferntern Theile poſitiv-
electriſch iſt, wenn der Leiter der Electriſirmaſchine poſitiv iſt,
und daß dieſer poſitive Zuſtand in dem Augenblicke der Entla-
dung jenes Leiters ploͤtzlich aufhoͤrt, daß alſo ein in hohem Grade
empfindlicher Koͤrper dieſe geringen Unterſchiede gar wohl, und der
Hauptſache nach eben ſo gut zeigen kann, als wir es bei ſtaͤrkern
Unterſchieden uͤberall gewohnt ſind.

Galvani knuͤpfte an dieſe Erfahrung eine Reihe von Un-
terſuchungen uͤber die Urſachen dieſes Erfolges, und als er einmal
praͤparirte Froſchſchenkel an einem eiſernen Gelaͤnder aufgehaͤngt
hatte, bemerkte er, daß dieſe in Zuckungen geriethen, wenn die
Haͤkchen, welche das Ruͤckenmark beruͤhrten, mit dem Metalle
des Gelaͤnders in Verbindung kamen. Dieſe Beobachtung fuͤhrte
zur Kenntniß der ganz neuen Erſcheinung, daß wenn ein Nerve
und ein Muskel eines Thieres durch zwei verſchiedene Metalle, die
in leitender Verbindung ſtehen, beruͤhrt werden, eine Zuckung er-
folgt; und dieſer Metallreiz erhielt den Namen Galvanis-
mus
. Galvani ſelbſt war geneigt, dieſe Erſcheinungen einer
eigenthuͤmlichen thieriſchen Electricitaͤt zuzuſchreiben, die in den

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[327/0341] nen kann; denn es iſt bekannt, daß dieſe Thiere die Reizbarkeit, worauf die zuckenden Bewegungen der Muskeln beruhen, noch lange nach dem Tode, und ſelbſt nach der Trennung einzelner Theile vom Koͤrper, behalten; es ließ ſich vermuthen, daß dieſe Reizbarkeit nur der ſchwaͤchſten Spuren von Electricitaͤt beduͤrfen moͤge, um ſich wirkſam zu zeigen, und ſolche Spuren von Electricitaͤt konn- ten, vermoͤge der Vertheilungs-Electricitaͤt, unter den erwaͤhnten Umſtaͤnden gar wohl vorkommen. Indeß wollen wir nicht ver- geſſen, daß uns, nachdem wir in dem Froſchſchenkel eines der fein- ſten Electroſcope kennen gelernt haben, dieſe Erſcheinungen ſich in einem klareren Zuſammenhange darſtellen, als es in jener Zeit moͤglich war. Uns, die wir die bei der Vertheilungs-Electricitaͤt vorkommenden Veraͤnderungen des electriſchen Zuſtandes ſo genau und auf ſo mannigfaltige Weiſe kennen, kann der Gedanke nicht fremd ſein, daß die Ladung und Entladung eines electriſchen Lei- ters, ſelbſt in den ſchon bedeutend entfernten Leitern, eine Aen- derung des electriſchen Zuſtandes hervorbringen muß, daß alſo das Meſſer, welches den entbloͤßten Nerven des Froſches beruͤhrt, in ſeinem von der Electriſirmaſchine entferntern Theile poſitiv- electriſch iſt, wenn der Leiter der Electriſirmaſchine poſitiv iſt, und daß dieſer poſitive Zuſtand in dem Augenblicke der Entla- dung jenes Leiters ploͤtzlich aufhoͤrt, daß alſo ein in hohem Grade empfindlicher Koͤrper dieſe geringen Unterſchiede gar wohl, und der Hauptſache nach eben ſo gut zeigen kann, als wir es bei ſtaͤrkern Unterſchieden uͤberall gewohnt ſind. Galvani knuͤpfte an dieſe Erfahrung eine Reihe von Un- terſuchungen uͤber die Urſachen dieſes Erfolges, und als er einmal praͤparirte Froſchſchenkel an einem eiſernen Gelaͤnder aufgehaͤngt hatte, bemerkte er, daß dieſe in Zuckungen geriethen, wenn die Haͤkchen, welche das Ruͤckenmark beruͤhrten, mit dem Metalle des Gelaͤnders in Verbindung kamen. Dieſe Beobachtung fuͤhrte zur Kenntniß der ganz neuen Erſcheinung, daß wenn ein Nerve und ein Muskel eines Thieres durch zwei verſchiedene Metalle, die in leitender Verbindung ſtehen, beruͤhrt werden, eine Zuckung er- folgt; und dieſer Metallreiz erhielt den Namen Galvanis- mus. Galvani ſelbſt war geneigt, dieſe Erſcheinungen einer eigenthuͤmlichen thieriſchen Electricitaͤt zuzuſchreiben, die in den

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/341>, abgerufen am 29.03.2024.