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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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Richtung der Magnetnadel da bedeutender werde, wo die Neigung
der Nadel sehr groß ist; so wurde es doch 1820 als etwas Uner-
wartetes angezeigt, daß Roß bei seiner Aufsuchung einer nord-
westlichen Durchfahrt die Declination der Nadel viel anders gefun-
den habe, wenn das Schiff ostwärts, als wenn es westwärts se-
gelte. Man bemerkte indeß bald, daß jede fremde Einwirkung auf
die Magnetnadel da am wirksamsten sein müsse, wo die Richtungs-
kraft geringer ist, daß aber die Richtungskraft da, wo die Neigungs-
nadel senkrecht ist, ganz und gar verschwindet, also in der Nähe
dieser Gegenden auch nur sehr geringe sein kann. Die Beobachtung
zeigte auch, daß die horizontale Nadel dort so träge war, daß sie
kaum die Reibung zu überwinden vermochte, und nur, wenn man
durch kleine Erschütterungen der Unterlage, worauf sie ruhte, die
Wirkung der Reibung abwechselnd unterbrach, ziemlich auf eine
immer gleiche Richtung zurückkam.

Als Ursache jener, von der Lage des Schiffes herrührenden,
Aenderungen mußte man offenbar das Eisen im Schiffe anneh-
men; aber wir sind gewohnt, das Eisen als ganz gleich wirkend
auf beide Pole anzusehen, und wenn wir darin Recht hätten, so
könnten etwas entferntere Eisenmassen, die vom Nordpole der Na-
del nicht viel mehr oder minder als vom Südpole entfernt sind,
nicht erheblich auf sie einwirken. Diese gleiche Wirkung der Eisen-
massen auf beide Pole findet aber nicht statt, wie Barlow durch
eigends darauf gerichtete Versuche zeigte. Stellt man nämlich die
Nadel auf einem horizontalen Tische auf, über welchem eine große
eiserne Kugel in einem Kreise, dessen Centrum genau über der
Mitte der Magnetnadel liegt, herumgeführt werden kann; so zeigt
sich, daß bei gewissen Stellungen der Kugel der Nordpol, bei an-
dern der Südpol der Nadel angezogen wird. Um sogleich die Regel
zu übersehen, denken Sie sich auf jenem Tische eine Linie durch
den Mittelpunct der Nadel senkrecht gegen ihre Richtung, also nach
dem magnetischen Ost und West, gezogen; legen Sie durch diese
Linie eine geneigte Ebne, die sich nordwärts unter einem Winkel
von 23° geneigt *) erhebt; so haben Sie die Ebne des magneti-
schen Aequators, die Ebne senkrecht auf die Neigungslinie des Ma-

*) 23° für unsre Gegenden, etwa 20° in London.

Richtung der Magnetnadel da bedeutender werde, wo die Neigung
der Nadel ſehr groß iſt; ſo wurde es doch 1820 als etwas Uner-
wartetes angezeigt, daß Roß bei ſeiner Aufſuchung einer nord-
weſtlichen Durchfahrt die Declination der Nadel viel anders gefun-
den habe, wenn das Schiff oſtwaͤrts, als wenn es weſtwaͤrts ſe-
gelte. Man bemerkte indeß bald, daß jede fremde Einwirkung auf
die Magnetnadel da am wirkſamſten ſein muͤſſe, wo die Richtungs-
kraft geringer iſt, daß aber die Richtungskraft da, wo die Neigungs-
nadel ſenkrecht iſt, ganz und gar verſchwindet, alſo in der Naͤhe
dieſer Gegenden auch nur ſehr geringe ſein kann. Die Beobachtung
zeigte auch, daß die horizontale Nadel dort ſo traͤge war, daß ſie
kaum die Reibung zu uͤberwinden vermochte, und nur, wenn man
durch kleine Erſchuͤtterungen der Unterlage, worauf ſie ruhte, die
Wirkung der Reibung abwechſelnd unterbrach, ziemlich auf eine
immer gleiche Richtung zuruͤckkam.

Als Urſache jener, von der Lage des Schiffes herruͤhrenden,
Aenderungen mußte man offenbar das Eiſen im Schiffe anneh-
men; aber wir ſind gewohnt, das Eiſen als ganz gleich wirkend
auf beide Pole anzuſehen, und wenn wir darin Recht haͤtten, ſo
koͤnnten etwas entferntere Eiſenmaſſen, die vom Nordpole der Na-
del nicht viel mehr oder minder als vom Suͤdpole entfernt ſind,
nicht erheblich auf ſie einwirken. Dieſe gleiche Wirkung der Eiſen-
maſſen auf beide Pole findet aber nicht ſtatt, wie Barlow durch
eigends darauf gerichtete Verſuche zeigte. Stellt man naͤmlich die
Nadel auf einem horizontalen Tiſche auf, uͤber welchem eine große
eiſerne Kugel in einem Kreiſe, deſſen Centrum genau uͤber der
Mitte der Magnetnadel liegt, herumgefuͤhrt werden kann; ſo zeigt
ſich, daß bei gewiſſen Stellungen der Kugel der Nordpol, bei an-
dern der Suͤdpol der Nadel angezogen wird. Um ſogleich die Regel
zu uͤberſehen, denken Sie ſich auf jenem Tiſche eine Linie durch
den Mittelpunct der Nadel ſenkrecht gegen ihre Richtung, alſo nach
dem magnetiſchen Oſt und Weſt, gezogen; legen Sie durch dieſe
Linie eine geneigte Ebne, die ſich nordwaͤrts unter einem Winkel
von 23° geneigt *) erhebt; ſo haben Sie die Ebne des magneti-
ſchen Aequators, die Ebne ſenkrecht auf die Neigungslinie des Ma-

*) 23° fuͤr unſre Gegenden, etwa 20° in London.
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[452/0466] Richtung der Magnetnadel da bedeutender werde, wo die Neigung der Nadel ſehr groß iſt; ſo wurde es doch 1820 als etwas Uner- wartetes angezeigt, daß Roß bei ſeiner Aufſuchung einer nord- weſtlichen Durchfahrt die Declination der Nadel viel anders gefun- den habe, wenn das Schiff oſtwaͤrts, als wenn es weſtwaͤrts ſe- gelte. Man bemerkte indeß bald, daß jede fremde Einwirkung auf die Magnetnadel da am wirkſamſten ſein muͤſſe, wo die Richtungs- kraft geringer iſt, daß aber die Richtungskraft da, wo die Neigungs- nadel ſenkrecht iſt, ganz und gar verſchwindet, alſo in der Naͤhe dieſer Gegenden auch nur ſehr geringe ſein kann. Die Beobachtung zeigte auch, daß die horizontale Nadel dort ſo traͤge war, daß ſie kaum die Reibung zu uͤberwinden vermochte, und nur, wenn man durch kleine Erſchuͤtterungen der Unterlage, worauf ſie ruhte, die Wirkung der Reibung abwechſelnd unterbrach, ziemlich auf eine immer gleiche Richtung zuruͤckkam. Als Urſache jener, von der Lage des Schiffes herruͤhrenden, Aenderungen mußte man offenbar das Eiſen im Schiffe anneh- men; aber wir ſind gewohnt, das Eiſen als ganz gleich wirkend auf beide Pole anzuſehen, und wenn wir darin Recht haͤtten, ſo koͤnnten etwas entferntere Eiſenmaſſen, die vom Nordpole der Na- del nicht viel mehr oder minder als vom Suͤdpole entfernt ſind, nicht erheblich auf ſie einwirken. Dieſe gleiche Wirkung der Eiſen- maſſen auf beide Pole findet aber nicht ſtatt, wie Barlow durch eigends darauf gerichtete Verſuche zeigte. Stellt man naͤmlich die Nadel auf einem horizontalen Tiſche auf, uͤber welchem eine große eiſerne Kugel in einem Kreiſe, deſſen Centrum genau uͤber der Mitte der Magnetnadel liegt, herumgefuͤhrt werden kann; ſo zeigt ſich, daß bei gewiſſen Stellungen der Kugel der Nordpol, bei an- dern der Suͤdpol der Nadel angezogen wird. Um ſogleich die Regel zu uͤberſehen, denken Sie ſich auf jenem Tiſche eine Linie durch den Mittelpunct der Nadel ſenkrecht gegen ihre Richtung, alſo nach dem magnetiſchen Oſt und Weſt, gezogen; legen Sie durch dieſe Linie eine geneigte Ebne, die ſich nordwaͤrts unter einem Winkel von 23° geneigt *) erhebt; ſo haben Sie die Ebne des magneti- ſchen Aequators, die Ebne ſenkrecht auf die Neigungslinie des Ma- *) 23° fuͤr unſre Gegenden, etwa 20° in London.

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/466>, abgerufen am 24.04.2024.