Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Da hier weder ein andrer electrischer Strom hervorgebracht
ist, noch auch ein Magnet einwirkt, so werden wir auf electrische
Ströme, welche die Erde selbst umkreisen mögen und die vermuth-
lich die Ursache der magnetischen Erscheinungen enthalten, geführt.
Nach Ampere sollen wir uns die Erde als mit electrischen
Strömen um die Gegend des Aequators von Osten nach Westen
umkreiset vorstellen, und wir müssen nun sehen, ob diese Hypo-
these den Erscheinungen entspricht. Da ein horizontaler electrischer
Strom, der von einem Mittelpuncte ausgehend nach Süden ge-
richtet ist, gegen den Aequator zu geht, so wird die Anziehung
der nachfolgenden, also östlichen Theile des den Aequator umkrei-
senden Stromes, diesen Strom oder die Nadel, welche er durchläuft,
von Süden nach Osten ziehen; dagegen wird die nach Norden
gerichtete, den Strom vom Aequator abwärts leitende Nadel von
Norden nach Westen, den vorangehenden Stromtheilen folgend
angezogen; die nach Osten gerichtete Nadel wird, weil ihr Strom
dem Strome des Aequators entgegengesetzt ist, abgestoßen nach
Norden fortgehen, und in allen Lagen also wird die Nadel, in
welcher der Strom vom Mittelpuncte aus geht, eine drehende
Bewegung von Norden nach Westen, Süden, Osten, erlangen.
Der entgegengesetzte Fall erhellt dann von selbst *).

Aber auch die Lagen, in welchen kreisförmige electrische Ströme
vermöge der Einwirkung der Erde zur Ruhe kommen, stimmen
mit dieser Hypothese überein. Wir haben nämlich oben gesehen,
daß ein der Einwirkung der Schwere ganz entzogener ringförmiger
electrischer Strom sich senkrecht auf die Richtung der Neigungs-
nadel zu stellen strebt und zwar so, daß der von der nördlichen
Seite der Neigungsnadel herabsteigende Strom an der östlichen
Seite liegt; es kömmt also darauf an, zu sehen, ob diese Stellung
der electrischen Ströme der Voraussetzung von einem die Erde um-
kreisenden electrischen Strome entspricht. Ist dieser ringförmige
Strom nicht ganz genau in der Stellung, daß der von Norden
herabwärts gehende Strom an der Ostseite liegt, so wird er als
ein dem Erd-Aequator sich nähernder Strom auf diesem zurück-

*) Wie es sich für Experimente, die in der südlichen Halbkugel der
Erde angestellt würden, verhält, läßt sich leicht übersehen.
III. K

Da hier weder ein andrer electriſcher Strom hervorgebracht
iſt, noch auch ein Magnet einwirkt, ſo werden wir auf electriſche
Stroͤme, welche die Erde ſelbſt umkreiſen moͤgen und die vermuth-
lich die Urſache der magnetiſchen Erſcheinungen enthalten, gefuͤhrt.
Nach Ampère ſollen wir uns die Erde als mit electriſchen
Stroͤmen um die Gegend des Aequators von Oſten nach Weſten
umkreiſet vorſtellen, und wir muͤſſen nun ſehen, ob dieſe Hypo-
theſe den Erſcheinungen entſpricht. Da ein horizontaler electriſcher
Strom, der von einem Mittelpuncte ausgehend nach Suͤden ge-
richtet iſt, gegen den Aequator zu geht, ſo wird die Anziehung
der nachfolgenden, alſo oͤſtlichen Theile des den Aequator umkrei-
ſenden Stromes, dieſen Strom oder die Nadel, welche er durchlaͤuft,
von Suͤden nach Oſten ziehen; dagegen wird die nach Norden
gerichtete, den Strom vom Aequator abwaͤrts leitende Nadel von
Norden nach Weſten, den vorangehenden Stromtheilen folgend
angezogen; die nach Oſten gerichtete Nadel wird, weil ihr Strom
dem Strome des Aequators entgegengeſetzt iſt, abgeſtoßen nach
Norden fortgehen, und in allen Lagen alſo wird die Nadel, in
welcher der Strom vom Mittelpuncte aus geht, eine drehende
Bewegung von Norden nach Weſten, Suͤden, Oſten, erlangen.
Der entgegengeſetzte Fall erhellt dann von ſelbſt *).

Aber auch die Lagen, in welchen kreisfoͤrmige electriſche Stroͤme
vermoͤge der Einwirkung der Erde zur Ruhe kommen, ſtimmen
mit dieſer Hypotheſe uͤberein. Wir haben naͤmlich oben geſehen,
daß ein der Einwirkung der Schwere ganz entzogener ringfoͤrmiger
electriſcher Strom ſich ſenkrecht auf die Richtung der Neigungs-
nadel zu ſtellen ſtrebt und zwar ſo, daß der von der noͤrdlichen
Seite der Neigungsnadel herabſteigende Strom an der oͤſtlichen
Seite liegt; es koͤmmt alſo darauf an, zu ſehen, ob dieſe Stellung
der electriſchen Stroͤme der Vorausſetzung von einem die Erde um-
kreiſenden electriſchen Strome entſpricht. Iſt dieſer ringfoͤrmige
Strom nicht ganz genau in der Stellung, daß der von Norden
herabwaͤrts gehende Strom an der Oſtſeite liegt, ſo wird er als
ein dem Erd-Aequator ſich naͤhernder Strom auf dieſem zuruͤck-

*) Wie es ſich fuͤr Experimente, die in der ſuͤdlichen Halbkugel der
Erde angeſtellt wuͤrden, verhaͤlt, laͤßt ſich leicht uͤberſehen.
III. K
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0527" n="513"/>
          <p>Da hier weder ein andrer electri&#x017F;cher Strom hervorgebracht<lb/>
i&#x017F;t, noch auch ein Magnet einwirkt, &#x017F;o werden wir auf electri&#x017F;che<lb/>
Stro&#x0364;me, welche die Erde &#x017F;elb&#x017F;t umkrei&#x017F;en mo&#x0364;gen und die vermuth-<lb/>
lich die Ur&#x017F;ache der magneti&#x017F;chen Er&#x017F;cheinungen enthalten, gefu&#x0364;hrt.<lb/>
Nach <hi rendition="#g">Ampère</hi> &#x017F;ollen wir uns die Erde als mit electri&#x017F;chen<lb/>
Stro&#x0364;men um die Gegend des Aequators von O&#x017F;ten nach We&#x017F;ten<lb/>
umkrei&#x017F;et vor&#x017F;tellen, und wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en nun &#x017F;ehen, ob die&#x017F;e Hypo-<lb/>
the&#x017F;e den Er&#x017F;cheinungen ent&#x017F;pricht. Da ein horizontaler electri&#x017F;cher<lb/>
Strom, der von einem Mittelpuncte ausgehend nach Su&#x0364;den ge-<lb/>
richtet i&#x017F;t, gegen den Aequator zu geht, &#x017F;o wird die Anziehung<lb/>
der nachfolgenden, al&#x017F;o o&#x0364;&#x017F;tlichen Theile des den Aequator umkrei-<lb/>
&#x017F;enden Stromes, die&#x017F;en Strom oder die Nadel, welche er durchla&#x0364;uft,<lb/>
von Su&#x0364;den nach O&#x017F;ten ziehen; dagegen wird die nach Norden<lb/>
gerichtete, den Strom vom Aequator abwa&#x0364;rts leitende Nadel von<lb/>
Norden nach We&#x017F;ten, den vorangehenden Stromtheilen folgend<lb/>
angezogen; die nach O&#x017F;ten gerichtete Nadel wird, weil ihr Strom<lb/>
dem Strome des Aequators entgegenge&#x017F;etzt i&#x017F;t, abge&#x017F;toßen nach<lb/>
Norden fortgehen, und in allen Lagen al&#x017F;o wird die Nadel, in<lb/>
welcher der Strom vom Mittelpuncte aus geht, eine drehende<lb/>
Bewegung von Norden nach We&#x017F;ten, Su&#x0364;den, O&#x017F;ten, erlangen.<lb/>
Der entgegenge&#x017F;etzte Fall erhellt dann von &#x017F;elb&#x017F;t <note place="foot" n="*)">Wie es &#x017F;ich fu&#x0364;r Experimente, die in der &#x017F;u&#x0364;dlichen Halbkugel der<lb/>
Erde ange&#x017F;tellt wu&#x0364;rden, verha&#x0364;lt, la&#x0364;ßt &#x017F;ich leicht u&#x0364;ber&#x017F;ehen.</note>.</p><lb/>
          <p>Aber auch die Lagen, in welchen kreisfo&#x0364;rmige electri&#x017F;che Stro&#x0364;me<lb/>
vermo&#x0364;ge der Einwirkung der Erde zur Ruhe kommen, &#x017F;timmen<lb/>
mit die&#x017F;er Hypothe&#x017F;e u&#x0364;berein. Wir haben na&#x0364;mlich oben ge&#x017F;ehen,<lb/>
daß ein der Einwirkung der Schwere ganz entzogener ringfo&#x0364;rmiger<lb/>
electri&#x017F;cher Strom &#x017F;ich &#x017F;enkrecht auf die Richtung der Neigungs-<lb/>
nadel zu &#x017F;tellen &#x017F;trebt und zwar &#x017F;o, daß der von der no&#x0364;rdlichen<lb/>
Seite der Neigungsnadel herab&#x017F;teigende Strom an der o&#x0364;&#x017F;tlichen<lb/>
Seite liegt; es ko&#x0364;mmt al&#x017F;o darauf an, zu &#x017F;ehen, ob die&#x017F;e Stellung<lb/>
der electri&#x017F;chen Stro&#x0364;me der Voraus&#x017F;etzung von einem die Erde um-<lb/>
krei&#x017F;enden electri&#x017F;chen Strome ent&#x017F;pricht. I&#x017F;t die&#x017F;er ringfo&#x0364;rmige<lb/>
Strom nicht ganz genau in der Stellung, daß der von Norden<lb/>
herabwa&#x0364;rts gehende Strom an der O&#x017F;t&#x017F;eite liegt, &#x017F;o wird er als<lb/>
ein dem Erd-Aequator &#x017F;ich na&#x0364;hernder Strom auf die&#x017F;em zuru&#x0364;ck-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">III.</hi></hi> K</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[513/0527] Da hier weder ein andrer electriſcher Strom hervorgebracht iſt, noch auch ein Magnet einwirkt, ſo werden wir auf electriſche Stroͤme, welche die Erde ſelbſt umkreiſen moͤgen und die vermuth- lich die Urſache der magnetiſchen Erſcheinungen enthalten, gefuͤhrt. Nach Ampère ſollen wir uns die Erde als mit electriſchen Stroͤmen um die Gegend des Aequators von Oſten nach Weſten umkreiſet vorſtellen, und wir muͤſſen nun ſehen, ob dieſe Hypo- theſe den Erſcheinungen entſpricht. Da ein horizontaler electriſcher Strom, der von einem Mittelpuncte ausgehend nach Suͤden ge- richtet iſt, gegen den Aequator zu geht, ſo wird die Anziehung der nachfolgenden, alſo oͤſtlichen Theile des den Aequator umkrei- ſenden Stromes, dieſen Strom oder die Nadel, welche er durchlaͤuft, von Suͤden nach Oſten ziehen; dagegen wird die nach Norden gerichtete, den Strom vom Aequator abwaͤrts leitende Nadel von Norden nach Weſten, den vorangehenden Stromtheilen folgend angezogen; die nach Oſten gerichtete Nadel wird, weil ihr Strom dem Strome des Aequators entgegengeſetzt iſt, abgeſtoßen nach Norden fortgehen, und in allen Lagen alſo wird die Nadel, in welcher der Strom vom Mittelpuncte aus geht, eine drehende Bewegung von Norden nach Weſten, Suͤden, Oſten, erlangen. Der entgegengeſetzte Fall erhellt dann von ſelbſt *). Aber auch die Lagen, in welchen kreisfoͤrmige electriſche Stroͤme vermoͤge der Einwirkung der Erde zur Ruhe kommen, ſtimmen mit dieſer Hypotheſe uͤberein. Wir haben naͤmlich oben geſehen, daß ein der Einwirkung der Schwere ganz entzogener ringfoͤrmiger electriſcher Strom ſich ſenkrecht auf die Richtung der Neigungs- nadel zu ſtellen ſtrebt und zwar ſo, daß der von der noͤrdlichen Seite der Neigungsnadel herabſteigende Strom an der oͤſtlichen Seite liegt; es koͤmmt alſo darauf an, zu ſehen, ob dieſe Stellung der electriſchen Stroͤme der Vorausſetzung von einem die Erde um- kreiſenden electriſchen Strome entſpricht. Iſt dieſer ringfoͤrmige Strom nicht ganz genau in der Stellung, daß der von Norden herabwaͤrts gehende Strom an der Oſtſeite liegt, ſo wird er als ein dem Erd-Aequator ſich naͤhernder Strom auf dieſem zuruͤck- *) Wie es ſich fuͤr Experimente, die in der ſuͤdlichen Halbkugel der Erde angeſtellt wuͤrden, verhaͤlt, laͤßt ſich leicht uͤberſehen. III. K

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/527
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/527>, abgerufen am 29.03.2024.