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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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könnten, hin geleitet werden, und jener eine Strom kann nur
als die wichtigsten Erscheinungen darstellend, wenn es auf Kleinig-
keiten noch nicht ankömmt, oder als eine erste Annäherung zu
den wirklichen Ursachen der Erscheinungen angesehen werden.

Wichtiger sind die Einwürfe, welche das innere Wesen des
Magnetes betreffen. Sind auch alle Erscheinungen so, als ob
jene umkreisenden Ströme vorhanden wären, so wird es uns doch
schwer, kann man mit Recht sagen, uns diese jedes Element um-
kreisenden Ströme als wirklich zu denken; wir begreifen nicht, wie
diese Ströme, in unendlicher Nähe bei einander, in entgegen-
gesetzten Richtungen neben einander hin gehend, sich nicht zerstören;
wir begreifen nicht, wie sie im Eisen plötzlich erzeugt und plötzlich
vernichtet oder in entgegengesetzte verwandelt werden, warum sie
im Stahle dauernd sind, warum sie in andern Körpern, die die
Electricität weder besser noch schlechter leiten, gar nicht so ent-
stehen, wie es zur Hervorbringung eines Magnetes nöthig ist.
Diesen Einwürfen kann man wohl nichts anderes entgegensetzen,
als daß wir überall, wo wir das innere Wesen der Körper erfor-
schen wollen, auf ähnliche Dunkelheiten gerathen, daß auch die
andre Vorstellung von kleinen magnetischen Partikeln, die wir
uns, um die Erscheinungen besser zu übersehen, machten, gar nicht
frei von Schwierigkeiten ist, und daß die Lehre vom Lichte und von
der Wärme, wenn wir nach der eigentlichen Beschaffenheit der
Lichtmaterie, der Wärmematerie, fragen, uns eben solche Schwie-
rigkeiten darbietet. Diese Schwierigkeiten wegzuräumen, hat Am-
pere
sich nicht bemüht, sondern sein eigentliches Bestreben ist nur
auf eine mathematische Darstellung der sich wirklich deutlich zeigen-
den Erscheinungen gerichtet gewesen, die er so durchgeführt hat,
daß er wohl nicht mit Unrecht behauptet, jede künftige Hypothese
werde sich an seine Formeln anschließen müssen, weil diese mit
strenger Genauigkeit allen Thatsachen entsprechen.

Auf den Einwurf, warum denn der Magnet uns nie elec-
trische Erscheinungen gezeigt habe, komme ich künftig noch zurück.

Was andre Theorien betrifft, so hat noch keine eine Anwen-
dung auf alle Erscheinungen gestattet. Am meisten Beifall schien
die Meinung zu verdienen, welche den electrischen Leitungsdrath
als einen Transversalmagnet betrachtet. Man versteht unter einem

koͤnnten, hin geleitet werden, und jener eine Strom kann nur
als die wichtigſten Erſcheinungen darſtellend, wenn es auf Kleinig-
keiten noch nicht ankoͤmmt, oder als eine erſte Annaͤherung zu
den wirklichen Urſachen der Erſcheinungen angeſehen werden.

Wichtiger ſind die Einwuͤrfe, welche das innere Weſen des
Magnetes betreffen. Sind auch alle Erſcheinungen ſo, als ob
jene umkreiſenden Stroͤme vorhanden waͤren, ſo wird es uns doch
ſchwer, kann man mit Recht ſagen, uns dieſe jedes Element um-
kreiſenden Stroͤme als wirklich zu denken; wir begreifen nicht, wie
dieſe Stroͤme, in unendlicher Naͤhe bei einander, in entgegen-
geſetzten Richtungen neben einander hin gehend, ſich nicht zerſtoͤren;
wir begreifen nicht, wie ſie im Eiſen ploͤtzlich erzeugt und ploͤtzlich
vernichtet oder in entgegengeſetzte verwandelt werden, warum ſie
im Stahle dauernd ſind, warum ſie in andern Koͤrpern, die die
Electricitaͤt weder beſſer noch ſchlechter leiten, gar nicht ſo ent-
ſtehen, wie es zur Hervorbringung eines Magnetes noͤthig iſt.
Dieſen Einwuͤrfen kann man wohl nichts anderes entgegenſetzen,
als daß wir uͤberall, wo wir das innere Weſen der Koͤrper erfor-
ſchen wollen, auf aͤhnliche Dunkelheiten gerathen, daß auch die
andre Vorſtellung von kleinen magnetiſchen Partikeln, die wir
uns, um die Erſcheinungen beſſer zu uͤberſehen, machten, gar nicht
frei von Schwierigkeiten iſt, und daß die Lehre vom Lichte und von
der Waͤrme, wenn wir nach der eigentlichen Beſchaffenheit der
Lichtmaterie, der Waͤrmematerie, fragen, uns eben ſolche Schwie-
rigkeiten darbietet. Dieſe Schwierigkeiten wegzuraͤumen, hat Am-
père
ſich nicht bemuͤht, ſondern ſein eigentliches Beſtreben iſt nur
auf eine mathematiſche Darſtellung der ſich wirklich deutlich zeigen-
den Erſcheinungen gerichtet geweſen, die er ſo durchgefuͤhrt hat,
daß er wohl nicht mit Unrecht behauptet, jede kuͤnftige Hypotheſe
werde ſich an ſeine Formeln anſchließen muͤſſen, weil dieſe mit
ſtrenger Genauigkeit allen Thatſachen entſprechen.

Auf den Einwurf, warum denn der Magnet uns nie elec-
triſche Erſcheinungen gezeigt habe, komme ich kuͤnftig noch zuruͤck.

Was andre Theorien betrifft, ſo hat noch keine eine Anwen-
dung auf alle Erſcheinungen geſtattet. Am meiſten Beifall ſchien
die Meinung zu verdienen, welche den electriſchen Leitungsdrath
als einen Transverſalmagnet betrachtet. Man verſteht unter einem

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[516/0530] koͤnnten, hin geleitet werden, und jener eine Strom kann nur als die wichtigſten Erſcheinungen darſtellend, wenn es auf Kleinig- keiten noch nicht ankoͤmmt, oder als eine erſte Annaͤherung zu den wirklichen Urſachen der Erſcheinungen angeſehen werden. Wichtiger ſind die Einwuͤrfe, welche das innere Weſen des Magnetes betreffen. Sind auch alle Erſcheinungen ſo, als ob jene umkreiſenden Stroͤme vorhanden waͤren, ſo wird es uns doch ſchwer, kann man mit Recht ſagen, uns dieſe jedes Element um- kreiſenden Stroͤme als wirklich zu denken; wir begreifen nicht, wie dieſe Stroͤme, in unendlicher Naͤhe bei einander, in entgegen- geſetzten Richtungen neben einander hin gehend, ſich nicht zerſtoͤren; wir begreifen nicht, wie ſie im Eiſen ploͤtzlich erzeugt und ploͤtzlich vernichtet oder in entgegengeſetzte verwandelt werden, warum ſie im Stahle dauernd ſind, warum ſie in andern Koͤrpern, die die Electricitaͤt weder beſſer noch ſchlechter leiten, gar nicht ſo ent- ſtehen, wie es zur Hervorbringung eines Magnetes noͤthig iſt. Dieſen Einwuͤrfen kann man wohl nichts anderes entgegenſetzen, als daß wir uͤberall, wo wir das innere Weſen der Koͤrper erfor- ſchen wollen, auf aͤhnliche Dunkelheiten gerathen, daß auch die andre Vorſtellung von kleinen magnetiſchen Partikeln, die wir uns, um die Erſcheinungen beſſer zu uͤberſehen, machten, gar nicht frei von Schwierigkeiten iſt, und daß die Lehre vom Lichte und von der Waͤrme, wenn wir nach der eigentlichen Beſchaffenheit der Lichtmaterie, der Waͤrmematerie, fragen, uns eben ſolche Schwie- rigkeiten darbietet. Dieſe Schwierigkeiten wegzuraͤumen, hat Am- père ſich nicht bemuͤht, ſondern ſein eigentliches Beſtreben iſt nur auf eine mathematiſche Darſtellung der ſich wirklich deutlich zeigen- den Erſcheinungen gerichtet geweſen, die er ſo durchgefuͤhrt hat, daß er wohl nicht mit Unrecht behauptet, jede kuͤnftige Hypotheſe werde ſich an ſeine Formeln anſchließen muͤſſen, weil dieſe mit ſtrenger Genauigkeit allen Thatſachen entſprechen. Auf den Einwurf, warum denn der Magnet uns nie elec- triſche Erſcheinungen gezeigt habe, komme ich kuͤnftig noch zuruͤck. Was andre Theorien betrifft, ſo hat noch keine eine Anwen- dung auf alle Erſcheinungen geſtattet. Am meiſten Beifall ſchien die Meinung zu verdienen, welche den electriſchen Leitungsdrath als einen Transverſalmagnet betrachtet. Man verſteht unter einem

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/530>, abgerufen am 18.04.2024.