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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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betragen, aber so schnell vorübergehend, daß an eine Messung mit
dem Thermometer nicht zu denken wäre *).

Auch wenn die Wärme selbst eine Ausdehnung der festen
Körper hervorbringt, so findet dabei eine Zunahme der specifischen
Wärme statt, und Eisen, das schon bis 350 Grad erwärmt ist,
bedarf eine größere Wärmemenge, um sich bis 360 Gr. zu erwär-
men, als Eisen von 50 Gr. nöthig hat, um die Wärme von 60
Gr. zu erlangen. Der Unterschied beträgt so viel, daß in jenem
Falle 8 Pfund Eisen ungefähr so viel Wärme als in diesem
Falle 9 Pfund Eisen fordern, wenn sie sich um einen Grad
erhitzen sollen.

Aus diesem Grunde sind die Bestimmungen höherer Tempera-
turen, die man durch Mischung oder durch Eintauchen in einen
flüssigen Körper erhält, unsicher; denn wenn man zum Beispiel
1 Pfund glühendes Kupfer in 10 Pfund Wasser von 0° Wärme
tauchte und dadurch die Wärme des Wassers um 10 Gr. steigen
sähe, so würde man schließen, 1 Pfund Wasser hätte sich auf 100
Grad erhitzen müssen, und weil kaltes Kupfer etwa nur so viel
Wärme als Wasser fordert, um gleiche Temperaturgrade zu erlan-
gen, so würde man dem glühenden Kupfer eine Wärme von 1000
Grad beilegen, damit ein Wärmeverlust von 900 Grad beim
Kupfer und ein Wärmegewinn von 100 Gr. beim Wasser eine
gemeinschaftliche Wärme von 100 Gr. hervorbringe; wenn aber die
specifische Wärme des erhitzten Kupfers größer, zum Beispiel ,
wäre, so würde eben jener Versuch die Hitze des glühenden Kupfers
nur 800 Gr. angeben, nämlich 700 Gr. Wärmeverlust zu 100 Gr.
Wärmegewinn. So ist also dieses sehr passend scheinende und oft
fast einzig anwendbare Mittel, um sehr hohe Temperaturen abzu-
messen, doch nur in sehr weiten Grenzen brauchbar, und lehrt uns
die Hitze glühender Körper und ähnliche hohe Wärmegrade nicht
genau kennen, ja selbst die Mischungen gleicher Massen ungleich
erwärmter aber gleichartiger Körper geben nicht im allerstrengsten
Sinne ein Maaß wahrer Wärme.

*) Poggend. Annal. XX.
179.

betragen, aber ſo ſchnell voruͤbergehend, daß an eine Meſſung mit
dem Thermometer nicht zu denken waͤre *).

Auch wenn die Waͤrme ſelbſt eine Ausdehnung der feſten
Koͤrper hervorbringt, ſo findet dabei eine Zunahme der ſpecifiſchen
Waͤrme ſtatt, und Eiſen, das ſchon bis 350 Grad erwaͤrmt iſt,
bedarf eine groͤßere Waͤrmemenge, um ſich bis 360 Gr. zu erwaͤr-
men, als Eiſen von 50 Gr. noͤthig hat, um die Waͤrme von 60
Gr. zu erlangen. Der Unterſchied betraͤgt ſo viel, daß in jenem
Falle 8 Pfund Eiſen ungefaͤhr ſo viel Waͤrme als in dieſem
Falle 9 Pfund Eiſen fordern, wenn ſie ſich um einen Grad
erhitzen ſollen.

Aus dieſem Grunde ſind die Beſtimmungen hoͤherer Tempera-
turen, die man durch Miſchung oder durch Eintauchen in einen
fluͤſſigen Koͤrper erhaͤlt, unſicher; denn wenn man zum Beiſpiel
1 Pfund gluͤhendes Kupfer in 10 Pfund Waſſer von 0° Waͤrme
tauchte und dadurch die Waͤrme des Waſſers um 10 Gr. ſteigen
ſaͤhe, ſo wuͤrde man ſchließen, 1 Pfund Waſſer haͤtte ſich auf 100
Grad erhitzen muͤſſen, und weil kaltes Kupfer etwa nur ſo viel
Waͤrme als Waſſer fordert, um gleiche Temperaturgrade zu erlan-
gen, ſo wuͤrde man dem gluͤhenden Kupfer eine Waͤrme von 1000
Grad beilegen, damit ein Waͤrmeverluſt von 900 Grad beim
Kupfer und ein Waͤrmegewinn von 100 Gr. beim Waſſer eine
gemeinſchaftliche Waͤrme von 100 Gr. hervorbringe; wenn aber die
ſpecifiſche Waͤrme des erhitzten Kupfers groͤßer, zum Beiſpiel ,
waͤre, ſo wuͤrde eben jener Verſuch die Hitze des gluͤhenden Kupfers
nur 800 Gr. angeben, naͤmlich 700 Gr. Waͤrmeverluſt zu 100 Gr.
Waͤrmegewinn. So iſt alſo dieſes ſehr paſſend ſcheinende und oft
faſt einzig anwendbare Mittel, um ſehr hohe Temperaturen abzu-
meſſen, doch nur in ſehr weiten Grenzen brauchbar, und lehrt uns
die Hitze gluͤhender Koͤrper und aͤhnliche hohe Waͤrmegrade nicht
genau kennen, ja ſelbſt die Miſchungen gleicher Maſſen ungleich
erwaͤrmter aber gleichartiger Koͤrper geben nicht im allerſtrengſten
Sinne ein Maaß wahrer Waͤrme.

*) Poggend. Annal. XX.
179.
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[80/0094] betragen, aber ſo ſchnell voruͤbergehend, daß an eine Meſſung mit dem Thermometer nicht zu denken waͤre *). Auch wenn die Waͤrme ſelbſt eine Ausdehnung der feſten Koͤrper hervorbringt, ſo findet dabei eine Zunahme der ſpecifiſchen Waͤrme ſtatt, und Eiſen, das ſchon bis 350 Grad erwaͤrmt iſt, bedarf eine groͤßere Waͤrmemenge, um ſich bis 360 Gr. zu erwaͤr- men, als Eiſen von 50 Gr. noͤthig hat, um die Waͤrme von 60 Gr. zu erlangen. Der Unterſchied betraͤgt ſo viel, daß in jenem Falle 8 Pfund Eiſen ungefaͤhr ſo viel Waͤrme als in dieſem Falle 9 Pfund Eiſen fordern, wenn ſie ſich um einen Grad erhitzen ſollen. Aus dieſem Grunde ſind die Beſtimmungen hoͤherer Tempera- turen, die man durch Miſchung oder durch Eintauchen in einen fluͤſſigen Koͤrper erhaͤlt, unſicher; denn wenn man zum Beiſpiel 1 Pfund gluͤhendes Kupfer in 10 Pfund Waſſer von 0° Waͤrme tauchte und dadurch die Waͤrme des Waſſers um 10 Gr. ſteigen ſaͤhe, ſo wuͤrde man ſchließen, 1 Pfund Waſſer haͤtte ſich auf 100 Grad erhitzen muͤſſen, und weil kaltes Kupfer etwa nur [FORMEL] ſo viel Waͤrme als Waſſer fordert, um gleiche Temperaturgrade zu erlan- gen, ſo wuͤrde man dem gluͤhenden Kupfer eine Waͤrme von 1000 Grad beilegen, damit ein Waͤrmeverluſt von 900 Grad beim Kupfer und ein Waͤrmegewinn von 100 Gr. beim Waſſer eine gemeinſchaftliche Waͤrme von 100 Gr. hervorbringe; wenn aber die ſpecifiſche Waͤrme des erhitzten Kupfers groͤßer, zum Beiſpiel [FORMEL], waͤre, ſo wuͤrde eben jener Verſuch die Hitze des gluͤhenden Kupfers nur 800 Gr. angeben, naͤmlich 700 Gr. Waͤrmeverluſt zu 100 Gr. Waͤrmegewinn. So iſt alſo dieſes ſehr paſſend ſcheinende und oft faſt einzig anwendbare Mittel, um ſehr hohe Temperaturen abzu- meſſen, doch nur in ſehr weiten Grenzen brauchbar, und lehrt uns die Hitze gluͤhender Koͤrper und aͤhnliche hohe Waͤrmegrade nicht genau kennen, ja ſelbſt die Miſchungen gleicher Maſſen ungleich erwaͤrmter aber gleichartiger Koͤrper geben nicht im allerſtrengſten Sinne ein Maaß wahrer Waͤrme. *) Poggend. Annal. XX. 179.

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/94>, abgerufen am 29.03.2024.