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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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Erregung von Wärme durch Reiben. Feuerschlagen.

Aber selbst viel bekanntere Erscheinungen sind noch ebenso
wenig erklärt. Es ist eine unter den ungebildetsten Völkern be-
kannte, seit Jahrtausenden bekannte, Erfahrung, daß Reibung
zweier Körper an einander Wärme hervorbringt; unser Feuerschla-
gen ist ein solches Mittel, Wärme zu entwickeln; bei Maschinen,
selbst bei Wagenrädern, kann ein Brennen durch zu starke Reibung
entstehen; manche Völker bringen das Entzünden durch Reiben
von Hölzern hervor. Es ist also die Erscheinung deutlich genug,
daß beim Reiben Wärme frei wird. Da bei plötzlichem Zusammen-
pressen, beim Hämmern und in ähnlichen Fällen eben das geschieht,
so ist der Schluß nicht ganz unangemessen, daß bei der Aenderung
des Volumens der festen Körper, so wie bei den Luft-Arten, die
Wärmecapacität verändert wird, durch Druck Wärme frei wird.
Diese Hypothese läßt sich vertheidigen; denn da wir gar nicht wissen,
welche sehr große Menge Wärmestoff vielleicht noch selbst in den
Körpern vorhanden ist, die eine niedrige Temperatur haben, so
enthält es nichts Ungereimtes, wenn wir sagen, indem diese Wärme
auch nur aus den an der Oberfläche liegenden Theilchen ausgetrie-
ben wird, mache sie sich als fühlbare Wärme kenntlich, und da die
Zuleitung von innen her immer neue Wärme darbietet, so können
diese Wärme-Erzeugungen fast unerschöpflich fortdauern. Um
diese Hypothese durchzuführen, steht es uns frei, jenen Vorrath an
Wärmestoff, der in den Körpern vorhanden ist, überaus groß anzu-
nehmen, indem es keine Erfahrung giebt, die darin unsern Voraus-
setzungen Grenzen setzte. Aber obgleich sich so die Hypothese wohl
glaublich machen läßt, so darf man doch auch nicht verhehlen, daß
sie sich auf gänzlich ungewisse Behauptungen stützt, und daß sie
daher auch gar wohl ganz irrig sein kann. Auffallend ist hier
schon die sehr große Wärme, die beinahe augenblicklich hervorgeht,
und die Unerschöpflichkeit dieser Wärmequelle. Sind es auch beim
Feuerschlagen nur sehr kleine Stahltheilchen, die glühend werden,
und ist also der Wärme-Aufwand auch nur diesen kleinen Massen
entsprechend, so ist doch auch die Zahl der bei einem leichten Schlage
comprimirten Theile ebenfalls geringe, und diese wenigen in ihrem
Volumen veränderten Theile müssen jene Wärme hergegeben haben.
Und diese Wärme-Erzeugung geht unvermindert vor, wie lange

F2
Erregung von Waͤrme durch Reiben. Feuerſchlagen.

Aber ſelbſt viel bekanntere Erſcheinungen ſind noch ebenſo
wenig erklaͤrt. Es iſt eine unter den ungebildetſten Voͤlkern be-
kannte, ſeit Jahrtauſenden bekannte, Erfahrung, daß Reibung
zweier Koͤrper an einander Waͤrme hervorbringt; unſer Feuerſchla-
gen iſt ein ſolches Mittel, Waͤrme zu entwickeln; bei Maſchinen,
ſelbſt bei Wagenraͤdern, kann ein Brennen durch zu ſtarke Reibung
entſtehen; manche Voͤlker bringen das Entzuͤnden durch Reiben
von Hoͤlzern hervor. Es iſt alſo die Erſcheinung deutlich genug,
daß beim Reiben Waͤrme frei wird. Da bei ploͤtzlichem Zuſammen-
preſſen, beim Haͤmmern und in aͤhnlichen Faͤllen eben das geſchieht,
ſo iſt der Schluß nicht ganz unangemeſſen, daß bei der Aenderung
des Volumens der feſten Koͤrper, ſo wie bei den Luft-Arten, die
Waͤrmecapacitaͤt veraͤndert wird, durch Druck Waͤrme frei wird.
Dieſe Hypotheſe laͤßt ſich vertheidigen; denn da wir gar nicht wiſſen,
welche ſehr große Menge Waͤrmeſtoff vielleicht noch ſelbſt in den
Koͤrpern vorhanden iſt, die eine niedrige Temperatur haben, ſo
enthaͤlt es nichts Ungereimtes, wenn wir ſagen, indem dieſe Waͤrme
auch nur aus den an der Oberflaͤche liegenden Theilchen ausgetrie-
ben wird, mache ſie ſich als fuͤhlbare Waͤrme kenntlich, und da die
Zuleitung von innen her immer neue Waͤrme darbietet, ſo koͤnnen
dieſe Waͤrme-Erzeugungen faſt unerſchoͤpflich fortdauern. Um
dieſe Hypotheſe durchzufuͤhren, ſteht es uns frei, jenen Vorrath an
Waͤrmeſtoff, der in den Koͤrpern vorhanden iſt, uͤberaus groß anzu-
nehmen, indem es keine Erfahrung giebt, die darin unſern Voraus-
ſetzungen Grenzen ſetzte. Aber obgleich ſich ſo die Hypotheſe wohl
glaublich machen laͤßt, ſo darf man doch auch nicht verhehlen, daß
ſie ſich auf gaͤnzlich ungewiſſe Behauptungen ſtuͤtzt, und daß ſie
daher auch gar wohl ganz irrig ſein kann. Auffallend iſt hier
ſchon die ſehr große Waͤrme, die beinahe augenblicklich hervorgeht,
und die Unerſchoͤpflichkeit dieſer Waͤrmequelle. Sind es auch beim
Feuerſchlagen nur ſehr kleine Stahltheilchen, die gluͤhend werden,
und iſt alſo der Waͤrme-Aufwand auch nur dieſen kleinen Maſſen
entſprechend, ſo iſt doch auch die Zahl der bei einem leichten Schlage
comprimirten Theile ebenfalls geringe, und dieſe wenigen in ihrem
Volumen veraͤnderten Theile muͤſſen jene Waͤrme hergegeben haben.
Und dieſe Waͤrme-Erzeugung geht unvermindert vor, wie lange

F2
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[83/0097] Erregung von Waͤrme durch Reiben. Feuerſchlagen. Aber ſelbſt viel bekanntere Erſcheinungen ſind noch ebenſo wenig erklaͤrt. Es iſt eine unter den ungebildetſten Voͤlkern be- kannte, ſeit Jahrtauſenden bekannte, Erfahrung, daß Reibung zweier Koͤrper an einander Waͤrme hervorbringt; unſer Feuerſchla- gen iſt ein ſolches Mittel, Waͤrme zu entwickeln; bei Maſchinen, ſelbſt bei Wagenraͤdern, kann ein Brennen durch zu ſtarke Reibung entſtehen; manche Voͤlker bringen das Entzuͤnden durch Reiben von Hoͤlzern hervor. Es iſt alſo die Erſcheinung deutlich genug, daß beim Reiben Waͤrme frei wird. Da bei ploͤtzlichem Zuſammen- preſſen, beim Haͤmmern und in aͤhnlichen Faͤllen eben das geſchieht, ſo iſt der Schluß nicht ganz unangemeſſen, daß bei der Aenderung des Volumens der feſten Koͤrper, ſo wie bei den Luft-Arten, die Waͤrmecapacitaͤt veraͤndert wird, durch Druck Waͤrme frei wird. Dieſe Hypotheſe laͤßt ſich vertheidigen; denn da wir gar nicht wiſſen, welche ſehr große Menge Waͤrmeſtoff vielleicht noch ſelbſt in den Koͤrpern vorhanden iſt, die eine niedrige Temperatur haben, ſo enthaͤlt es nichts Ungereimtes, wenn wir ſagen, indem dieſe Waͤrme auch nur aus den an der Oberflaͤche liegenden Theilchen ausgetrie- ben wird, mache ſie ſich als fuͤhlbare Waͤrme kenntlich, und da die Zuleitung von innen her immer neue Waͤrme darbietet, ſo koͤnnen dieſe Waͤrme-Erzeugungen faſt unerſchoͤpflich fortdauern. Um dieſe Hypotheſe durchzufuͤhren, ſteht es uns frei, jenen Vorrath an Waͤrmeſtoff, der in den Koͤrpern vorhanden iſt, uͤberaus groß anzu- nehmen, indem es keine Erfahrung giebt, die darin unſern Voraus- ſetzungen Grenzen ſetzte. Aber obgleich ſich ſo die Hypotheſe wohl glaublich machen laͤßt, ſo darf man doch auch nicht verhehlen, daß ſie ſich auf gaͤnzlich ungewiſſe Behauptungen ſtuͤtzt, und daß ſie daher auch gar wohl ganz irrig ſein kann. Auffallend iſt hier ſchon die ſehr große Waͤrme, die beinahe augenblicklich hervorgeht, und die Unerſchoͤpflichkeit dieſer Waͤrmequelle. Sind es auch beim Feuerſchlagen nur ſehr kleine Stahltheilchen, die gluͤhend werden, und iſt alſo der Waͤrme-Aufwand auch nur dieſen kleinen Maſſen entſprechend, ſo iſt doch auch die Zahl der bei einem leichten Schlage comprimirten Theile ebenfalls geringe, und dieſe wenigen in ihrem Volumen veraͤnderten Theile muͤſſen jene Waͤrme hergegeben haben. Und dieſe Waͤrme-Erzeugung geht unvermindert vor, wie lange F2

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/97>, abgerufen am 24.04.2024.