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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Eigenschaften. Körperbeschreibung. Verbreitung.
Ohren sind klein, kurz und sehr gerundet, die Nasenlöcher weiter geöffnet und die Rachenhöhle minder
tief gespalten, als bei Meister Petz. An den Beinen sitzen blos mittellange, dicke und krumme Krallen;
der Schwanz ist sehr kurz, dick und stumpf, kaum aus dem Pelze hervorragend. Die Behaarung ist
lang, zottig, reich und dicht, jedoch viel kürzer, als der Pelz des im heißen Jndien lebenden Lippenbären
oder der großen Vettern im Norden der Erde. Sie besteht aus kurzer Wolle und aus schlichten,
feinen, gläuzenden, weichen und fast wolligen Grannen, welche am Kopfe, Hals und Rücken am
kürzesten und am Hintertheile, an dem Bauche und den Beinen am längsten sind; auch die Sohlen sind
mit diesen Haaren bekleidet. Auf den Lippen und über den Augen besinden sich wenige Borstenhaare;
den Augenlidern fehlen die Wimpern. Mit Ausnahme eines dunklen Ringes um die Augen, des
nackten Nasenendes, der Lippenränder und der Krallen, trägt der Eisbär ein Schneekleid, welches bei
[Abbildung] Der Eis- oder Polarbär (Thalassarctos polaris).
den jungen Thieren von reinem Silberweiß ist, bei älteren aber -- wie man annimmt, in Folge der
thranigen Nahrung -- einen gelblichen Anflug bekommt. Die Jahreszeit übt nicht den geringsten
Einfluß auf die Färbung aus.

Der Eisbär bewohnt den höchsten Norden der Erde, den eigentlichen Eisgürtel des Pols, und
findet sich blos da, wo das Wasser einen großen Theil des Jahres hindurch oder beständig, wenigstens
theilweise, zu Eis erstarrt. Wie weit er nach Norden hinaufgeht, konnte bisher noch nicht ermittelt
werden; soweit der Mensch aber in jenen unwirthlichen Gegenden vordrang, hat er dieses Thier als
lebensfrischen Bewohner des lebensfeindlichen Erdgürtels gefunden, während es nach Süden hin
blos ausnahmsweise noch unter dem 55. Grade nördlicher Breite bemerkt worden ist. Der Eisbär
gehört keinem der drei nördlichen Erdtheile ausschließlich, sondern allen nördlichen Erdtheilen ge-

Eigenſchaften. Körperbeſchreibung. Verbreitung.
Ohren ſind klein, kurz und ſehr gerundet, die Naſenlöcher weiter geöffnet und die Rachenhöhle minder
tief geſpalten, als bei Meiſter Petz. An den Beinen ſitzen blos mittellange, dicke und krumme Krallen;
der Schwanz iſt ſehr kurz, dick und ſtumpf, kaum aus dem Pelze hervorragend. Die Behaarung iſt
lang, zottig, reich und dicht, jedoch viel kürzer, als der Pelz des im heißen Jndien lebenden Lippenbären
oder der großen Vettern im Norden der Erde. Sie beſteht aus kurzer Wolle und aus ſchlichten,
feinen, gläuzenden, weichen und faſt wolligen Grannen, welche am Kopfe, Hals und Rücken am
kürzeſten und am Hintertheile, an dem Bauche und den Beinen am längſten ſind; auch die Sohlen ſind
mit dieſen Haaren bekleidet. Auf den Lippen und über den Augen beſinden ſich wenige Borſtenhaare;
den Augenlidern fehlen die Wimpern. Mit Ausnahme eines dunklen Ringes um die Augen, des
nackten Naſenendes, der Lippenränder und der Krallen, trägt der Eisbär ein Schneekleid, welches bei
[Abbildung] Der Eis- oder Polarbär (Thalassarctos polaris).
den jungen Thieren von reinem Silberweiß iſt, bei älteren aber — wie man annimmt, in Folge der
thranigen Nahrung — einen gelblichen Anflug bekommt. Die Jahreszeit übt nicht den geringſten
Einfluß auf die Färbung aus.

Der Eisbär bewohnt den höchſten Norden der Erde, den eigentlichen Eisgürtel des Pols, und
findet ſich blos da, wo das Waſſer einen großen Theil des Jahres hindurch oder beſtändig, wenigſtens
theilweiſe, zu Eis erſtarrt. Wie weit er nach Norden hinaufgeht, konnte bisher noch nicht ermittelt
werden; ſoweit der Menſch aber in jenen unwirthlichen Gegenden vordrang, hat er dieſes Thier als
lebensfriſchen Bewohner des lebensfeindlichen Erdgürtels gefunden, während es nach Süden hin
blos ausnahmsweiſe noch unter dem 55. Grade nördlicher Breite bemerkt worden iſt. Der Eisbär
gehört keinem der drei nördlichen Erdtheile ausſchließlich, ſondern allen nördlichen Erdtheilen ge-

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[615/0693] Eigenſchaften. Körperbeſchreibung. Verbreitung. Ohren ſind klein, kurz und ſehr gerundet, die Naſenlöcher weiter geöffnet und die Rachenhöhle minder tief geſpalten, als bei Meiſter Petz. An den Beinen ſitzen blos mittellange, dicke und krumme Krallen; der Schwanz iſt ſehr kurz, dick und ſtumpf, kaum aus dem Pelze hervorragend. Die Behaarung iſt lang, zottig, reich und dicht, jedoch viel kürzer, als der Pelz des im heißen Jndien lebenden Lippenbären oder der großen Vettern im Norden der Erde. Sie beſteht aus kurzer Wolle und aus ſchlichten, feinen, gläuzenden, weichen und faſt wolligen Grannen, welche am Kopfe, Hals und Rücken am kürzeſten und am Hintertheile, an dem Bauche und den Beinen am längſten ſind; auch die Sohlen ſind mit dieſen Haaren bekleidet. Auf den Lippen und über den Augen beſinden ſich wenige Borſtenhaare; den Augenlidern fehlen die Wimpern. Mit Ausnahme eines dunklen Ringes um die Augen, des nackten Naſenendes, der Lippenränder und der Krallen, trägt der Eisbär ein Schneekleid, welches bei [Abbildung Der Eis- oder Polarbär (Thalassarctos polaris).] den jungen Thieren von reinem Silberweiß iſt, bei älteren aber — wie man annimmt, in Folge der thranigen Nahrung — einen gelblichen Anflug bekommt. Die Jahreszeit übt nicht den geringſten Einfluß auf die Färbung aus. Der Eisbär bewohnt den höchſten Norden der Erde, den eigentlichen Eisgürtel des Pols, und findet ſich blos da, wo das Waſſer einen großen Theil des Jahres hindurch oder beſtändig, wenigſtens theilweiſe, zu Eis erſtarrt. Wie weit er nach Norden hinaufgeht, konnte bisher noch nicht ermittelt werden; ſoweit der Menſch aber in jenen unwirthlichen Gegenden vordrang, hat er dieſes Thier als lebensfriſchen Bewohner des lebensfeindlichen Erdgürtels gefunden, während es nach Süden hin blos ausnahmsweiſe noch unter dem 55. Grade nördlicher Breite bemerkt worden iſt. Der Eisbär gehört keinem der drei nördlichen Erdtheile ausſchließlich, ſondern allen nördlichen Erdtheilen ge-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 615. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/693>, abgerufen am 19.04.2024.