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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Sirenen.
Funfzehnte Ordnung.
Die Sirenen (Sirenia).

Wer bei den Sirenen der Thierkundigen an jene Märchengestalten des Alterthums denken
will, welche, halb Weib, halb Fisch, die krystallenen Wogen des Meeres bewohnen und den armen
Erdensohn durch wunderbaren Gesang und noch wunderbarere Geberden, durch Neigen des Haup-
tes und glühende Blicke der Augen einladen, zu ihnen hinabzusteigen, mit ihnen zu spielen, zu
kosen und -- zu verderben: der wird sich freilich irren. Die Naturforscher haben bei unseren
Sirenen wieder einmal ihre Vorliebe für dichterische Namen bewiesen, ohne der Dichtung selbst
gerecht geworden zu sein. Der Name Sirenen paßt auf die zu schildernden Meerbewohner un-
gefähr ebensogut, wie der jener griechischen Baumnymphe Hamadryas auf einen der sonder-
barsten und wahrlich nur im Sinne eines Naturforschers schönen Affen. Wenn ich sage, daß
die Sirenen auch "Seekühe" genannt werden, dürfte jede etwa sich geltend machende dich-
terische Erregung meiner Leser schon etwas abgekühlt werden, und ein Blick auf unsere weiter
unten folgende Abbildung wird die beschäftigte Einbildungskraft wohl vollends in die rechten
Schranken weisen.

Unsere Sirenen oder Seekühe stehen so recht eigentlich zwischen den Seehunden und
Walen in der Mitte: sie verbinden die beiden genannten Ordnungen. Einige Naturforscher
haben sie den letzteren als besondere Abtheilung oder Familie zugezählt; die Unterschiede zwischen
ihnen und den eigentlichen Walen sind aber so groß, daß sich eine ganz abgesonderte Stellung der Si-
renen wohl rechtfertigt.

Die Ordnung in unserem Sinne ist arm; man kennt mit Sicherheit nur fünf Mitglieder. Alle
hierher gehörigen Thiere haben einen Leib, an welchem sich die Fischähnlichkeit mit der eines Dick-
häuters und vorzugsweise des Nilpferdes zu streiten scheint. Blos zwei und zwar die vorderen
Gliedmaßen sind noch vorhanden; aber sie sind bereits zu echten Flossenbeinen geworden. Jhre Zehen
umhüllt die allgemeine Körperhaut so vollständig, daß alle Beweglichkeit der einzelnen Glieder aufge-
hoben wird. Nur ausnahmsweise deuten Spuren von Nägeln, welche sich finden, noch äußerlich
auf die innere Trennung der Hand. Der Schwanz, welcher zugleich die Hinterglieder mit vertritt,
endet in eine Finne. Ein kleiner Kopf mit dickwulstiger Schnauze und die spärliche, kurze und bor-
stenartige Behaarung kennzeichnen die Sirene noch anderweitig. Mit dem schönen Leib des Menschen-
weibes haben sie, die plumpen, ungeschlachten Thiere, nur insofern Etwas gemein, als die Zitzen auch
bei ihnen an der Brust (zwischen den Vorderflossen) liegen und mehr brüsteartig hervortreten, als bei
anderen Säugern. Es gehört sehr lebhafte und ungezügelte Einbildungskraft dazu, in diesen Thieren,
selbst wenn sie auch in weiter Ferne sich zeigen sollten, Seejungsrauen zu erblicken. Gleichwohl dürfte
nicht zu bezweifeln sein, daß wenigstens einer von ihnen, wahrscheinlich der indische Dujong, zur
Grundlage der Sage geworden ist; ihn wenigstens konnten die Alten leichter beobachten, als die See-
hunde, welche man gemeiniglich als die Urbilder jener Märchengestalten angesehen hat.

Unsere Ordnung zerfällt in zwei Familien, von denen die eine die eigentlichen Sirenen oder
Lamantine und die andere die Borkenthiere oder Seekühe umfaßt. Freilich ist dabei zu
bemerken, daß die Seekuh oder das Borkenthier -- denn man kennt nuk eine einzige Art dieser Fa-
milie -- heutigen Tags unter den lebenden Thieren nicht mehr aufgeführt werden darf.

Die eigentlichen Sirenen (Manati) lassen sich daran erkennen, daß ihre Kiefern gezähnt sind,
während das jedenfalls schon ausgestorbene Borkenthier anstatt der Zähne nur eine hornartige Kau-

Die Sirenen.
Funfzehnte Ordnung.
Die Sirenen (Sirenia).

Wer bei den Sirenen der Thierkundigen an jene Märchengeſtalten des Alterthums denken
will, welche, halb Weib, halb Fiſch, die kryſtallenen Wogen des Meeres bewohnen und den armen
Erdenſohn durch wunderbaren Geſang und noch wunderbarere Geberden, durch Neigen des Haup-
tes und glühende Blicke der Augen einladen, zu ihnen hinabzuſteigen, mit ihnen zu ſpielen, zu
koſen und — zu verderben: der wird ſich freilich irren. Die Naturforſcher haben bei unſeren
Sirenen wieder einmal ihre Vorliebe für dichteriſche Namen bewieſen, ohne der Dichtung ſelbſt
gerecht geworden zu ſein. Der Name Sirenen paßt auf die zu ſchildernden Meerbewohner un-
gefähr ebenſogut, wie der jener griechiſchen Baumnymphe Hamadryas auf einen der ſonder-
barſten und wahrlich nur im Sinne eines Naturforſchers ſchönen Affen. Wenn ich ſage, daß
die Sirenen auch „Seekühe‟ genannt werden, dürfte jede etwa ſich geltend machende dich-
teriſche Erregung meiner Leſer ſchon etwas abgekühlt werden, und ein Blick auf unſere weiter
unten folgende Abbildung wird die beſchäftigte Einbildungskraft wohl vollends in die rechten
Schranken weiſen.

Unſere Sirenen oder Seekühe ſtehen ſo recht eigentlich zwiſchen den Seehunden und
Walen in der Mitte: ſie verbinden die beiden genannten Ordnungen. Einige Naturforſcher
haben ſie den letzteren als beſondere Abtheilung oder Familie zugezählt; die Unterſchiede zwiſchen
ihnen und den eigentlichen Walen ſind aber ſo groß, daß ſich eine ganz abgeſonderte Stellung der Si-
renen wohl rechtfertigt.

Die Ordnung in unſerem Sinne iſt arm; man kennt mit Sicherheit nur fünf Mitglieder. Alle
hierher gehörigen Thiere haben einen Leib, an welchem ſich die Fiſchähnlichkeit mit der eines Dick-
häuters und vorzugsweiſe des Nilpferdes zu ſtreiten ſcheint. Blos zwei und zwar die vorderen
Gliedmaßen ſind noch vorhanden; aber ſie ſind bereits zu echten Floſſenbeinen geworden. Jhre Zehen
umhüllt die allgemeine Körperhaut ſo vollſtändig, daß alle Beweglichkeit der einzelnen Glieder aufge-
hoben wird. Nur ausnahmsweiſe deuten Spuren von Nägeln, welche ſich finden, noch äußerlich
auf die innere Trennung der Hand. Der Schwanz, welcher zugleich die Hinterglieder mit vertritt,
endet in eine Finne. Ein kleiner Kopf mit dickwulſtiger Schnauze und die ſpärliche, kurze und bor-
ſtenartige Behaarung kennzeichnen die Sirene noch anderweitig. Mit dem ſchönen Leib des Menſchen-
weibes haben ſie, die plumpen, ungeſchlachten Thiere, nur inſofern Etwas gemein, als die Zitzen auch
bei ihnen an der Bruſt (zwiſchen den Vorderfloſſen) liegen und mehr brüſteartig hervortreten, als bei
anderen Säugern. Es gehört ſehr lebhafte und ungezügelte Einbildungskraft dazu, in dieſen Thieren,
ſelbſt wenn ſie auch in weiter Ferne ſich zeigen ſollten, Seejungſrauen zu erblicken. Gleichwohl dürfte
nicht zu bezweifeln ſein, daß wenigſtens einer von ihnen, wahrſcheinlich der indiſche Dujong, zur
Grundlage der Sage geworden iſt; ihn wenigſtens konnten die Alten leichter beobachten, als die See-
hunde, welche man gemeiniglich als die Urbilder jener Märchengeſtalten angeſehen hat.

Unſere Ordnung zerfällt in zwei Familien, von denen die eine die eigentlichen Sirenen oder
Lamantine und die andere die Borkenthiere oder Seekühe umfaßt. Freilich iſt dabei zu
bemerken, daß die Seekuh oder das Borkenthier — denn man kennt nuk eine einzige Art dieſer Fa-
milie — heutigen Tags unter den lebenden Thieren nicht mehr aufgeführt werden darf.

Die eigentlichen Sirenen (Manati) laſſen ſich daran erkennen, daß ihre Kiefern gezähnt ſind,
während das jedenfalls ſchon ausgeſtorbene Borkenthier anſtatt der Zähne nur eine hornartige Kau-

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[813/0861] Die Sirenen. Funfzehnte Ordnung. Die Sirenen (Sirenia). Wer bei den Sirenen der Thierkundigen an jene Märchengeſtalten des Alterthums denken will, welche, halb Weib, halb Fiſch, die kryſtallenen Wogen des Meeres bewohnen und den armen Erdenſohn durch wunderbaren Geſang und noch wunderbarere Geberden, durch Neigen des Haup- tes und glühende Blicke der Augen einladen, zu ihnen hinabzuſteigen, mit ihnen zu ſpielen, zu koſen und — zu verderben: der wird ſich freilich irren. Die Naturforſcher haben bei unſeren Sirenen wieder einmal ihre Vorliebe für dichteriſche Namen bewieſen, ohne der Dichtung ſelbſt gerecht geworden zu ſein. Der Name Sirenen paßt auf die zu ſchildernden Meerbewohner un- gefähr ebenſogut, wie der jener griechiſchen Baumnymphe Hamadryas auf einen der ſonder- barſten und wahrlich nur im Sinne eines Naturforſchers ſchönen Affen. Wenn ich ſage, daß die Sirenen auch „Seekühe‟ genannt werden, dürfte jede etwa ſich geltend machende dich- teriſche Erregung meiner Leſer ſchon etwas abgekühlt werden, und ein Blick auf unſere weiter unten folgende Abbildung wird die beſchäftigte Einbildungskraft wohl vollends in die rechten Schranken weiſen. Unſere Sirenen oder Seekühe ſtehen ſo recht eigentlich zwiſchen den Seehunden und Walen in der Mitte: ſie verbinden die beiden genannten Ordnungen. Einige Naturforſcher haben ſie den letzteren als beſondere Abtheilung oder Familie zugezählt; die Unterſchiede zwiſchen ihnen und den eigentlichen Walen ſind aber ſo groß, daß ſich eine ganz abgeſonderte Stellung der Si- renen wohl rechtfertigt. Die Ordnung in unſerem Sinne iſt arm; man kennt mit Sicherheit nur fünf Mitglieder. Alle hierher gehörigen Thiere haben einen Leib, an welchem ſich die Fiſchähnlichkeit mit der eines Dick- häuters und vorzugsweiſe des Nilpferdes zu ſtreiten ſcheint. Blos zwei und zwar die vorderen Gliedmaßen ſind noch vorhanden; aber ſie ſind bereits zu echten Floſſenbeinen geworden. Jhre Zehen umhüllt die allgemeine Körperhaut ſo vollſtändig, daß alle Beweglichkeit der einzelnen Glieder aufge- hoben wird. Nur ausnahmsweiſe deuten Spuren von Nägeln, welche ſich finden, noch äußerlich auf die innere Trennung der Hand. Der Schwanz, welcher zugleich die Hinterglieder mit vertritt, endet in eine Finne. Ein kleiner Kopf mit dickwulſtiger Schnauze und die ſpärliche, kurze und bor- ſtenartige Behaarung kennzeichnen die Sirene noch anderweitig. Mit dem ſchönen Leib des Menſchen- weibes haben ſie, die plumpen, ungeſchlachten Thiere, nur inſofern Etwas gemein, als die Zitzen auch bei ihnen an der Bruſt (zwiſchen den Vorderfloſſen) liegen und mehr brüſteartig hervortreten, als bei anderen Säugern. Es gehört ſehr lebhafte und ungezügelte Einbildungskraft dazu, in dieſen Thieren, ſelbſt wenn ſie auch in weiter Ferne ſich zeigen ſollten, Seejungſrauen zu erblicken. Gleichwohl dürfte nicht zu bezweifeln ſein, daß wenigſtens einer von ihnen, wahrſcheinlich der indiſche Dujong, zur Grundlage der Sage geworden iſt; ihn wenigſtens konnten die Alten leichter beobachten, als die See- hunde, welche man gemeiniglich als die Urbilder jener Märchengeſtalten angeſehen hat. Unſere Ordnung zerfällt in zwei Familien, von denen die eine die eigentlichen Sirenen oder Lamantine und die andere die Borkenthiere oder Seekühe umfaßt. Freilich iſt dabei zu bemerken, daß die Seekuh oder das Borkenthier — denn man kennt nuk eine einzige Art dieſer Fa- milie — heutigen Tags unter den lebenden Thieren nicht mehr aufgeführt werden darf. Die eigentlichen Sirenen (Manati) laſſen ſich daran erkennen, daß ihre Kiefern gezähnt ſind, während das jedenfalls ſchon ausgeſtorbene Borkenthier anſtatt der Zähne nur eine hornartige Kau-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 813. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/861>, abgerufen am 25.04.2024.