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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Lebensweise. Unschädlichkeit.
sind erst im fünften Jahre ihres Lebens fortpflanzungsfähig, wachsen aber noch immer fort und
erreichen vielleicht erst im zehnten, zwölften Lebensjahre ihre vollkommene Größe; Salamander
bedürfen noch mehr Zeit, bis sie das äußerste Maß derselben erreicht haben, der Riesensalamander
Japans möglicherweise dreißig Jahre und mehr. Dafür aber währt ihr Leben auch, falls nicht ein
gewaltsamer Tod es kürzt, viele, viele Jahre, selbst unter Umständen, welche jedem anderen
Thiere den Tod bringen müssen. Es ist wahr, daß in Höhlen eingeschlossene Kröten am Leben
verblieben sind, falls nur etwas Feuchtigkeit und mit ihr eine geringe Menge von Nahrung eindrang;
es ist durch Beobachtung festgestellt worden, daß sie über Jahresfrist in künstlich für sie bereiteten
Höhlen zugebracht haben, ohne dem Mangel zu erliegen: ihre Zählebigkeit übertrifft also wirklich die
aller anderen Wirbelthiere. Von einzelnen Kriechthieren wissen wir, daß sich abgebrochene Glieder,
namentlich der Schwanz, bis zu einem gewissen Grade wieder ersetzen, d. h., daß ein Stummel sich
bildet, dessen Gestalt der des Schwanzes ähnelt, welcher sich aber dadurch von diesem unterscheidet,
daß er keine Wirbel hat; bei einzelnen Lurchen hingegen entstehen, wenn man sie verstümmelt, neue
Glieder mit Knochen und Gelenken, gleichviel ob das Thier alt oder jung, ob es sich im Larven- oder
im ausgebildeten Zustande befindet. Schneidet man ihnen ein Bein oder den Schwanz ab, so ersetzen
sich diese Theile wieder, obschon langsam, wiederholt man den Versuch, so hilft die Natur zum zweiten
Male nach. Verwundungen, an welchen andere Wirbelthiere unbedingt zu Grunde gehen würden,
behelligen die Lurche kaum; das Auge, welches man ihnen raubt, bildet sich von Neuem. Diese
Eigenschaft hat die uns zugänglichsten Arten der Klasse, insbesondere die Frösche zu Märtyrern der
Wissenschaft gemacht; an ihnen wurden und werden die Versuche angestellt, vor denen man der ver-
übten Grausamkeit halber zurückschrecken würde, wäre man wirklich berechtigt, von Grausamkeit bei
so gefühllosen Wesen zu reden. Ein Frosch, dem man das Rückgrat bloß gelegt, hüpft nach der fast
allen übrigen Wirbelthieren tödtlichen Verwundung scheinbar munter umher; ein Salamander, den
man in der fürchterlichsten Weise verstümmelt hat, lebt annähernd in derselben Weise fort als früher.
Nur von den niedersten Seethieren wird diese Ersatzfähigkeit noch übertroffen. Jn gleicher Weise
zeigt sich die Lebenszähigkeit wenigstens einzelner Arten der Klasse den Einwirkungen des Wetters
gegenüber. Ein Salamander kann im Wasser zu Eis gefrieren und thaut in der Wärme mit dem
Eisstücke wieder zum Leben auf; ein Molch kann in Folge langwährender Trockenheit zu einer
unförmlichen Masse einschrumpfen, an welcher man keine Regung wahrnimmt, und durch Befeuchten
mit Wasser doch wieder ins Leben zurückkehren. Ja, selbst im Magen ihrer Feinde noch leistet den
Lurchen diese Unverwüstlichkeit gute Dienste: aus getödteten und aufgeschnittenen Schlangen hervor
kriechen noch lebende Kröten, deren Hinterbeine bereits oder doch theilweise verdaut worden sind.



Unter dem Hasse, welchen die Kriechthiere mit Recht oder Unrecht erregten, haben auch die in so
mancher Hinsicht ähnelnden, bis in die neueste Zeit mit ihnen zusammengeworfenen Lurche zu leiden.
Kein einziger von ihnen ist schädlich, kein einziger im Stande, Unheil anzurichten: gleichwohl verfolgt
und tödtet sie die blinde Unkenntniß noch in unverantwortlicher Weise. Von uralten Zeiten her
haben sich auf unsere Tage Anschauungen vererbt, welche, obschon gänzlich ungerechtfertigt, selbst bei
sogenannten Gebildeten noch geglaubt werden. Während der einsichtsvolle Gärtner die Kröte hegt und
pflegt, der Engländer sie sogar zu Hunderten aufkauft, um seinen Garten von allerlei schädlichem
Geziefer zu reinigen, schlägt der Rohgeistige oder doch kenntnißlose Mensch das "häßliche" Thier todt,
wo er es findet, gleichsam als wolle er sich auf ein und dieselbe Stufe stellen mit dem Storche, welcher
an diesem Thiere eine uns fast unbegreifliche Mordlust bethätigt. Bei Dem, welcher beobachtet,
haben sich alle Lurche dieselbe Freundschaft und Zuneigung erworben, welche man allgemein nur den
Fröschen zollt, obschon die übrigen Klassenverwandten sie in demselben Grade verdienen wie letzt-

Lebensweiſe. Unſchädlichkeit.
ſind erſt im fünften Jahre ihres Lebens fortpflanzungsfähig, wachſen aber noch immer fort und
erreichen vielleicht erſt im zehnten, zwölften Lebensjahre ihre vollkommene Größe; Salamander
bedürfen noch mehr Zeit, bis ſie das äußerſte Maß derſelben erreicht haben, der Rieſenſalamander
Japans möglicherweiſe dreißig Jahre und mehr. Dafür aber währt ihr Leben auch, falls nicht ein
gewaltſamer Tod es kürzt, viele, viele Jahre, ſelbſt unter Umſtänden, welche jedem anderen
Thiere den Tod bringen müſſen. Es iſt wahr, daß in Höhlen eingeſchloſſene Kröten am Leben
verblieben ſind, falls nur etwas Feuchtigkeit und mit ihr eine geringe Menge von Nahrung eindrang;
es iſt durch Beobachtung feſtgeſtellt worden, daß ſie über Jahresfriſt in künſtlich für ſie bereiteten
Höhlen zugebracht haben, ohne dem Mangel zu erliegen: ihre Zählebigkeit übertrifft alſo wirklich die
aller anderen Wirbelthiere. Von einzelnen Kriechthieren wiſſen wir, daß ſich abgebrochene Glieder,
namentlich der Schwanz, bis zu einem gewiſſen Grade wieder erſetzen, d. h., daß ein Stummel ſich
bildet, deſſen Geſtalt der des Schwanzes ähnelt, welcher ſich aber dadurch von dieſem unterſcheidet,
daß er keine Wirbel hat; bei einzelnen Lurchen hingegen entſtehen, wenn man ſie verſtümmelt, neue
Glieder mit Knochen und Gelenken, gleichviel ob das Thier alt oder jung, ob es ſich im Larven- oder
im ausgebildeten Zuſtande befindet. Schneidet man ihnen ein Bein oder den Schwanz ab, ſo erſetzen
ſich dieſe Theile wieder, obſchon langſam, wiederholt man den Verſuch, ſo hilft die Natur zum zweiten
Male nach. Verwundungen, an welchen andere Wirbelthiere unbedingt zu Grunde gehen würden,
behelligen die Lurche kaum; das Auge, welches man ihnen raubt, bildet ſich von Neuem. Dieſe
Eigenſchaft hat die uns zugänglichſten Arten der Klaſſe, insbeſondere die Fröſche zu Märtyrern der
Wiſſenſchaft gemacht; an ihnen wurden und werden die Verſuche angeſtellt, vor denen man der ver-
übten Grauſamkeit halber zurückſchrecken würde, wäre man wirklich berechtigt, von Grauſamkeit bei
ſo gefühlloſen Weſen zu reden. Ein Froſch, dem man das Rückgrat bloß gelegt, hüpft nach der faſt
allen übrigen Wirbelthieren tödtlichen Verwundung ſcheinbar munter umher; ein Salamander, den
man in der fürchterlichſten Weiſe verſtümmelt hat, lebt annähernd in derſelben Weiſe fort als früher.
Nur von den niederſten Seethieren wird dieſe Erſatzfähigkeit noch übertroffen. Jn gleicher Weiſe
zeigt ſich die Lebenszähigkeit wenigſtens einzelner Arten der Klaſſe den Einwirkungen des Wetters
gegenüber. Ein Salamander kann im Waſſer zu Eis gefrieren und thaut in der Wärme mit dem
Eisſtücke wieder zum Leben auf; ein Molch kann in Folge langwährender Trockenheit zu einer
unförmlichen Maſſe einſchrumpfen, an welcher man keine Regung wahrnimmt, und durch Befeuchten
mit Waſſer doch wieder ins Leben zurückkehren. Ja, ſelbſt im Magen ihrer Feinde noch leiſtet den
Lurchen dieſe Unverwüſtlichkeit gute Dienſte: aus getödteten und aufgeſchnittenen Schlangen hervor
kriechen noch lebende Kröten, deren Hinterbeine bereits oder doch theilweiſe verdaut worden ſind.



Unter dem Haſſe, welchen die Kriechthiere mit Recht oder Unrecht erregten, haben auch die in ſo
mancher Hinſicht ähnelnden, bis in die neueſte Zeit mit ihnen zuſammengeworfenen Lurche zu leiden.
Kein einziger von ihnen iſt ſchädlich, kein einziger im Stande, Unheil anzurichten: gleichwohl verfolgt
und tödtet ſie die blinde Unkenntniß noch in unverantwortlicher Weiſe. Von uralten Zeiten her
haben ſich auf unſere Tage Anſchauungen vererbt, welche, obſchon gänzlich ungerechtfertigt, ſelbſt bei
ſogenannten Gebildeten noch geglaubt werden. Während der einſichtsvolle Gärtner die Kröte hegt und
pflegt, der Engländer ſie ſogar zu Hunderten aufkauft, um ſeinen Garten von allerlei ſchädlichem
Geziefer zu reinigen, ſchlägt der Rohgeiſtige oder doch kenntnißloſe Menſch das „häßliche“ Thier todt,
wo er es findet, gleichſam als wolle er ſich auf ein und dieſelbe Stufe ſtellen mit dem Storche, welcher
an dieſem Thiere eine uns faſt unbegreifliche Mordluſt bethätigt. Bei Dem, welcher beobachtet,
haben ſich alle Lurche dieſelbe Freundſchaft und Zuneigung erworben, welche man allgemein nur den
Fröſchen zollt, obſchon die übrigen Klaſſenverwandten ſie in demſelben Grade verdienen wie letzt-

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[363/0389] Lebensweiſe. Unſchädlichkeit. ſind erſt im fünften Jahre ihres Lebens fortpflanzungsfähig, wachſen aber noch immer fort und erreichen vielleicht erſt im zehnten, zwölften Lebensjahre ihre vollkommene Größe; Salamander bedürfen noch mehr Zeit, bis ſie das äußerſte Maß derſelben erreicht haben, der Rieſenſalamander Japans möglicherweiſe dreißig Jahre und mehr. Dafür aber währt ihr Leben auch, falls nicht ein gewaltſamer Tod es kürzt, viele, viele Jahre, ſelbſt unter Umſtänden, welche jedem anderen Thiere den Tod bringen müſſen. Es iſt wahr, daß in Höhlen eingeſchloſſene Kröten am Leben verblieben ſind, falls nur etwas Feuchtigkeit und mit ihr eine geringe Menge von Nahrung eindrang; es iſt durch Beobachtung feſtgeſtellt worden, daß ſie über Jahresfriſt in künſtlich für ſie bereiteten Höhlen zugebracht haben, ohne dem Mangel zu erliegen: ihre Zählebigkeit übertrifft alſo wirklich die aller anderen Wirbelthiere. Von einzelnen Kriechthieren wiſſen wir, daß ſich abgebrochene Glieder, namentlich der Schwanz, bis zu einem gewiſſen Grade wieder erſetzen, d. h., daß ein Stummel ſich bildet, deſſen Geſtalt der des Schwanzes ähnelt, welcher ſich aber dadurch von dieſem unterſcheidet, daß er keine Wirbel hat; bei einzelnen Lurchen hingegen entſtehen, wenn man ſie verſtümmelt, neue Glieder mit Knochen und Gelenken, gleichviel ob das Thier alt oder jung, ob es ſich im Larven- oder im ausgebildeten Zuſtande befindet. Schneidet man ihnen ein Bein oder den Schwanz ab, ſo erſetzen ſich dieſe Theile wieder, obſchon langſam, wiederholt man den Verſuch, ſo hilft die Natur zum zweiten Male nach. Verwundungen, an welchen andere Wirbelthiere unbedingt zu Grunde gehen würden, behelligen die Lurche kaum; das Auge, welches man ihnen raubt, bildet ſich von Neuem. Dieſe Eigenſchaft hat die uns zugänglichſten Arten der Klaſſe, insbeſondere die Fröſche zu Märtyrern der Wiſſenſchaft gemacht; an ihnen wurden und werden die Verſuche angeſtellt, vor denen man der ver- übten Grauſamkeit halber zurückſchrecken würde, wäre man wirklich berechtigt, von Grauſamkeit bei ſo gefühlloſen Weſen zu reden. Ein Froſch, dem man das Rückgrat bloß gelegt, hüpft nach der faſt allen übrigen Wirbelthieren tödtlichen Verwundung ſcheinbar munter umher; ein Salamander, den man in der fürchterlichſten Weiſe verſtümmelt hat, lebt annähernd in derſelben Weiſe fort als früher. Nur von den niederſten Seethieren wird dieſe Erſatzfähigkeit noch übertroffen. Jn gleicher Weiſe zeigt ſich die Lebenszähigkeit wenigſtens einzelner Arten der Klaſſe den Einwirkungen des Wetters gegenüber. Ein Salamander kann im Waſſer zu Eis gefrieren und thaut in der Wärme mit dem Eisſtücke wieder zum Leben auf; ein Molch kann in Folge langwährender Trockenheit zu einer unförmlichen Maſſe einſchrumpfen, an welcher man keine Regung wahrnimmt, und durch Befeuchten mit Waſſer doch wieder ins Leben zurückkehren. Ja, ſelbſt im Magen ihrer Feinde noch leiſtet den Lurchen dieſe Unverwüſtlichkeit gute Dienſte: aus getödteten und aufgeſchnittenen Schlangen hervor kriechen noch lebende Kröten, deren Hinterbeine bereits oder doch theilweiſe verdaut worden ſind. Unter dem Haſſe, welchen die Kriechthiere mit Recht oder Unrecht erregten, haben auch die in ſo mancher Hinſicht ähnelnden, bis in die neueſte Zeit mit ihnen zuſammengeworfenen Lurche zu leiden. Kein einziger von ihnen iſt ſchädlich, kein einziger im Stande, Unheil anzurichten: gleichwohl verfolgt und tödtet ſie die blinde Unkenntniß noch in unverantwortlicher Weiſe. Von uralten Zeiten her haben ſich auf unſere Tage Anſchauungen vererbt, welche, obſchon gänzlich ungerechtfertigt, ſelbſt bei ſogenannten Gebildeten noch geglaubt werden. Während der einſichtsvolle Gärtner die Kröte hegt und pflegt, der Engländer ſie ſogar zu Hunderten aufkauft, um ſeinen Garten von allerlei ſchädlichem Geziefer zu reinigen, ſchlägt der Rohgeiſtige oder doch kenntnißloſe Menſch das „häßliche“ Thier todt, wo er es findet, gleichſam als wolle er ſich auf ein und dieſelbe Stufe ſtellen mit dem Storche, welcher an dieſem Thiere eine uns faſt unbegreifliche Mordluſt bethätigt. Bei Dem, welcher beobachtet, haben ſich alle Lurche dieſelbe Freundſchaft und Zuneigung erworben, welche man allgemein nur den Fröſchen zollt, obſchon die übrigen Klaſſenverwandten ſie in demſelben Grade verdienen wie letzt-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/389>, abgerufen am 29.03.2024.