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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Wurzelfüßer.
Die Wurzelfüßer.


Wir halten uns zur Beobachtung niederer Seethiere an irgend einem Punkte der Gestade
des Mittelmeeres auf und haben an einem mit Algen bewachsenen Felsen eine kleine Portion
Pflanzen mit dem ihnen anhaftenden Sand und Schlamm in einem größeren Glasgefäß mit
reichlichem Wasser seit einigen Tagen auf dem Zimmer stehen. Alles gröbere Gethier, was ohne
Weiteres dem unbewaffneten Auge sichtbar und mit einer feinen Pincette gefaßt werden kann,
zierliche Rissoen-Schnecken, Krebschen, Würmer, sind möglichst entfernt worden, da unsre Absichten
auf andere Erscheinungen gerichtet sind. Jndem wir nun die Wand des Gefäßes mit der Loupe
abmustern, sehen wir da und dort ein bräunliches Körnchen haften und bemerken sogar an den
größeren Exemplaren, daß sie von einem zartesten Netz und Strahlenkranz leichter Fäden umgeben
sind. Vorsichtig wird einer der Körper unter das Mikroskop gebracht. Das Fadennetz ist zwar
zunächst verschwunden, es ist zurückgezogen in die eiförmige ziemlich clastische Schale, bei einiger
Geduld sehen wir es aber wieder zum Vorschein kommen. Der Abbildung, welche ich kürzlich
nach einer lebenden eiförmigen Gromie (Gromia oviformis) entworfen, füge ich die Beschreibung
eines der ausgezeichnetsten Kenner der Wurzelfüßer bei, Max Schultze, aus welcher das Wesen
dieser sonderbaren Geschöpfe klar hervorspringen wird.

"Nach einiger Zeit vollständiger Ruhe werden aus der einfach vorhandenen großen Oeffnung
der Schale seine Fäden einer farblosen, durchsichtigen, äußerst feinkörnigen Masse hervorgeschoben.
Die zuerst hervorkommenden suchen tastend umher, bis sie einen festen Körper (hier die Oberfläche
des Glases) gefunden haben, an welchem sie sich in die Länge ausdehnen, indem aus dem Jnnern
der Schale neue Masse nachfließt. Die ersten Fäden sind äußerst sein, bald entstehen jedoch auch
breitere, die wie die ersten in schnurgerader Richtung schnell an Länge zunehmen, auf ihrem
Wege sich oft unter spitzen Winkeln verästeln, mit nebenliegenden zusammenfließen, um ihren
Weg gemeinschaftlich fortzusetzen, bis sie, allmälig immer feiner werdend, eine Länge erreicht
haben, welche die des Thierkörpers um das 6- bis 8fache übertrifft. Haben sich die Fäden auf
diese Weise von der vor der Schalenöffnung nach und nach angehäuften größeren Masse fein-
körniger, farbloser, kontraktiler Substanz nach allen Richtungen ausgestreckt, so hört das Wachsen
der Fäden in die Länge allmälig auf. Dagegen werden jetzt die Verästelungen immer zahlreicher,
es bilden sich zwischen den nahe bei einander liegenden eine Menge von Brücken, welche bei fort-
währender Ortsveränderung allmälig ein proteisch veränderliches Maschensystem darstellen." Jch
schalte hier ein, daß, wenn das Thier bequem liegt und Zeit hat, es allmälig die ganze Außen-
fläche der Schale mit einer dünnen, oft netzförmig durchbrochenen Schichte der beweglichen Masse
umkleidet. "Wo an der Peripherie des Sarkodenetzes, wie wir das zarte Gewebe nennen wollen,
sich mehrere Fäden begegnen, bilden sich aus der stets nachfließenden Substanz oft breitere Platten
aus, von denen wieder nach mehreren Richtungen neue Fäden ausgehen. Betrachtet man die
Fäden genauer, so erkennt man in und an denselben strömende Körnchen, welche, aus dem Jnnern
der Schale hervorfließend, längs der Fäden ziemlich schnell nach der Peripherie vorrücken, am
Ende der Fäden angekommen umkehren und wieder zurückeilen. Da gleichzeitig jedoch immer neue
Kügelchenmassen nachströmen, so zeigt somit jeder Faden einen hin- und einen rücklaufenden Strom.
Jn den breiten Fäden, die zahlreiche Kügelchen enthalten, lassen sich die beiden Ströme stets gleich-
zeitig erkennen, in den seineren jedoch, deren Durchmesser oft geringer als der der Kügelchen ist,
sind diese seltener. Dieselben erscheinen hier auch nicht im Jnneren des feinen hyalinen Fadens
eingebettet, sondern laufen auf der Oberfläche desselben hin. Kommt ein solches Kügelchen auf

Die Wurzelfüßer.
Die Wurzelfüßer.


Wir halten uns zur Beobachtung niederer Seethiere an irgend einem Punkte der Geſtade
des Mittelmeeres auf und haben an einem mit Algen bewachſenen Felſen eine kleine Portion
Pflanzen mit dem ihnen anhaftenden Sand und Schlamm in einem größeren Glasgefäß mit
reichlichem Waſſer ſeit einigen Tagen auf dem Zimmer ſtehen. Alles gröbere Gethier, was ohne
Weiteres dem unbewaffneten Auge ſichtbar und mit einer feinen Pincette gefaßt werden kann,
zierliche Riſſoen-Schnecken, Krebschen, Würmer, ſind möglichſt entfernt worden, da unſre Abſichten
auf andere Erſcheinungen gerichtet ſind. Jndem wir nun die Wand des Gefäßes mit der Loupe
abmuſtern, ſehen wir da und dort ein bräunliches Körnchen haften und bemerken ſogar an den
größeren Exemplaren, daß ſie von einem zarteſten Netz und Strahlenkranz leichter Fäden umgeben
ſind. Vorſichtig wird einer der Körper unter das Mikroſkop gebracht. Das Fadennetz iſt zwar
zunächſt verſchwunden, es iſt zurückgezogen in die eiförmige ziemlich claſtiſche Schale, bei einiger
Geduld ſehen wir es aber wieder zum Vorſchein kommen. Der Abbildung, welche ich kürzlich
nach einer lebenden eiförmigen Gromie (Gromia oviformis) entworfen, füge ich die Beſchreibung
eines der ausgezeichnetſten Kenner der Wurzelfüßer bei, Max Schultze, aus welcher das Weſen
dieſer ſonderbaren Geſchöpfe klar hervorſpringen wird.

„Nach einiger Zeit vollſtändiger Ruhe werden aus der einfach vorhandenen großen Oeffnung
der Schale ſeine Fäden einer farbloſen, durchſichtigen, äußerſt feinkörnigen Maſſe hervorgeſchoben.
Die zuerſt hervorkommenden ſuchen taſtend umher, bis ſie einen feſten Körper (hier die Oberfläche
des Glaſes) gefunden haben, an welchem ſie ſich in die Länge ausdehnen, indem aus dem Jnnern
der Schale neue Maſſe nachfließt. Die erſten Fäden ſind äußerſt ſein, bald entſtehen jedoch auch
breitere, die wie die erſten in ſchnurgerader Richtung ſchnell an Länge zunehmen, auf ihrem
Wege ſich oft unter ſpitzen Winkeln veräſteln, mit nebenliegenden zuſammenfließen, um ihren
Weg gemeinſchaftlich fortzuſetzen, bis ſie, allmälig immer feiner werdend, eine Länge erreicht
haben, welche die des Thierkörpers um das 6- bis 8fache übertrifft. Haben ſich die Fäden auf
dieſe Weiſe von der vor der Schalenöffnung nach und nach angehäuften größeren Maſſe fein-
körniger, farbloſer, kontraktiler Subſtanz nach allen Richtungen ausgeſtreckt, ſo hört das Wachſen
der Fäden in die Länge allmälig auf. Dagegen werden jetzt die Veräſtelungen immer zahlreicher,
es bilden ſich zwiſchen den nahe bei einander liegenden eine Menge von Brücken, welche bei fort-
währender Ortsveränderung allmälig ein proteiſch veränderliches Maſchenſyſtem darſtellen.“ Jch
ſchalte hier ein, daß, wenn das Thier bequem liegt und Zeit hat, es allmälig die ganze Außen-
fläche der Schale mit einer dünnen, oft netzförmig durchbrochenen Schichte der beweglichen Maſſe
umkleidet. „Wo an der Peripherie des Sarkodenetzes, wie wir das zarte Gewebe nennen wollen,
ſich mehrere Fäden begegnen, bilden ſich aus der ſtets nachfließenden Subſtanz oft breitere Platten
aus, von denen wieder nach mehreren Richtungen neue Fäden ausgehen. Betrachtet man die
Fäden genauer, ſo erkennt man in und an denſelben ſtrömende Körnchen, welche, aus dem Jnnern
der Schale hervorfließend, längs der Fäden ziemlich ſchnell nach der Peripherie vorrücken, am
Ende der Fäden angekommen umkehren und wieder zurückeilen. Da gleichzeitig jedoch immer neue
Kügelchenmaſſen nachſtrömen, ſo zeigt ſomit jeder Faden einen hin- und einen rücklaufenden Strom.
Jn den breiten Fäden, die zahlreiche Kügelchen enthalten, laſſen ſich die beiden Ströme ſtets gleich-
zeitig erkennen, in den ſeineren jedoch, deren Durchmeſſer oft geringer als der der Kügelchen iſt,
ſind dieſe ſeltener. Dieſelben erſcheinen hier auch nicht im Jnneren des feinen hyalinen Fadens
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[1024/1082] Die Wurzelfüßer. Die Wurzelfüßer. Wir halten uns zur Beobachtung niederer Seethiere an irgend einem Punkte der Geſtade des Mittelmeeres auf und haben an einem mit Algen bewachſenen Felſen eine kleine Portion Pflanzen mit dem ihnen anhaftenden Sand und Schlamm in einem größeren Glasgefäß mit reichlichem Waſſer ſeit einigen Tagen auf dem Zimmer ſtehen. Alles gröbere Gethier, was ohne Weiteres dem unbewaffneten Auge ſichtbar und mit einer feinen Pincette gefaßt werden kann, zierliche Riſſoen-Schnecken, Krebschen, Würmer, ſind möglichſt entfernt worden, da unſre Abſichten auf andere Erſcheinungen gerichtet ſind. Jndem wir nun die Wand des Gefäßes mit der Loupe abmuſtern, ſehen wir da und dort ein bräunliches Körnchen haften und bemerken ſogar an den größeren Exemplaren, daß ſie von einem zarteſten Netz und Strahlenkranz leichter Fäden umgeben ſind. Vorſichtig wird einer der Körper unter das Mikroſkop gebracht. Das Fadennetz iſt zwar zunächſt verſchwunden, es iſt zurückgezogen in die eiförmige ziemlich claſtiſche Schale, bei einiger Geduld ſehen wir es aber wieder zum Vorſchein kommen. Der Abbildung, welche ich kürzlich nach einer lebenden eiförmigen Gromie (Gromia oviformis) entworfen, füge ich die Beſchreibung eines der ausgezeichnetſten Kenner der Wurzelfüßer bei, Max Schultze, aus welcher das Weſen dieſer ſonderbaren Geſchöpfe klar hervorſpringen wird. „Nach einiger Zeit vollſtändiger Ruhe werden aus der einfach vorhandenen großen Oeffnung der Schale ſeine Fäden einer farbloſen, durchſichtigen, äußerſt feinkörnigen Maſſe hervorgeſchoben. Die zuerſt hervorkommenden ſuchen taſtend umher, bis ſie einen feſten Körper (hier die Oberfläche des Glaſes) gefunden haben, an welchem ſie ſich in die Länge ausdehnen, indem aus dem Jnnern der Schale neue Maſſe nachfließt. Die erſten Fäden ſind äußerſt ſein, bald entſtehen jedoch auch breitere, die wie die erſten in ſchnurgerader Richtung ſchnell an Länge zunehmen, auf ihrem Wege ſich oft unter ſpitzen Winkeln veräſteln, mit nebenliegenden zuſammenfließen, um ihren Weg gemeinſchaftlich fortzuſetzen, bis ſie, allmälig immer feiner werdend, eine Länge erreicht haben, welche die des Thierkörpers um das 6- bis 8fache übertrifft. Haben ſich die Fäden auf dieſe Weiſe von der vor der Schalenöffnung nach und nach angehäuften größeren Maſſe fein- körniger, farbloſer, kontraktiler Subſtanz nach allen Richtungen ausgeſtreckt, ſo hört das Wachſen der Fäden in die Länge allmälig auf. Dagegen werden jetzt die Veräſtelungen immer zahlreicher, es bilden ſich zwiſchen den nahe bei einander liegenden eine Menge von Brücken, welche bei fort- währender Ortsveränderung allmälig ein proteiſch veränderliches Maſchenſyſtem darſtellen.“ Jch ſchalte hier ein, daß, wenn das Thier bequem liegt und Zeit hat, es allmälig die ganze Außen- fläche der Schale mit einer dünnen, oft netzförmig durchbrochenen Schichte der beweglichen Maſſe umkleidet. „Wo an der Peripherie des Sarkodenetzes, wie wir das zarte Gewebe nennen wollen, ſich mehrere Fäden begegnen, bilden ſich aus der ſtets nachfließenden Subſtanz oft breitere Platten aus, von denen wieder nach mehreren Richtungen neue Fäden ausgehen. Betrachtet man die Fäden genauer, ſo erkennt man in und an denſelben ſtrömende Körnchen, welche, aus dem Jnnern der Schale hervorfließend, längs der Fäden ziemlich ſchnell nach der Peripherie vorrücken, am Ende der Fäden angekommen umkehren und wieder zurückeilen. Da gleichzeitig jedoch immer neue Kügelchenmaſſen nachſtrömen, ſo zeigt ſomit jeder Faden einen hin- und einen rücklaufenden Strom. Jn den breiten Fäden, die zahlreiche Kügelchen enthalten, laſſen ſich die beiden Ströme ſtets gleich- zeitig erkennen, in den ſeineren jedoch, deren Durchmeſſer oft geringer als der der Kügelchen iſt, ſind dieſe ſeltener. Dieſelben erſcheinen hier auch nicht im Jnneren des feinen hyalinen Fadens eingebettet, ſondern laufen auf der Oberfläche deſſelben hin. Kommt ein ſolches Kügelchen auf

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 1024. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/1082>, abgerufen am 25.04.2024.