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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Ascidia. Clavellina. Botryllus.
sich nicht anders verhält, als ein Theil des Wirbelthierkörpers, der bisher für das ausschließliche
und daher eigentlich charakteristische Eigenthum der großen Abtheilung angesehen wurde, der auch
der Mensch seiner Leiblichkeit und Abstammung nach angehört. Dieß ist die sogenannte Rücken-
saite. Wenn bis dahin alle Anknüpfungspunkte fehlten, um den Stammbaum der Wirbelthiere
und damit unseren eigenen mit der niedrigeren Thierwelt in faktische Berührung zu bringen, so
ist Kowalevsky's Deutung ein Riesenschritt vorwärts, eine von jenen erwünschten und immer
sich einstellenden Bestätigungen, wenn es sich um die Erhärtung großer neuer wissenschaftlicher
Hypothesen, wie die Darwinische, handelt.

Eine Eintheilung der einfachen Ascidien in Sippen ist schon vor mehr als 50 Jahren von
dem verdienten Savigny bewerkstelligt worden, indem er sich theils an die lederartige oder
knorpelig durchscheinende Beschaffenheit der Körperdecke, theils und vorzüglich an die gefransten
Anhänge und Fühler hielt, welche die Kiemen- und die Auswurfsöffnung umgeben und zum
Vorschein kommen, sobald das Thier seinen stillen Gewohnheiten ungestört nachhängen und seine
einfachen Bedürfnisse befriedigen kann. Neben ihnen stehen gewöhnlich auch eine Anzahl rother
Punkte, welche etwas vorschnell als Augen bezeichnet worden sind. Es ist wahr, Nerven gehen
sowohl in diese Fühler als in unmittelbare Nähe der Augenpunkte, und es ist nicht unmöglich,
daß sie mit den Nerven zur Unterscheidung von Lichtabstufungen dienen. Alle Nerven aber
strahlen von einem, bei den durchscheinenden Ascidien schon mit unbewaffnetem Auge wahrnehm-
baren Nervenknoten aus, welcher zwischen den beiden Oeffnungen liegt.

Von der Häufigkeit mancher Arten haben wir uns oben überzeugt; ähnlich ist das Vorkommen
vieler anderen, und wer sich irgend mit dem Einsammeln von Seethieren vermittelst des Schlepp-
netzes abgegeben, hat sicher auf den meisten Erkursionen, wenn keine andere Beute, so doch
Ascidien mit nach Hause nehmen können.

Eine mit den einfachen Ascidien sehr eng zusammenhängende Gruppe ist diejenige der
geselligen Ascidien, wohin die in der Nordsee und den mehr nördlichen Meeren lebende
Clavellina lepadiformis. Die Geselligkeit derselben ist, wie man sieht, keine freiwillige. Der
Mantel entsendet wurzelartige Fortsätze, von welchen sich Knos-

[Abbildung] Clavellina lepadiformis.
Nat. Größe.
pen erheben, die nach und nach zu neuen Jndividnen heran-
wachsen, ohne sich von ihren Nachbarn und dem Stammthiere
zu trennen.

Jn weit innigerem Contact stehen aber die Jndividuen
derjenigen Sippen beisammen, welche die dritte Abtheilung, die
zusammengesetzten Ascidien bilden. Die Einzelthiere
sind in diesem Falle sehr unansehnlich, häufen sich aber un-
regelmäßig oder zu bestimmten Systemen geordnet in einer
gemeinsamen gallertigen oder knorpeligen Masse an. Die zu
einem Systeme gehörigen Jndividuen sind um eine gemein-
schaftliche Auswurfsöffnung gruppirt. Alle Meere, und nament-
lich auch die der gemäßigten Zone sind äußerst reich an diesen
Sippen, die man in allen Tiefenregionen auf Pflanzen,
Steinen, Muscheln u. a. angesiedelt trifft. Dabei zeichnen sie
sich durch schöne Färbungen aus, besonders diejenigen, welche sich rasen- und hautartig ausbreiten.
Jn nicht wenigen Arten enthält das Mantelgewebe und die gemeinsame Hülle unzählige mikroskopische
Kalksteinchen, wie deren ähnliche sowohl bei manchen Nacktschnecken als bei niedrigeren polypen-
artigen Thieren vorkommen. Da auch die Jndividuen dieser Stöcke hermaphroditischer Natur
sind, so ist natürlich die Entwicklung vom Ei bis zur Vollendung des Stockes ein sehr
komplicirter Vorgang. Zunächst geht aus dem Ei ein der Larve der einfachen Ascidien ganz
gleiches Wesen hervor, dasselbe bleibt aber nicht einfach, wenigstens bei den in regelmäßigere

Ascidia. Clavellina. Botryllus.
ſich nicht anders verhält, als ein Theil des Wirbelthierkörpers, der bisher für das ausſchließliche
und daher eigentlich charakteriſtiſche Eigenthum der großen Abtheilung angeſehen wurde, der auch
der Menſch ſeiner Leiblichkeit und Abſtammung nach angehört. Dieß iſt die ſogenannte Rücken-
ſaite. Wenn bis dahin alle Anknüpfungspunkte fehlten, um den Stammbaum der Wirbelthiere
und damit unſeren eigenen mit der niedrigeren Thierwelt in faktiſche Berührung zu bringen, ſo
iſt Kowalevsky’s Deutung ein Rieſenſchritt vorwärts, eine von jenen erwünſchten und immer
ſich einſtellenden Beſtätigungen, wenn es ſich um die Erhärtung großer neuer wiſſenſchaftlicher
Hypotheſen, wie die Darwiniſche, handelt.

Eine Eintheilung der einfachen Ascidien in Sippen iſt ſchon vor mehr als 50 Jahren von
dem verdienten Savigny bewerkſtelligt worden, indem er ſich theils an die lederartige oder
knorpelig durchſcheinende Beſchaffenheit der Körperdecke, theils und vorzüglich an die gefranſten
Anhänge und Fühler hielt, welche die Kiemen- und die Auswurfsöffnung umgeben und zum
Vorſchein kommen, ſobald das Thier ſeinen ſtillen Gewohnheiten ungeſtört nachhängen und ſeine
einfachen Bedürfniſſe befriedigen kann. Neben ihnen ſtehen gewöhnlich auch eine Anzahl rother
Punkte, welche etwas vorſchnell als Augen bezeichnet worden ſind. Es iſt wahr, Nerven gehen
ſowohl in dieſe Fühler als in unmittelbare Nähe der Augenpunkte, und es iſt nicht unmöglich,
daß ſie mit den Nerven zur Unterſcheidung von Lichtabſtufungen dienen. Alle Nerven aber
ſtrahlen von einem, bei den durchſcheinenden Ascidien ſchon mit unbewaffnetem Auge wahrnehm-
baren Nervenknoten aus, welcher zwiſchen den beiden Oeffnungen liegt.

Von der Häufigkeit mancher Arten haben wir uns oben überzeugt; ähnlich iſt das Vorkommen
vieler anderen, und wer ſich irgend mit dem Einſammeln von Seethieren vermittelſt des Schlepp-
netzes abgegeben, hat ſicher auf den meiſten Erkurſionen, wenn keine andere Beute, ſo doch
Ascidien mit nach Hauſe nehmen können.

Eine mit den einfachen Ascidien ſehr eng zuſammenhängende Gruppe iſt diejenige der
geſelligen Ascidien, wohin die in der Nordſee und den mehr nördlichen Meeren lebende
Clavellina lepadiformis. Die Geſelligkeit derſelben iſt, wie man ſieht, keine freiwillige. Der
Mantel entſendet wurzelartige Fortſätze, von welchen ſich Knos-

[Abbildung] Clavellina lepadiformis.
Nat. Größe.
pen erheben, die nach und nach zu neuen Jndividnen heran-
wachſen, ohne ſich von ihren Nachbarn und dem Stammthiere
zu trennen.

Jn weit innigerem Contact ſtehen aber die Jndividuen
derjenigen Sippen beiſammen, welche die dritte Abtheilung, die
zuſammengeſetzten Ascidien bilden. Die Einzelthiere
ſind in dieſem Falle ſehr unanſehnlich, häufen ſich aber un-
regelmäßig oder zu beſtimmten Syſtemen geordnet in einer
gemeinſamen gallertigen oder knorpeligen Maſſe an. Die zu
einem Syſteme gehörigen Jndividuen ſind um eine gemein-
ſchaftliche Auswurfsöffnung gruppirt. Alle Meere, und nament-
lich auch die der gemäßigten Zone ſind äußerſt reich an dieſen
Sippen, die man in allen Tiefenregionen auf Pflanzen,
Steinen, Muſcheln u. a. angeſiedelt trifft. Dabei zeichnen ſie
ſich durch ſchöne Färbungen aus, beſonders diejenigen, welche ſich raſen- und hautartig ausbreiten.
Jn nicht wenigen Arten enthält das Mantelgewebe und die gemeinſame Hülle unzählige mikroſkopiſche
Kalkſteinchen, wie deren ähnliche ſowohl bei manchen Nacktſchnecken als bei niedrigeren polypen-
artigen Thieren vorkommen. Da auch die Jndividuen dieſer Stöcke hermaphroditiſcher Natur
ſind, ſo iſt natürlich die Entwicklung vom Ei bis zur Vollendung des Stockes ein ſehr
komplicirter Vorgang. Zunächſt geht aus dem Ei ein der Larve der einfachen Ascidien ganz
gleiches Weſen hervor, daſſelbe bleibt aber nicht einfach, wenigſtens bei den in regelmäßigere

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[967/1015] Ascidia. Clavellina. Botryllus. ſich nicht anders verhält, als ein Theil des Wirbelthierkörpers, der bisher für das ausſchließliche und daher eigentlich charakteriſtiſche Eigenthum der großen Abtheilung angeſehen wurde, der auch der Menſch ſeiner Leiblichkeit und Abſtammung nach angehört. Dieß iſt die ſogenannte Rücken- ſaite. Wenn bis dahin alle Anknüpfungspunkte fehlten, um den Stammbaum der Wirbelthiere und damit unſeren eigenen mit der niedrigeren Thierwelt in faktiſche Berührung zu bringen, ſo iſt Kowalevsky’s Deutung ein Rieſenſchritt vorwärts, eine von jenen erwünſchten und immer ſich einſtellenden Beſtätigungen, wenn es ſich um die Erhärtung großer neuer wiſſenſchaftlicher Hypotheſen, wie die Darwiniſche, handelt. Eine Eintheilung der einfachen Ascidien in Sippen iſt ſchon vor mehr als 50 Jahren von dem verdienten Savigny bewerkſtelligt worden, indem er ſich theils an die lederartige oder knorpelig durchſcheinende Beſchaffenheit der Körperdecke, theils und vorzüglich an die gefranſten Anhänge und Fühler hielt, welche die Kiemen- und die Auswurfsöffnung umgeben und zum Vorſchein kommen, ſobald das Thier ſeinen ſtillen Gewohnheiten ungeſtört nachhängen und ſeine einfachen Bedürfniſſe befriedigen kann. Neben ihnen ſtehen gewöhnlich auch eine Anzahl rother Punkte, welche etwas vorſchnell als Augen bezeichnet worden ſind. Es iſt wahr, Nerven gehen ſowohl in dieſe Fühler als in unmittelbare Nähe der Augenpunkte, und es iſt nicht unmöglich, daß ſie mit den Nerven zur Unterſcheidung von Lichtabſtufungen dienen. Alle Nerven aber ſtrahlen von einem, bei den durchſcheinenden Ascidien ſchon mit unbewaffnetem Auge wahrnehm- baren Nervenknoten aus, welcher zwiſchen den beiden Oeffnungen liegt. Von der Häufigkeit mancher Arten haben wir uns oben überzeugt; ähnlich iſt das Vorkommen vieler anderen, und wer ſich irgend mit dem Einſammeln von Seethieren vermittelſt des Schlepp- netzes abgegeben, hat ſicher auf den meiſten Erkurſionen, wenn keine andere Beute, ſo doch Ascidien mit nach Hauſe nehmen können. Eine mit den einfachen Ascidien ſehr eng zuſammenhängende Gruppe iſt diejenige der geſelligen Ascidien, wohin die in der Nordſee und den mehr nördlichen Meeren lebende Clavellina lepadiformis. Die Geſelligkeit derſelben iſt, wie man ſieht, keine freiwillige. Der Mantel entſendet wurzelartige Fortſätze, von welchen ſich Knos- [Abbildung Clavellina lepadiformis. Nat. Größe.] pen erheben, die nach und nach zu neuen Jndividnen heran- wachſen, ohne ſich von ihren Nachbarn und dem Stammthiere zu trennen. Jn weit innigerem Contact ſtehen aber die Jndividuen derjenigen Sippen beiſammen, welche die dritte Abtheilung, die zuſammengeſetzten Ascidien bilden. Die Einzelthiere ſind in dieſem Falle ſehr unanſehnlich, häufen ſich aber un- regelmäßig oder zu beſtimmten Syſtemen geordnet in einer gemeinſamen gallertigen oder knorpeligen Maſſe an. Die zu einem Syſteme gehörigen Jndividuen ſind um eine gemein- ſchaftliche Auswurfsöffnung gruppirt. Alle Meere, und nament- lich auch die der gemäßigten Zone ſind äußerſt reich an dieſen Sippen, die man in allen Tiefenregionen auf Pflanzen, Steinen, Muſcheln u. a. angeſiedelt trifft. Dabei zeichnen ſie ſich durch ſchöne Färbungen aus, beſonders diejenigen, welche ſich raſen- und hautartig ausbreiten. Jn nicht wenigen Arten enthält das Mantelgewebe und die gemeinſame Hülle unzählige mikroſkopiſche Kalkſteinchen, wie deren ähnliche ſowohl bei manchen Nacktſchnecken als bei niedrigeren polypen- artigen Thieren vorkommen. Da auch die Jndividuen dieſer Stöcke hermaphroditiſcher Natur ſind, ſo iſt natürlich die Entwicklung vom Ei bis zur Vollendung des Stockes ein ſehr komplicirter Vorgang. Zunächſt geht aus dem Ei ein der Larve der einfachen Ascidien ganz gleiches Weſen hervor, daſſelbe bleibt aber nicht einfach, wenigſtens bei den in regelmäßigere

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 967. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/1015>, abgerufen am 24.04.2024.