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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.

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GOttes Grösse in den Wassern.
Jch habe zwar bereits vom Wasser was geschrieben;
Doch ist nur gar zu viel davon noch übrig blieben,
Das nicht berührrt war:
Drum stellt das Meer sich mir aufs neu zum Vorwurf dar,
Das seines Schöpfers Gröss' in seiner Grösse weiset,
Und Dessen Macht in jedem Tropfen preiset.
Ach GOtt! unendlichs All, Du Brunqvell aller Dinge,
Gib, daß ich noch einmal, was Dir gefällig, singe
Vom feuchten Element! Es sey, o GOtt, das Meer
Ein Spiegel abermal von Deiner Gröss' und Ehr!
Wie wunderbarlich weit, wie unbegreiflich groß,
Wie unergründlich tief ist doch des Meeres Schoß!
Wie dunkel ist sein Schlund, wie flüssig und wie dichte
Die rege Wasser-Welt! wie schwer ist das Gewichte
Des Wasser-Cörpers doch! was ist dem weiten Reich
Der ungemess'nen Tief' an Weit' und Grösse gleich?
Mir schwindelt recht, wenn ich es überdenke,
Und die fast bange Sele senke
Jn diesen finstern Pful, in dieses Abgrunds Gruft.
Mich schreckt von dieser schwarzen Kluft
Die unbegreifliche Gestalt: der Fluten Brausen
Erreg't mir, ob ichs gleich nicht hör', ein furchtbar Grausen.
Wie viele Wunder-Thier' und grosser Wallfisch' Heere
Sind in dem unbegrenzt- und Boden-losen Meere!
Mit welcher drengenden Gewalt,

Mit
L 2
GOttes Groͤſſe in den Waſſern.
Jch habe zwar bereits vom Waſſer was geſchrieben;
Doch iſt nur gar zu viel davon noch uͤbrig blieben,
Das nicht beruͤhrrt war:
Drum ſtellt das Meer ſich mir aufs neu zum Vorwurf dar,
Das ſeines Schoͤpfers Groͤſſ’ in ſeiner Groͤſſe weiſet,
Und Deſſen Macht in jedem Tropfen preiſet.
Ach GOtt! unendlichs All, Du Brunqvell aller Dinge,
Gib, daß ich noch einmal, was Dir gefaͤllig, ſinge
Vom feuchten Element! Es ſey, o GOtt, das Meer
Ein Spiegel abermal von Deiner Groͤſſ’ und Ehr!
Wie wunderbarlich weit, wie unbegreiflich groß,
Wie unergruͤndlich tief iſt doch des Meeres Schoß!
Wie dunkel iſt ſein Schlund, wie fluͤſſig und wie dichte
Die rege Waſſer-Welt! wie ſchwer iſt das Gewichte
Des Waſſer-Coͤrpers doch! was iſt dem weiten Reich
Der ungemeſſ’nen Tief’ an Weit’ und Groͤſſe gleich?
Mir ſchwindelt recht, wenn ich es uͤberdenke,
Und die faſt bange Sele ſenke
Jn dieſen finſtern Pful, in dieſes Abgrunds Gruft.
Mich ſchreckt von dieſer ſchwarzen Kluft
Die unbegreifliche Geſtalt: der Fluten Brauſen
Erreg’t mir, ob ichs gleich nicht hoͤr’, ein furchtbar Grauſen.
Wie viele Wunder-Thier’ und groſſer Wallfiſch’ Heere
Sind in dem unbegrenzt- und Boden-loſen Meere!
Mit welcher drengenden Gewalt,

Mit
L 2
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[163/0199] GOttes Groͤſſe in den Waſſern. Jch habe zwar bereits vom Waſſer was geſchrieben; Doch iſt nur gar zu viel davon noch uͤbrig blieben, Das nicht beruͤhrrt war: Drum ſtellt das Meer ſich mir aufs neu zum Vorwurf dar, Das ſeines Schoͤpfers Groͤſſ’ in ſeiner Groͤſſe weiſet, Und Deſſen Macht in jedem Tropfen preiſet. Ach GOtt! unendlichs All, Du Brunqvell aller Dinge, Gib, daß ich noch einmal, was Dir gefaͤllig, ſinge Vom feuchten Element! Es ſey, o GOtt, das Meer Ein Spiegel abermal von Deiner Groͤſſ’ und Ehr! Wie wunderbarlich weit, wie unbegreiflich groß, Wie unergruͤndlich tief iſt doch des Meeres Schoß! Wie dunkel iſt ſein Schlund, wie fluͤſſig und wie dichte Die rege Waſſer-Welt! wie ſchwer iſt das Gewichte Des Waſſer-Coͤrpers doch! was iſt dem weiten Reich Der ungemeſſ’nen Tief’ an Weit’ und Groͤſſe gleich? Mir ſchwindelt recht, wenn ich es uͤberdenke, Und die faſt bange Sele ſenke Jn dieſen finſtern Pful, in dieſes Abgrunds Gruft. Mich ſchreckt von dieſer ſchwarzen Kluft Die unbegreifliche Geſtalt: der Fluten Brauſen Erreg’t mir, ob ichs gleich nicht hoͤr’, ein furchtbar Grauſen. Wie viele Wunder-Thier’ und groſſer Wallfiſch’ Heere Sind in dem unbegrenzt- und Boden-loſen Meere! Mit welcher drengenden Gewalt, Mit L 2

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/199>, abgerufen am 19.03.2024.