Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.

Bild:
<< vorherige Seite
Kirsch-Blühte bey der Nacht.
Jch sahe mit betrachtendem Gemüte
Jüngst einen Kirsch-Baum, welcher blüh'te,
Jn küler Nacht beym Monden-Schein;
Jch glaubt', es könne nichts von gröss'rer Weisse seyn.
Es schien, ob wär' ein Schnee gefallen.
Ein jeder, auch der klein'ste, Ast
Trug gleichsam eine rechte Last
Von zierlich-weissen runden Ballen.
Es ist kein Schwan so weiß, da nemlich jedes Blat,
Jndem daselbst des Mondes sanftes Licht
Selbst durch die zarten Blätter bricht,
So gar den Schatten weiß und sonder Schwärze hat.
Unmöglich, dacht' ich, kann auf Erden
Was weissers ausgefunden werden.
Jndem ich nun bald hin bald her
Jm Schatten dieses Baumes gehe:
Sah' ich von ungefehr
Durch alle Bluhmen in die Höhe
Und ward noch einen weissern Schein,
Der tausend mal so weiß, der tausend mal so klar,
Fast halb darob erstaunt, gewahr.
Der Blühte Schnee schien schwarz zu seyn
Bey diesem weissen Glanz. Es fiel mir ins Gesicht
Von einem hellen Stern ein weisses Licht,
Das mir recht in die Sele stral'te.
Wie sehr ich mich an GOtt im Jrdischen ergetze,
Dacht' ich, hat Er dennoch weit grös're Schätze.
Die gröste Schönheit dieser Erden
Kann mit der himmlischen doch nicht verglichen werden.


Noch
Kirſch-Bluͤhte bey der Nacht.
Jch ſahe mit betrachtendem Gemuͤte
Juͤngſt einen Kirſch-Baum, welcher bluͤh’te,
Jn kuͤler Nacht beym Monden-Schein;
Jch glaubt’, es koͤnne nichts von groͤſſ’rer Weiſſe ſeyn.
Es ſchien, ob waͤr’ ein Schnee gefallen.
Ein jeder, auch der klein’ſte, Aſt
Trug gleichſam eine rechte Laſt
Von zierlich-weiſſen runden Ballen.
Es iſt kein Schwan ſo weiß, da nemlich jedes Blat,
Jndem daſelbſt des Mondes ſanftes Licht
Selbſt durch die zarten Blaͤtter bricht,
So gar den Schatten weiß und ſonder Schwaͤrze hat.
Unmoͤglich, dacht’ ich, kann auf Erden
Was weiſſers ausgefunden werden.
Jndem ich nun bald hin bald her
Jm Schatten dieſes Baumes gehe:
Sah’ ich von ungefehr
Durch alle Bluhmen in die Hoͤhe
Und ward noch einen weiſſern Schein,
Der tauſend mal ſo weiß, der tauſend mal ſo klar,
Faſt halb darob erſtaunt, gewahr.
Der Bluͤhte Schnee ſchien ſchwarz zu ſeyn
Bey dieſem weiſſen Glanz. Es fiel mir ins Geſicht
Von einem hellen Stern ein weiſſes Licht,
Das mir recht in die Sele ſtral’te.
Wie ſehr ich mich an GOtt im Jrdiſchen ergetze,
Dacht’ ich, hat Er dennoch weit groͤſ’re Schaͤtze.
Die groͤſte Schoͤnheit dieſer Erden
Kann mit der himmliſchen doch nicht verglichen werden.


Noch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0065" n="29"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Kir&#x017F;ch-Blu&#x0364;hte bey der Nacht.</hi> </head><lb/>
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">J</hi>ch &#x017F;ahe mit betrachtendem Gemu&#x0364;te</l><lb/>
            <l>Ju&#x0364;ng&#x017F;t einen Kir&#x017F;ch-Baum, welcher blu&#x0364;h&#x2019;te,</l><lb/>
            <l>Jn ku&#x0364;ler Nacht beym Monden-Schein;</l><lb/>
            <l>Jch glaubt&#x2019;, es ko&#x0364;nne nichts von gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;&#x2019;rer Wei&#x017F;&#x017F;e &#x017F;eyn.</l><lb/>
            <l>Es &#x017F;chien, ob wa&#x0364;r&#x2019; ein Schnee gefallen.</l><lb/>
            <l>Ein jeder, auch der klein&#x2019;&#x017F;te, A&#x017F;t</l><lb/>
            <l>Trug gleich&#x017F;am eine rechte La&#x017F;t</l><lb/>
            <l>Von zierlich-wei&#x017F;&#x017F;en runden Ballen.</l><lb/>
            <l>Es i&#x017F;t kein Schwan &#x017F;o weiß, da nemlich jedes Blat,</l><lb/>
            <l>Jndem da&#x017F;elb&#x017F;t des Mondes &#x017F;anftes Licht</l><lb/>
            <l>Selb&#x017F;t durch die zarten Bla&#x0364;tter bricht,</l><lb/>
            <l>So gar den Schatten weiß und &#x017F;onder Schwa&#x0364;rze hat.</l><lb/>
            <l>Unmo&#x0364;glich, dacht&#x2019; ich, kann auf Erden</l><lb/>
            <l>Was wei&#x017F;&#x017F;ers ausgefunden werden.</l><lb/>
            <l>Jndem ich nun bald hin bald her</l><lb/>
            <l>Jm Schatten die&#x017F;es Baumes gehe:</l><lb/>
            <l>Sah&#x2019; ich von ungefehr</l><lb/>
            <l>Durch alle Bluhmen in die Ho&#x0364;he</l><lb/>
            <l>Und ward noch einen wei&#x017F;&#x017F;ern Schein,</l><lb/>
            <l>Der tau&#x017F;end mal &#x017F;o weiß, der tau&#x017F;end mal &#x017F;o klar,</l><lb/>
            <l>Fa&#x017F;t halb darob er&#x017F;taunt, gewahr.</l><lb/>
            <l>Der Blu&#x0364;hte Schnee &#x017F;chien &#x017F;chwarz zu &#x017F;eyn</l><lb/>
            <l>Bey die&#x017F;em wei&#x017F;&#x017F;en Glanz. Es fiel mir ins Ge&#x017F;icht</l><lb/>
            <l>Von einem hellen Stern ein wei&#x017F;&#x017F;es Licht,</l><lb/>
            <l>Das mir recht in die Sele &#x017F;tral&#x2019;te.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Wie &#x017F;ehr ich mich an GOtt im Jrdi&#x017F;chen ergetze,</l><lb/>
            <l>Dacht&#x2019; ich, hat Er dennoch weit gro&#x0364;&#x017F;&#x2019;re Scha&#x0364;tze.</l><lb/>
            <l>Die gro&#x0364;&#x017F;te Scho&#x0364;nheit die&#x017F;er Erden</l><lb/>
            <l>Kann mit der himmli&#x017F;chen doch nicht verglichen werden.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Noch</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0065] Kirſch-Bluͤhte bey der Nacht. Jch ſahe mit betrachtendem Gemuͤte Juͤngſt einen Kirſch-Baum, welcher bluͤh’te, Jn kuͤler Nacht beym Monden-Schein; Jch glaubt’, es koͤnne nichts von groͤſſ’rer Weiſſe ſeyn. Es ſchien, ob waͤr’ ein Schnee gefallen. Ein jeder, auch der klein’ſte, Aſt Trug gleichſam eine rechte Laſt Von zierlich-weiſſen runden Ballen. Es iſt kein Schwan ſo weiß, da nemlich jedes Blat, Jndem daſelbſt des Mondes ſanftes Licht Selbſt durch die zarten Blaͤtter bricht, So gar den Schatten weiß und ſonder Schwaͤrze hat. Unmoͤglich, dacht’ ich, kann auf Erden Was weiſſers ausgefunden werden. Jndem ich nun bald hin bald her Jm Schatten dieſes Baumes gehe: Sah’ ich von ungefehr Durch alle Bluhmen in die Hoͤhe Und ward noch einen weiſſern Schein, Der tauſend mal ſo weiß, der tauſend mal ſo klar, Faſt halb darob erſtaunt, gewahr. Der Bluͤhte Schnee ſchien ſchwarz zu ſeyn Bey dieſem weiſſen Glanz. Es fiel mir ins Geſicht Von einem hellen Stern ein weiſſes Licht, Das mir recht in die Sele ſtral’te. Wie ſehr ich mich an GOtt im Jrdiſchen ergetze, Dacht’ ich, hat Er dennoch weit groͤſ’re Schaͤtze. Die groͤſte Schoͤnheit dieſer Erden Kann mit der himmliſchen doch nicht verglichen werden. Noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/65
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/65>, abgerufen am 19.03.2024.