Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite
Uhr-Werck der Ewigkeit.
Uhr-Werck der Ewigkeit.
Unlängst, als ein guter Freund, der noch offt an mich
gedencket,

Der die Ehrlichkeit fast selbst, mich mit einer Uhr beschencket,
Die so künstlich ist, als kostbar, ja ein rechtes Meister-Stück,
Und ich meinen frohen Blick
Aemsig, voll Verwundrung, lenckte
Auf die unterschiedne Scheiben, (denn nicht nur die gan-
tzen Stunden,

Sondern, nebst dem Monats-Tag, auch Minuten und
Secunden

Sind besonders vorgestellt) ward ich sonderlich gerührt
Durch die Scheibe, deren Zeiger sich so schnell im Circkel führt,
Daß, eh der Minuten-Zeiger einen einzgen Schritt gemacht,
Er bereits mit sechszig Schritten seinen Kreis-Lauff gantz
vollbracht.
Jch bewunderte die Weißheit, die der Schöpfer uns
geschencket,

Da die Menschheit solche Wercke macht, erfindet und er-
dencket:

Und ich danckte GOtt dafür. Sonderlich da man die Zeit
Und derselben stillen Lauff (mit so fester Richtigkeit
Wunderwürdig eingetheilt, sichtbar dargestellet findet,
Welche sonst, in schneller Stille, kommt, vergeht, entsteht,
verschwindet,

Wie es scheint, und wie man meint. Aber eben diese Scheibe,
Welche die Secunden zeigt, zeigt, selbst in der Flüchtigkeit,
Ein beständigs Bild der Zeit,
Und daß wir mit Recht nicht können
Das vergangene vergangen, und die Zeiten flüchtig nennen.
Denn,
Uhr-Werck der Ewigkeit.
Uhr-Werck der Ewigkeit.
Unlaͤngſt, als ein guter Freund, der noch offt an mich
gedencket,

Der die Ehrlichkeit faſt ſelbſt, mich mit einer Uhr beſchencket,
Die ſo kuͤnſtlich iſt, als koſtbar, ja ein rechtes Meiſter-Stuͤck,
Und ich meinen frohen Blick
Aemſig, voll Verwundrung, lenckte
Auf die unterſchiedne Scheiben, (denn nicht nur die gan-
tzen Stunden,

Sondern, nebſt dem Monats-Tag, auch Minuten und
Secunden

Sind beſonders vorgeſtellt) ward ich ſonderlich geruͤhrt
Durch die Scheibe, deren Zeiger ſich ſo ſchnell im Circkel fuͤhrt,
Daß, eh der Minuten-Zeiger einen einzgen Schritt gemacht,
Er bereits mit ſechszig Schritten ſeinen Kreis-Lauff gantz
vollbracht.
Jch bewunderte die Weißheit, die der Schoͤpfer uns
geſchencket,

Da die Menſchheit ſolche Wercke macht, erfindet und er-
dencket:

Und ich danckte GOtt dafuͤr. Sonderlich da man die Zeit
Und derſelben ſtillen Lauff (mit ſo feſter Richtigkeit
Wunderwuͤrdig eingetheilt, ſichtbar dargeſtellet findet,
Welche ſonſt, in ſchneller Stille, kommt, vergeht, entſteht,
verſchwindet,

Wie es ſcheint, und wie man meint. Aber eben dieſe Scheibe,
Welche die Secunden zeigt, zeigt, ſelbſt in der Fluͤchtigkeit,
Ein beſtaͤndigs Bild der Zeit,
Und daß wir mit Recht nicht koͤnnen
Das vergangene vergangen, und die Zeiten fluͤchtig nennen.
Denn,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0416" n="384"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Uhr-Werck der Ewigkeit.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Uhr-Werck der Ewigkeit.</hi> </head><lb/>
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">U</hi>nla&#x0364;ng&#x017F;t, als ein guter Freund, der noch offt an mich<lb/><hi rendition="#et">gedencket,</hi></l><lb/>
              <l>Der die Ehrlichkeit fa&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t, mich mit einer Uhr be&#x017F;chencket,</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;o ku&#x0364;n&#x017F;tlich i&#x017F;t, als ko&#x017F;tbar, ja ein rechtes Mei&#x017F;ter-Stu&#x0364;ck,</l><lb/>
              <l>Und ich meinen frohen Blick</l><lb/>
              <l>Aem&#x017F;ig, voll Verwundrung, lenckte</l><lb/>
              <l>Auf die unter&#x017F;chiedne Scheiben, (denn nicht nur die gan-<lb/><hi rendition="#et">tzen Stunden,</hi></l><lb/>
              <l>Sondern, neb&#x017F;t dem Monats-Tag, auch Minuten und<lb/><hi rendition="#et">Secunden</hi></l><lb/>
              <l>Sind be&#x017F;onders vorge&#x017F;tellt) ward ich &#x017F;onderlich geru&#x0364;hrt</l><lb/>
              <l>Durch die Scheibe, deren Zeiger &#x017F;ich &#x017F;o &#x017F;chnell im Circkel fu&#x0364;hrt,</l><lb/>
              <l>Daß, eh der Minuten-Zeiger einen einzgen Schritt gemacht,</l><lb/>
              <l>Er bereits mit &#x017F;echszig Schritten &#x017F;einen Kreis-Lauff gantz<lb/><hi rendition="#et">vollbracht.</hi></l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Jch bewunderte die Weißheit, die der Scho&#x0364;pfer uns<lb/><hi rendition="#et">ge&#x017F;chencket,</hi></l><lb/>
              <l>Da die Men&#x017F;chheit &#x017F;olche Wercke macht, erfindet und er-<lb/><hi rendition="#et">dencket:</hi></l><lb/>
              <l>Und ich danckte GOtt dafu&#x0364;r. Sonderlich da man die Zeit</l><lb/>
              <l>Und der&#x017F;elben &#x017F;tillen Lauff (mit &#x017F;o fe&#x017F;ter Richtigkeit</l><lb/>
              <l>Wunderwu&#x0364;rdig eingetheilt, &#x017F;ichtbar darge&#x017F;tellet findet,</l><lb/>
              <l>Welche &#x017F;on&#x017F;t, in &#x017F;chneller Stille, kommt, vergeht, ent&#x017F;teht,<lb/><hi rendition="#et">ver&#x017F;chwindet,</hi></l><lb/>
              <l>Wie es &#x017F;cheint, und wie man meint. Aber eben die&#x017F;e Scheibe,</l><lb/>
              <l>Welche die Secunden zeigt, zeigt, &#x017F;elb&#x017F;t in der Flu&#x0364;chtigkeit,</l><lb/>
              <l>Ein be&#x017F;ta&#x0364;ndigs Bild der Zeit,</l><lb/>
              <l>Und daß wir mit Recht nicht ko&#x0364;nnen</l><lb/>
              <l>Das vergangene vergangen, und die Zeiten flu&#x0364;chtig nennen.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Denn,</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[384/0416] Uhr-Werck der Ewigkeit. Uhr-Werck der Ewigkeit. Unlaͤngſt, als ein guter Freund, der noch offt an mich gedencket, Der die Ehrlichkeit faſt ſelbſt, mich mit einer Uhr beſchencket, Die ſo kuͤnſtlich iſt, als koſtbar, ja ein rechtes Meiſter-Stuͤck, Und ich meinen frohen Blick Aemſig, voll Verwundrung, lenckte Auf die unterſchiedne Scheiben, (denn nicht nur die gan- tzen Stunden, Sondern, nebſt dem Monats-Tag, auch Minuten und Secunden Sind beſonders vorgeſtellt) ward ich ſonderlich geruͤhrt Durch die Scheibe, deren Zeiger ſich ſo ſchnell im Circkel fuͤhrt, Daß, eh der Minuten-Zeiger einen einzgen Schritt gemacht, Er bereits mit ſechszig Schritten ſeinen Kreis-Lauff gantz vollbracht. Jch bewunderte die Weißheit, die der Schoͤpfer uns geſchencket, Da die Menſchheit ſolche Wercke macht, erfindet und er- dencket: Und ich danckte GOtt dafuͤr. Sonderlich da man die Zeit Und derſelben ſtillen Lauff (mit ſo feſter Richtigkeit Wunderwuͤrdig eingetheilt, ſichtbar dargeſtellet findet, Welche ſonſt, in ſchneller Stille, kommt, vergeht, entſteht, verſchwindet, Wie es ſcheint, und wie man meint. Aber eben dieſe Scheibe, Welche die Secunden zeigt, zeigt, ſelbſt in der Fluͤchtigkeit, Ein beſtaͤndigs Bild der Zeit, Und daß wir mit Recht nicht koͤnnen Das vergangene vergangen, und die Zeiten fluͤchtig nennen. Denn,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/416
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/416>, abgerufen am 23.04.2024.