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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

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Das Norder-Licht.
Das Norder-Licht.
Wie ist es doch so hell? was ist es für ein Licht,
Das, da der Mond nicht scheint, durch dunckle
Schatten bricht?

So dacht ich, als ich jüngst, fast mitten in der Nacht,
Aus meinem Fenster sah. Doch wie ward mir zu Muth,
Als mein bestürtzter Blick sich in die Höhe zog,
Und, daß ein' allgemeine Gluth
Durch alle Himmels-Theile flog,
Recht mit Entsetzen fand!
Offt fliegt ein schneller Rauch, offt lässts, als ob von
Schnee

Jch, Streiffen-weis' ein dünn Gestöber seh.
Es blitzt', es strahlt', es schoß
Ein wildes Feur durchs gantze Firmament.
Ein wallend Flammen-Meer ergoß,
Mit einem dicken Schwall,
Sich wie ein Blitz offt überall.
Offt schien die schnelle Fluth zertrennt
Jn grossen Strömen fortzueilen;
Bald waren Gluth und Fluth verschwunden;
Die aber, wie der Blitz, geschwind aufs nen entstunden,
Aufs neue wüteten, mit Strahl- und Feuer-Pfeilen
Begleitet und vermengt. Ein fürchterliches Wittern,
Ein unbeschreiblich streng, offt wiederhohltes, Zittern
Erschütterte, nebst allen Himmels-Theilen,
Auch
Das Norder-Licht.
Das Norder-Licht.
Wie iſt es doch ſo hell? was iſt es fuͤr ein Licht,
Das, da der Mond nicht ſcheint, durch dunckle
Schatten bricht?

So dacht ich, als ich juͤngſt, faſt mitten in der Nacht,
Aus meinem Fenſter ſah. Doch wie ward mir zu Muth,
Als mein beſtuͤrtzter Blick ſich in die Hoͤhe zog,
Und, daß ein’ allgemeine Gluth
Durch alle Himmels-Theile flog,
Recht mit Entſetzen fand!
Offt fliegt ein ſchneller Rauch, offt laͤſſts, als ob von
Schnee

Jch, Streiffen-weiſ’ ein duͤnn Geſtoͤber ſeh.
Es blitzt’, es ſtrahlt’, es ſchoß
Ein wildes Feur durchs gantze Firmament.
Ein wallend Flammen-Meer ergoß,
Mit einem dicken Schwall,
Sich wie ein Blitz offt uͤberall.
Offt ſchien die ſchnelle Fluth zertrennt
Jn groſſen Stroͤmen fortzueilen;
Bald waren Gluth und Fluth verſchwunden;
Die aber, wie der Blitz, geſchwind aufs nen entſtunden,
Aufs neue wuͤteten, mit Strahl- und Feuer-Pfeilen
Begleitet und vermengt. Ein fuͤrchterliches Wittern,
Ein unbeſchreiblich ſtreng, offt wiederhohltes, Zittern
Erſchuͤtterte, nebſt allen Himmels-Theilen,
Auch
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[402/0434] Das Norder-Licht. Das Norder-Licht. Wie iſt es doch ſo hell? was iſt es fuͤr ein Licht, Das, da der Mond nicht ſcheint, durch dunckle Schatten bricht? So dacht ich, als ich juͤngſt, faſt mitten in der Nacht, Aus meinem Fenſter ſah. Doch wie ward mir zu Muth, Als mein beſtuͤrtzter Blick ſich in die Hoͤhe zog, Und, daß ein’ allgemeine Gluth Durch alle Himmels-Theile flog, Recht mit Entſetzen fand! Offt fliegt ein ſchneller Rauch, offt laͤſſts, als ob von Schnee Jch, Streiffen-weiſ’ ein duͤnn Geſtoͤber ſeh. Es blitzt’, es ſtrahlt’, es ſchoß Ein wildes Feur durchs gantze Firmament. Ein wallend Flammen-Meer ergoß, Mit einem dicken Schwall, Sich wie ein Blitz offt uͤberall. Offt ſchien die ſchnelle Fluth zertrennt Jn groſſen Stroͤmen fortzueilen; Bald waren Gluth und Fluth verſchwunden; Die aber, wie der Blitz, geſchwind aufs nen entſtunden, Aufs neue wuͤteten, mit Strahl- und Feuer-Pfeilen Begleitet und vermengt. Ein fuͤrchterliches Wittern, Ein unbeſchreiblich ſtreng, offt wiederhohltes, Zittern Erſchuͤtterte, nebſt allen Himmels-Theilen, Auch

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/434>, abgerufen am 29.03.2024.