Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Schluß zum Frühling.
An diesem abgelegnen Ort, entfernt vom städtischen
Getümmel,
Erweg' und fühl' ich, daß ich lebe. Jch riech' der
schönen Bluhmen Heer;
Jch schmecke frisch- gebrochne Früchte; ich höre,
meinem GOtt zur Ehr,
Der kleinen Vögel holdes Zwitschern; ich sehe, nebst
dem weiten Meer,
Der Erden Schätze, Wald und Feld, das Firmament,
den Sternen-Himmel.
Hier sitz' ich, tadle niemand sonst, als mich. Jch rede
hier allein
Mit meinen Büchern und mit mir. O wohl ein recht-
und wahres Leben!
O süß- und edler Müßiggang! Wer stimmt hierinn
nicht überein,
Daß, für den wichtigsten Geschäften, dir noch der
Vorzug fast zu geben?
Jch fühl', in mir von GOtt gegönntem nicht unem-
pfundenem Vergnügen,
Hier meine gegenwärt'ge Stunden sich sanft zu den
vergangnen fügen.
Hier treib' ich, mit dem Fluß der Tage, den stillen
Strohm der Zeit hinab,
Zum
N 3
Schluß zum Fruͤhling.
An dieſem abgelegnen Ort, entfernt vom ſtaͤdtiſchen
Getuͤmmel,
Erweg’ und fuͤhl’ ich, daß ich lebe. Jch riech’ der
ſchoͤnen Bluhmen Heer;
Jch ſchmecke friſch- gebrochne Fruͤchte; ich hoͤre,
meinem GOtt zur Ehr,
Der kleinen Voͤgel holdes Zwitſchern; ich ſehe, nebſt
dem weiten Meer,
Der Erden Schaͤtze, Wald und Feld, das Firmament,
den Sternen-Himmel.
Hier ſitz’ ich, tadle niemand ſonſt, als mich. Jch rede
hier allein
Mit meinen Buͤchern und mit mir. O wohl ein recht-
und wahres Leben!
O ſuͤß- und edler Muͤßiggang! Wer ſtimmt hierinn
nicht uͤberein,
Daß, fuͤr den wichtigſten Geſchaͤften, dir noch der
Vorzug faſt zu geben?
Jch fuͤhl’, in mir von GOtt gegoͤnntem nicht unem-
pfundenem Vergnuͤgen,
Hier meine gegenwaͤrt’ge Stunden ſich ſanft zu den
vergangnen fuͤgen.
Hier treib’ ich, mit dem Fluß der Tage, den ſtillen
Strohm der Zeit hinab,
Zum
N 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0215" n="197"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Schluß zum Fru&#x0364;hling.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">A</hi>n die&#x017F;em abgelegnen Ort, entfernt vom &#x017F;ta&#x0364;dti&#x017F;chen</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Getu&#x0364;mmel,</hi> </l><lb/>
              <l>Erweg&#x2019; und <hi rendition="#fr">fu&#x0364;hl&#x2019;</hi> ich, daß ich lebe. Jch <hi rendition="#fr">riech&#x2019;</hi> der</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">&#x017F;cho&#x0364;nen Bluhmen Heer;</hi> </l><lb/>
              <l>Jch <hi rendition="#fr">&#x017F;chmecke</hi> fri&#x017F;ch- gebrochne Fru&#x0364;chte; ich <hi rendition="#fr">ho&#x0364;re,</hi></l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">meinem GOtt zur Ehr,</hi> </l><lb/>
              <l>Der kleinen Vo&#x0364;gel holdes Zwit&#x017F;chern; ich <hi rendition="#fr">&#x017F;ehe,</hi> neb&#x017F;t</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">dem weiten Meer,</hi> </l><lb/>
              <l>Der Erden Scha&#x0364;tze, Wald und Feld, das Firmament,</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">den Sternen-Himmel.</hi> </l><lb/>
              <l>Hier &#x017F;itz&#x2019; ich, tadle niemand &#x017F;on&#x017F;t, als mich. Jch rede</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">hier allein</hi> </l><lb/>
              <l>Mit meinen Bu&#x0364;chern und mit mir. O wohl ein recht-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">und wahres Leben!</hi> </l><lb/>
              <l>O &#x017F;u&#x0364;ß- und edler Mu&#x0364;ßiggang! Wer &#x017F;timmt hierinn</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">nicht u&#x0364;berein,</hi> </l><lb/>
              <l>Daß, fu&#x0364;r den wichtig&#x017F;ten Ge&#x017F;cha&#x0364;ften, dir noch der</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Vorzug fa&#x017F;t zu geben?</hi> </l><lb/>
              <l>Jch fu&#x0364;hl&#x2019;, in mir von GOtt gego&#x0364;nntem nicht unem-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">pfundenem Vergnu&#x0364;gen,</hi> </l><lb/>
              <l>Hier meine gegenwa&#x0364;rt&#x2019;ge Stunden &#x017F;ich &#x017F;anft zu den</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">vergangnen fu&#x0364;gen.</hi> </l><lb/>
              <l>Hier treib&#x2019; ich, mit dem Fluß der Tage, den &#x017F;tillen</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Strohm der Zeit hinab,</hi> </l><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">N 3</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Zum</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0215] Schluß zum Fruͤhling. An dieſem abgelegnen Ort, entfernt vom ſtaͤdtiſchen Getuͤmmel, Erweg’ und fuͤhl’ ich, daß ich lebe. Jch riech’ der ſchoͤnen Bluhmen Heer; Jch ſchmecke friſch- gebrochne Fruͤchte; ich hoͤre, meinem GOtt zur Ehr, Der kleinen Voͤgel holdes Zwitſchern; ich ſehe, nebſt dem weiten Meer, Der Erden Schaͤtze, Wald und Feld, das Firmament, den Sternen-Himmel. Hier ſitz’ ich, tadle niemand ſonſt, als mich. Jch rede hier allein Mit meinen Buͤchern und mit mir. O wohl ein recht- und wahres Leben! O ſuͤß- und edler Muͤßiggang! Wer ſtimmt hierinn nicht uͤberein, Daß, fuͤr den wichtigſten Geſchaͤften, dir noch der Vorzug faſt zu geben? Jch fuͤhl’, in mir von GOtt gegoͤnntem nicht unem- pfundenem Vergnuͤgen, Hier meine gegenwaͤrt’ge Stunden ſich ſanft zu den vergangnen fuͤgen. Hier treib’ ich, mit dem Fluß der Tage, den ſtillen Strohm der Zeit hinab, Zum N 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/215
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/215>, abgerufen am 19.04.2024.