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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

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Der Steinbock.
Es trotzet sein verwegnes Aug' und fester Schenkel alle
Grüfte,
Er fliegt fast mehr, als daß er springt, schnell über alle tiefe
Klüfte.
Wohin sich fast kein Vogel schwingt, dahin gelangt sein
reger Fuß.
Wer ist denn, der die weise Macht der Gottheit nicht bewun-
dern muß,
Die auch die hohe Felsen-Welt so weislich zu bevölkern
weiß,
Auch Geister dergestalt bereitet, daß sie, in wohlgezognen
Zügen,
Des Schöpfers Werk so deutlich zeigen, und, GOtt zu Ehren,
uns vergnügen?
Dir sey demnach, Quell' aller Dinge, auch darinn Ehre,
Lob und Preis!
Der Auer-Ochs.
Welch ein fürchterlich Geschöpf! Welche schreckende
Figur!
Welche Muskeln, welche Sehnen! Welche fremde Creatur!
Wie ein Erden-Behemoth scheinen seine Knochen Erz,
Seine Hörner wirklichs Eisen. Hat doch mancher kaum
das Herz
Jhn auf Ridingers Papier nur im Abriß anzusehn.
Durch die fürchterliche Gleichheit hindert die verjüngte
Maasse
Kaum, daß wer es plötzlich sieht, fast nicht wünscht ent-
fernt zu stehn,
Und daß er, bey solchem Umstand, sicher für Gefahr sey, fasse.
Wie
Der Steinbock.
Es trotzet ſein verwegnes Aug’ und feſter Schenkel alle
Gruͤfte,
Er fliegt faſt mehr, als daß er ſpringt, ſchnell uͤber alle tiefe
Kluͤfte.
Wohin ſich faſt kein Vogel ſchwingt, dahin gelangt ſein
reger Fuß.
Wer iſt denn, der die weiſe Macht der Gottheit nicht bewun-
dern muß,
Die auch die hohe Felſen-Welt ſo weislich zu bevoͤlkern
weiß,
Auch Geiſter dergeſtalt bereitet, daß ſie, in wohlgezognen
Zuͤgen,
Des Schoͤpfers Werk ſo deutlich zeigen, und, GOtt zu Ehren,
uns vergnuͤgen?
Dir ſey demnach, Quell’ aller Dinge, auch darinn Ehre,
Lob und Preis!
Der Auer-Ochs.
Welch ein fuͤrchterlich Geſchoͤpf! Welche ſchreckende
Figur!
Welche Muskeln, welche Sehnen! Welche fremde Creatur!
Wie ein Erden-Behemoth ſcheinen ſeine Knochen Erz,
Seine Hoͤrner wirklichs Eiſen. Hat doch mancher kaum
das Herz
Jhn auf Ridingers Papier nur im Abriß anzuſehn.
Durch die fuͤrchterliche Gleichheit hindert die verjuͤngte
Maaſſe
Kaum, daß wer es ploͤtzlich ſieht, faſt nicht wuͤnſcht ent-
fernt zu ſtehn,
Und daß er, bey ſolchem Umſtand, ſicher fuͤr Gefahr ſey, faſſe.
Wie
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[406/0424] Der Steinbock. Es trotzet ſein verwegnes Aug’ und feſter Schenkel alle Gruͤfte, Er fliegt faſt mehr, als daß er ſpringt, ſchnell uͤber alle tiefe Kluͤfte. Wohin ſich faſt kein Vogel ſchwingt, dahin gelangt ſein reger Fuß. Wer iſt denn, der die weiſe Macht der Gottheit nicht bewun- dern muß, Die auch die hohe Felſen-Welt ſo weislich zu bevoͤlkern weiß, Auch Geiſter dergeſtalt bereitet, daß ſie, in wohlgezognen Zuͤgen, Des Schoͤpfers Werk ſo deutlich zeigen, und, GOtt zu Ehren, uns vergnuͤgen? Dir ſey demnach, Quell’ aller Dinge, auch darinn Ehre, Lob und Preis! Der Auer-Ochs. Welch ein fuͤrchterlich Geſchoͤpf! Welche ſchreckende Figur! Welche Muskeln, welche Sehnen! Welche fremde Creatur! Wie ein Erden-Behemoth ſcheinen ſeine Knochen Erz, Seine Hoͤrner wirklichs Eiſen. Hat doch mancher kaum das Herz Jhn auf Ridingers Papier nur im Abriß anzuſehn. Durch die fuͤrchterliche Gleichheit hindert die verjuͤngte Maaſſe Kaum, daß wer es ploͤtzlich ſieht, faſt nicht wuͤnſcht ent- fernt zu ſtehn, Und daß er, bey ſolchem Umſtand, ſicher fuͤr Gefahr ſey, faſſe. Wie

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/424>, abgerufen am 19.04.2024.