Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Wolfs-Jagd.
Die Handlungen, die selbst in der Natur
Nur einen Augenblick bestehen,
Befestigt Ridinger, man kann sie immer sehen
Jn dieser künstlichen Figur.
Der umgerißne Wolf wird umgerissen,
Er siehet seinem Feind, im Umsturz, ins Gesicht,
Er fällt, und dennoch fällt er nicht.
Wer wird dieß nicht bewundern müssen!
Man sieht, was sich nicht regt, sich regen,
Und stille Striche sich bewegen.
Durch seinen Geist, den er im Kupfer gräbt,
Jst hier Papier und Erz belebt.
Man kann, der Geister Quell' zum Ruhm, hieraus erse-
hen,
Wie weit schon auf der Welt des Geistes Kräfte gehen.
Der Leopard, wie er einen Esel
zerreisset.
Man sieht nicht nur selbst Leidenschaften aus unsers
Künstlers Griffel quellen,
Er weiß nicht nur Grimm, Hunger, Wut und Mord-
Begierde vorzustellen;
Er zwingt selbst unsern freyen Geist, er kann die Seele
selbst bewegen,
Und nach Gefallen Furcht und Mitleid im menschlichen
Gemüht erregen.
Doch
Die Wolfs-Jagd.
Die Handlungen, die ſelbſt in der Natur
Nur einen Augenblick beſtehen,
Befeſtigt Ridinger, man kann ſie immer ſehen
Jn dieſer kuͤnſtlichen Figur.
Der umgerißne Wolf wird umgeriſſen,
Er ſiehet ſeinem Feind, im Umſturz, ins Geſicht,
Er faͤllt, und dennoch faͤllt er nicht.
Wer wird dieß nicht bewundern muͤſſen!
Man ſieht, was ſich nicht regt, ſich regen,
Und ſtille Striche ſich bewegen.
Durch ſeinen Geiſt, den er im Kupfer graͤbt,
Jſt hier Papier und Erz belebt.
Man kann, der Geiſter Quell’ zum Ruhm, hieraus erſe-
hen,
Wie weit ſchon auf der Welt des Geiſtes Kraͤfte gehen.
Der Leopard, wie er einen Eſel
zerreiſſet.
Man ſieht nicht nur ſelbſt Leidenſchaften aus unſers
Kuͤnſtlers Griffel quellen,
Er weiß nicht nur Grimm, Hunger, Wut und Mord-
Begierde vorzuſtellen;
Er zwingt ſelbſt unſern freyen Geiſt, er kann die Seele
ſelbſt bewegen,
Und nach Gefallen Furcht und Mitleid im menſchlichen
Gemuͤht erregen.
Doch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0430" n="412"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Die Wolfs-Jagd.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">D</hi>ie Handlungen, die &#x017F;elb&#x017F;t in der Natur</l><lb/>
              <l>Nur einen Augenblick be&#x017F;tehen,</l><lb/>
              <l>Befe&#x017F;tigt <hi rendition="#fr">Ridinger,</hi> man kann &#x017F;ie immer &#x017F;ehen</l><lb/>
              <l>Jn die&#x017F;er ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Figur.</l><lb/>
              <l>Der umgerißne Wolf wird umgeri&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Er &#x017F;iehet &#x017F;einem Feind, im Um&#x017F;turz, ins Ge&#x017F;icht,</l><lb/>
              <l>Er fa&#x0364;llt, und dennoch fa&#x0364;llt er nicht.</l><lb/>
              <l>Wer wird dieß nicht bewundern mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en!</l><lb/>
              <l>Man &#x017F;ieht, was &#x017F;ich nicht regt, &#x017F;ich regen,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;tille Striche &#x017F;ich bewegen.</l><lb/>
              <l>Durch &#x017F;einen Gei&#x017F;t, den er im Kupfer gra&#x0364;bt,</l><lb/>
              <l>J&#x017F;t hier Papier und Erz belebt.</l><lb/>
              <l>Man kann, der Gei&#x017F;ter Quell&#x2019; zum Ruhm, hieraus er&#x017F;e-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">hen,</hi> </l><lb/>
              <l>Wie weit &#x017F;chon auf der Welt des Gei&#x017F;tes Kra&#x0364;fte gehen.</l>
            </lg>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Der Leopard, wie er einen E&#x017F;el<lb/>
zerrei&#x017F;&#x017F;et.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">M</hi>an &#x017F;ieht nicht nur &#x017F;elb&#x017F;t Leiden&#x017F;chaften aus un&#x017F;ers</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Ku&#x0364;n&#x017F;tlers Griffel quellen,</hi> </l><lb/>
              <l>Er weiß nicht nur Grimm, Hunger, Wut und Mord-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Begierde vorzu&#x017F;tellen;</hi> </l><lb/>
              <l>Er zwingt &#x017F;elb&#x017F;t un&#x017F;ern freyen Gei&#x017F;t, er kann die Seele</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">&#x017F;elb&#x017F;t bewegen,</hi> </l><lb/>
              <l>Und nach Gefallen Furcht und Mitleid im men&#x017F;chlichen</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Gemu&#x0364;ht erregen.</hi> </l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Doch</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[412/0430] Die Wolfs-Jagd. Die Handlungen, die ſelbſt in der Natur Nur einen Augenblick beſtehen, Befeſtigt Ridinger, man kann ſie immer ſehen Jn dieſer kuͤnſtlichen Figur. Der umgerißne Wolf wird umgeriſſen, Er ſiehet ſeinem Feind, im Umſturz, ins Geſicht, Er faͤllt, und dennoch faͤllt er nicht. Wer wird dieß nicht bewundern muͤſſen! Man ſieht, was ſich nicht regt, ſich regen, Und ſtille Striche ſich bewegen. Durch ſeinen Geiſt, den er im Kupfer graͤbt, Jſt hier Papier und Erz belebt. Man kann, der Geiſter Quell’ zum Ruhm, hieraus erſe- hen, Wie weit ſchon auf der Welt des Geiſtes Kraͤfte gehen. Der Leopard, wie er einen Eſel zerreiſſet. Man ſieht nicht nur ſelbſt Leidenſchaften aus unſers Kuͤnſtlers Griffel quellen, Er weiß nicht nur Grimm, Hunger, Wut und Mord- Begierde vorzuſtellen; Er zwingt ſelbſt unſern freyen Geiſt, er kann die Seele ſelbſt bewegen, Und nach Gefallen Furcht und Mitleid im menſchlichen Gemuͤht erregen. Doch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/430
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/430>, abgerufen am 19.04.2024.