Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Zu viele und zu wenige
Bestrafung
einiger vermeynten und anderer nicht
dafür gehaltener Laster.
Wie ich schon oftermahls erwogen,
Daß auch von ganz gleichgült'gen Sachen
Wir, leider! öfters Laster machen,
Und daß oft gar zur Sünde wird gezogen,
Was niemahls Sünde war;
So find ich dieß hingegen,
Daß wir das, welches offenbar
Zur Sünden-Liste hinzurechnen, meist ganz zu übergehen
pflegen.
Zum Beyspiel: wenn man Thiere quälet,
Mit vielen Martern sie entseelet,
Sie, ohne Nutz, zum Zeit-Vertreibe plagt,
Und sie beschwehrt mit Schmerz und Pein,
Da doch die Schrift uns nicht nur deutlich sagt
Vom Seufzen der Geschöpf, da die Vernunft so gar
[U]ns überzeuglich lehrt, und zeigt uns Sonnen-klar,
Daß sie sowohl, als wir, Geschöpfe GOttes seyn,
Daß man in ihnen auch den Schöpfer ehrt,
Daß sie, Betrachtungs-wehrte Gaben,
Die unserer Bewundrung wehrt,
Von GOtt, in reicher Maaß, empfangen haben,
Daß, ob sie uns gleich unterworfen worden
[z]um Nutzen, zur Bequemlichkeit,
Wir
X x 2
Zu viele und zu wenige
Beſtrafung
einiger vermeynten und anderer nicht
dafuͤr gehaltener Laſter.
Wie ich ſchon oftermahls erwogen,
Daß auch von ganz gleichguͤlt’gen Sachen
Wir, leider! oͤfters Laſter machen,
Und daß oft gar zur Suͤnde wird gezogen,
Was niemahls Suͤnde war;
So find ich dieß hingegen,
Daß wir das, welches offenbar
Zur Suͤnden-Liſte hinzurechnen, meiſt ganz zu uͤbergehen
pflegen.
Zum Beyſpiel: wenn man Thiere quaͤlet,
Mit vielen Martern ſie entſeelet,
Sie, ohne Nutz, zum Zeit-Vertreibe plagt,
Und ſie beſchwehrt mit Schmerz und Pein,
Da doch die Schrift uns nicht nur deutlich ſagt
Vom Seufzen der Geſchoͤpf, da die Vernunft ſo gar
[U]ns uͤberzeuglich lehrt, und zeigt uns Sonnen-klar,
Daß ſie ſowohl, als wir, Geſchoͤpfe GOttes ſeyn,
Daß man in ihnen auch den Schoͤpfer ehrt,
Daß ſie, Betrachtungs-wehrte Gaben,
Die unſerer Bewundrung wehrt,
Von GOtt, in reicher Maaß, empfangen haben,
Daß, ob ſie uns gleich unterworfen worden
[z]um Nutzen, zur Bequemlichkeit,
Wir
X x 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0709" n="691"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Zu viele und zu wenige<lb/>
Be&#x017F;trafung<lb/>
einiger vermeynten und anderer nicht<lb/>
dafu&#x0364;r gehaltener La&#x017F;ter.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l><hi rendition="#in">W</hi>ie ich &#x017F;chon oftermahls erwogen,</l><lb/>
                <l>Daß auch von ganz gleichgu&#x0364;lt&#x2019;gen Sachen</l><lb/>
                <l>Wir, leider! o&#x0364;fters La&#x017F;ter machen,</l><lb/>
                <l>Und daß oft gar zur Su&#x0364;nde wird gezogen,</l><lb/>
                <l>Was niemahls Su&#x0364;nde war;</l><lb/>
                <l>So find ich dieß hingegen,</l><lb/>
                <l>Daß wir das, welches offenbar</l><lb/>
                <l>Zur Su&#x0364;nden-Li&#x017F;te hinzurechnen, mei&#x017F;t ganz zu u&#x0364;bergehen</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">pflegen.</hi> </l><lb/>
                <l>Zum Bey&#x017F;piel: wenn man Thiere qua&#x0364;let,</l><lb/>
                <l>Mit vielen Martern &#x017F;ie ent&#x017F;eelet,</l><lb/>
                <l>Sie, ohne Nutz, zum Zeit-Vertreibe plagt,</l><lb/>
                <l>Und &#x017F;ie be&#x017F;chwehrt mit Schmerz und Pein,</l><lb/>
                <l>Da doch die Schrift uns nicht nur deutlich &#x017F;agt</l><lb/>
                <l>Vom Seufzen der Ge&#x017F;cho&#x0364;pf, da die Vernunft &#x017F;o gar</l><lb/>
                <l><supplied>U</supplied>ns u&#x0364;berzeuglich lehrt, und zeigt uns Sonnen-klar,</l><lb/>
                <l>Daß &#x017F;ie &#x017F;owohl, als wir, Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe GOttes &#x017F;eyn,</l><lb/>
                <l>Daß man in ihnen auch den Scho&#x0364;pfer ehrt,</l><lb/>
                <l>Daß &#x017F;ie, Betrachtungs-wehrte Gaben,</l><lb/>
                <l>Die un&#x017F;erer Bewundrung wehrt,</l><lb/>
                <l>Von GOtt, in reicher Maaß, empfangen haben,</l><lb/>
                <l>Daß, ob &#x017F;ie uns gleich unterworfen worden</l><lb/>
                <l><supplied>z</supplied>um Nutzen, zur Bequemlichkeit,</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">X x 2</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Wir</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[691/0709] Zu viele und zu wenige Beſtrafung einiger vermeynten und anderer nicht dafuͤr gehaltener Laſter. Wie ich ſchon oftermahls erwogen, Daß auch von ganz gleichguͤlt’gen Sachen Wir, leider! oͤfters Laſter machen, Und daß oft gar zur Suͤnde wird gezogen, Was niemahls Suͤnde war; So find ich dieß hingegen, Daß wir das, welches offenbar Zur Suͤnden-Liſte hinzurechnen, meiſt ganz zu uͤbergehen pflegen. Zum Beyſpiel: wenn man Thiere quaͤlet, Mit vielen Martern ſie entſeelet, Sie, ohne Nutz, zum Zeit-Vertreibe plagt, Und ſie beſchwehrt mit Schmerz und Pein, Da doch die Schrift uns nicht nur deutlich ſagt Vom Seufzen der Geſchoͤpf, da die Vernunft ſo gar Uns uͤberzeuglich lehrt, und zeigt uns Sonnen-klar, Daß ſie ſowohl, als wir, Geſchoͤpfe GOttes ſeyn, Daß man in ihnen auch den Schoͤpfer ehrt, Daß ſie, Betrachtungs-wehrte Gaben, Die unſerer Bewundrung wehrt, Von GOtt, in reicher Maaß, empfangen haben, Daß, ob ſie uns gleich unterworfen worden zum Nutzen, zur Bequemlichkeit, Wir X x 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/709
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 691. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/709>, abgerufen am 25.04.2024.