Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Der früh blühende Rosenstock.
Jm fünf und vierzigsten nach siebzehn hundert Jahr[e]
ward mir, schon mitten im April,

Ein wunderschöner Rosenstock, der völlig aufgeblüht,
geschenket.

Jch stund, bey der besondern Schönheit, vor Lust gerührt
erstaunet still,

Und ward, in der empfundnen Lust, zum Ruhm des
Schöpfers hingelenket,

Der ein so schön geformt Geschöpf, der Blätter, Knosp-
und Bluhmen Pracht,

Aus hartem Holze steigen läßt: der Menschen Seele[n]
sinnlich macht,

Den Körpern Nas' und Augen schenkt; damit wir, a[n]
der Erde Schätzen,

So, sonder Sinn, nicht möglich wär, uns zu vergnügen,
zu ergetzen,

Jhn zu bewundern, fähig wären. Darauf verband ich
Geist und Sinnen,

Roch achtsam, sahe mit Bedacht den Schmuck, von
aussen und von innen,

Der, Blätter, Knosp- und Bluhmen deckt. Da dann,
vor andern, aus dem Grünen,

Der kleinen Knospen glänzend Roth, wie kleine fun-
kelnde Rubinen,

Mir tief in meine Seele strahlten. Jch sahe sie bedacht-
sam an,

Und fand, daß ihre Lieblichkeit darinn hauptsächlich mit
bestand,

Daß ein gedämpfter weisser Rand,
Da[,]
Der fruͤh bluͤhende Roſenſtock.
Jm fuͤnf und vierzigſten nach ſiebzehn hundert Jahr[e]
ward mir, ſchon mitten im April,

Ein wunderſchoͤner Roſenſtock, der voͤllig aufgebluͤht,
geſchenket.

Jch ſtund, bey der beſondern Schoͤnheit, vor Luſt geruͤhrt
erſtaunet ſtill,

Und ward, in der empfundnen Luſt, zum Ruhm des
Schoͤpfers hingelenket,

Der ein ſo ſchoͤn geformt Geſchoͤpf, der Blaͤtter, Knoſp-
und Bluhmen Pracht,

Aus hartem Holze ſteigen laͤßt: der Menſchen Seele[n]
ſinnlich macht,

Den Koͤrpern Naſ’ und Augen ſchenkt; damit wir, a[n]
der Erde Schaͤtzen,

So, ſonder Sinn, nicht moͤglich waͤr, uns zu vergnuͤgen,
zu ergetzen,

Jhn zu bewundern, faͤhig waͤren. Darauf verband ich
Geiſt und Sinnen,

Roch achtſam, ſahe mit Bedacht den Schmuck, von
auſſen und von innen,

Der, Blaͤtter, Knoſp- und Bluhmen deckt. Da dann,
vor andern, aus dem Gruͤnen,

Der kleinen Knoſpen glaͤnzend Roth, wie kleine fun-
kelnde Rubinen,

Mir tief in meine Seele ſtrahlten. Jch ſahe ſie bedacht-
ſam an,

Und fand, daß ihre Lieblichkeit darinn hauptſaͤchlich mit
beſtand,

Daß ein gedaͤmpfter weiſſer Rand,
Da[,]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0080" n="66"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Der fru&#x0364;h blu&#x0364;hende Ro&#x017F;en&#x017F;tock.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l><hi rendition="#in">J</hi>m fu&#x0364;nf und vierzig&#x017F;ten nach &#x017F;iebzehn hundert Jahr<supplied>e</supplied><lb/><hi rendition="#et">ward mir, &#x017F;chon mitten im April,</hi></l><lb/>
                <l>Ein wunder&#x017F;cho&#x0364;ner Ro&#x017F;en&#x017F;tock, der vo&#x0364;llig aufgeblu&#x0364;ht,<lb/><hi rendition="#et">ge&#x017F;chenket.</hi></l><lb/>
                <l>Jch &#x017F;tund, bey der be&#x017F;ondern Scho&#x0364;nheit, vor Lu&#x017F;t geru&#x0364;hrt<lb/><hi rendition="#et">er&#x017F;taunet &#x017F;till,</hi></l><lb/>
                <l>Und ward, in der empfundnen Lu&#x017F;t, zum Ruhm des<lb/><hi rendition="#et">Scho&#x0364;pfers hingelenket,</hi></l><lb/>
                <l>Der ein &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n geformt Ge&#x017F;cho&#x0364;pf, der Bla&#x0364;tter, Kno&#x017F;p-<lb/><hi rendition="#et">und Bluhmen Pracht,</hi></l><lb/>
                <l>Aus hartem Holze &#x017F;teigen la&#x0364;ßt: der Men&#x017F;chen Seele<supplied>n</supplied><lb/><hi rendition="#et">&#x017F;innlich macht,</hi></l><lb/>
                <l>Den Ko&#x0364;rpern Na&#x017F;&#x2019; und Augen &#x017F;chenkt; damit wir, a<supplied>n</supplied><lb/><hi rendition="#et">der Erde Scha&#x0364;tzen,</hi></l><lb/>
                <l>So, &#x017F;onder Sinn, nicht mo&#x0364;glich wa&#x0364;r, uns zu vergnu&#x0364;gen,<lb/><hi rendition="#et">zu ergetzen,</hi></l><lb/>
                <l>Jhn zu bewundern, fa&#x0364;hig wa&#x0364;ren. Darauf verband ich<lb/><hi rendition="#et">Gei&#x017F;t und Sinnen,</hi></l><lb/>
                <l>Roch acht&#x017F;am, &#x017F;ahe mit Bedacht den Schmuck, von<lb/><hi rendition="#et">au&#x017F;&#x017F;en und von innen,</hi></l><lb/>
                <l>Der, Bla&#x0364;tter, Kno&#x017F;p- und Bluhmen deckt. Da dann,<lb/><hi rendition="#et">vor andern, aus dem Gru&#x0364;nen,</hi></l><lb/>
                <l>Der kleinen Kno&#x017F;pen gla&#x0364;nzend Roth, wie kleine fun-<lb/><hi rendition="#et">kelnde Rubinen,</hi></l><lb/>
                <l>Mir tief in meine Seele &#x017F;trahlten. Jch &#x017F;ahe &#x017F;ie bedacht-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;am an,</hi></l><lb/>
                <l>Und fand, daß ihre Lieblichkeit darinn haupt&#x017F;a&#x0364;chlich mit<lb/><hi rendition="#et">be&#x017F;tand,</hi></l><lb/>
                <l>Daß ein geda&#x0364;mpfter wei&#x017F;&#x017F;er Rand,</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Da<supplied>,</supplied></fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0080] Der fruͤh bluͤhende Roſenſtock. Jm fuͤnf und vierzigſten nach ſiebzehn hundert Jahre ward mir, ſchon mitten im April, Ein wunderſchoͤner Roſenſtock, der voͤllig aufgebluͤht, geſchenket. Jch ſtund, bey der beſondern Schoͤnheit, vor Luſt geruͤhrt erſtaunet ſtill, Und ward, in der empfundnen Luſt, zum Ruhm des Schoͤpfers hingelenket, Der ein ſo ſchoͤn geformt Geſchoͤpf, der Blaͤtter, Knoſp- und Bluhmen Pracht, Aus hartem Holze ſteigen laͤßt: der Menſchen Seelen ſinnlich macht, Den Koͤrpern Naſ’ und Augen ſchenkt; damit wir, an der Erde Schaͤtzen, So, ſonder Sinn, nicht moͤglich waͤr, uns zu vergnuͤgen, zu ergetzen, Jhn zu bewundern, faͤhig waͤren. Darauf verband ich Geiſt und Sinnen, Roch achtſam, ſahe mit Bedacht den Schmuck, von auſſen und von innen, Der, Blaͤtter, Knoſp- und Bluhmen deckt. Da dann, vor andern, aus dem Gruͤnen, Der kleinen Knoſpen glaͤnzend Roth, wie kleine fun- kelnde Rubinen, Mir tief in meine Seele ſtrahlten. Jch ſahe ſie bedacht- ſam an, Und fand, daß ihre Lieblichkeit darinn hauptſaͤchlich mit beſtand, Daß ein gedaͤmpfter weiſſer Rand, Da,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/80
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/80>, abgerufen am 28.03.2024.