Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Betrachtung der Herbst-Bluhme, Aster.
Es glänzt in allen diesen Bluhmen, an Gelb' und Ründ',
ein Sonnen-Bild,

Das den, der es genau betrachtet, mit ganz besondrer
Lust erfüllt.
Der gleichsam güldne runde Körper, so Regel-recht
geformt, bestehet

Aus ungezählten kleinen Puncten, die all' auf eine Weis'
erhöhet;

Doch aber in so seltnem Rang, und fremder Ordnung,
daß ich nimmer

Dergleichen sonst bemerket habe. Der kleinen Pünctchen
gelber Schimmer

Scheint in der Ründe nur zu stehn.
Allein, betrachtet man sie recht; so sieht man sie zugleich
sich drehn,

Und Neben-Zirkelchen formieren: die künstlich dergestalt
sich schwingen,

Daß sie besondre Ranken machen, und, mit besondrer
Zierlichkeit,

So richtig durch einander laufen, daß es ein achtsam
Aug' erfreut.

Kein Künstler würd' auf die Figuren, die sich in dieser
Bluhm' entdecken,

Mit aller Müh, gerathen können.
"Laßt uns der künstlichen Natur denn doch ein acht-
sam Auge gönnen,

"Der Striche Richtigkeit bewundern, die Schönheit
der Erfindung preisen,

"Und als vernünftige Beschauer der zierlichen Geschöpf'
uns weisen!
"Zu
8 Theil. Q
Betrachtung der Herbſt-Bluhme, Aſter.
Es glaͤnzt in allen dieſen Bluhmen, an Gelb’ und Ruͤnd’,
ein Sonnen-Bild,

Das den, der es genau betrachtet, mit ganz beſondrer
Luſt erfuͤllt.
Der gleichſam guͤldne runde Koͤrper, ſo Regel-recht
geformt, beſtehet

Aus ungezaͤhlten kleinen Puncten, die all’ auf eine Weiſ’
erhoͤhet;

Doch aber in ſo ſeltnem Rang, und fremder Ordnung,
daß ich nimmer

Dergleichen ſonſt bemerket habe. Der kleinen Puͤnctchen
gelber Schimmer

Scheint in der Ruͤnde nur zu ſtehn.
Allein, betrachtet man ſie recht; ſo ſieht man ſie zugleich
ſich drehn,

Und Neben-Zirkelchen formieren: die kuͤnſtlich dergeſtalt
ſich ſchwingen,

Daß ſie beſondre Ranken machen, und, mit beſondrer
Zierlichkeit,

So richtig durch einander laufen, daß es ein achtſam
Aug’ erfreut.

Kein Kuͤnſtler wuͤrd’ auf die Figuren, die ſich in dieſer
Bluhm’ entdecken,

Mit aller Muͤh, gerathen koͤnnen.
“Laßt uns der kuͤnſtlichen Natur denn doch ein acht-
ſam Auge goͤnnen,

“Der Striche Richtigkeit bewundern, die Schoͤnheit
der Erfindung preiſen,

“Und als vernuͤnftige Beſchauer der zierlichen Geſchoͤpf’
uns weiſen!
“Zu
8 Theil. Q
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0255" n="241"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Betrachtung der Herb&#x017F;t-Bluhme, A&#x017F;ter.</hi> </fw><lb/>
              <lg n="6">
                <l>Es gla&#x0364;nzt in allen die&#x017F;en Bluhmen, an Gelb&#x2019; und Ru&#x0364;nd&#x2019;,<lb/><hi rendition="#et">ein Sonnen-Bild,</hi></l><lb/>
                <l>Das den, der es genau betrachtet, mit ganz be&#x017F;ondrer<lb/><hi rendition="#et">Lu&#x017F;t erfu&#x0364;llt.</hi></l>
              </lg><lb/>
              <lg n="7">
                <l>Der gleich&#x017F;am gu&#x0364;ldne runde Ko&#x0364;rper, &#x017F;o Regel-recht<lb/><hi rendition="#et">geformt, be&#x017F;tehet</hi></l><lb/>
                <l>Aus ungeza&#x0364;hlten kleinen Puncten, die all&#x2019; auf eine Wei&#x017F;&#x2019;<lb/><hi rendition="#et">erho&#x0364;het;</hi></l><lb/>
                <l>Doch aber in &#x017F;o &#x017F;eltnem Rang, und fremder Ordnung,<lb/><hi rendition="#et">daß ich nimmer</hi></l><lb/>
                <l>Dergleichen &#x017F;on&#x017F;t bemerket habe. Der kleinen Pu&#x0364;nctchen<lb/><hi rendition="#et">gelber Schimmer</hi></l><lb/>
                <l>Scheint in der Ru&#x0364;nde nur zu &#x017F;tehn.</l><lb/>
                <l>Allein, betrachtet man &#x017F;ie recht; &#x017F;o &#x017F;ieht man &#x017F;ie zugleich<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ich drehn,</hi></l><lb/>
                <l>Und Neben-Zirkelchen formieren: die ku&#x0364;n&#x017F;tlich derge&#x017F;talt<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ich &#x017F;chwingen,</hi></l><lb/>
                <l>Daß &#x017F;ie be&#x017F;ondre Ranken machen, und, mit be&#x017F;ondrer<lb/><hi rendition="#et">Zierlichkeit,</hi></l><lb/>
                <l>So richtig durch einander laufen, daß es ein acht&#x017F;am<lb/><hi rendition="#et">Aug&#x2019; erfreut.</hi></l><lb/>
                <l>Kein Ku&#x0364;n&#x017F;tler wu&#x0364;rd&#x2019; auf die Figuren, die &#x017F;ich in die&#x017F;er<lb/><hi rendition="#et">Bluhm&#x2019; entdecken,</hi></l><lb/>
                <l>Mit aller Mu&#x0364;h, gerathen ko&#x0364;nnen.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="8">
                <l>&#x201C;Laßt uns der ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Natur denn doch ein acht-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;am Auge go&#x0364;nnen,</hi></l><lb/>
                <l>&#x201C;Der Striche Richtigkeit bewundern, die Scho&#x0364;nheit<lb/><hi rendition="#et">der Erfindung prei&#x017F;en,</hi></l><lb/>
                <l>&#x201C;Und als vernu&#x0364;nftige Be&#x017F;chauer der zierlichen Ge&#x017F;cho&#x0364;pf&#x2019;<lb/><hi rendition="#et">uns wei&#x017F;en!</hi></l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">8 Theil. Q</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">&#x201C;Zu</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[241/0255] Betrachtung der Herbſt-Bluhme, Aſter. Es glaͤnzt in allen dieſen Bluhmen, an Gelb’ und Ruͤnd’, ein Sonnen-Bild, Das den, der es genau betrachtet, mit ganz beſondrer Luſt erfuͤllt. Der gleichſam guͤldne runde Koͤrper, ſo Regel-recht geformt, beſtehet Aus ungezaͤhlten kleinen Puncten, die all’ auf eine Weiſ’ erhoͤhet; Doch aber in ſo ſeltnem Rang, und fremder Ordnung, daß ich nimmer Dergleichen ſonſt bemerket habe. Der kleinen Puͤnctchen gelber Schimmer Scheint in der Ruͤnde nur zu ſtehn. Allein, betrachtet man ſie recht; ſo ſieht man ſie zugleich ſich drehn, Und Neben-Zirkelchen formieren: die kuͤnſtlich dergeſtalt ſich ſchwingen, Daß ſie beſondre Ranken machen, und, mit beſondrer Zierlichkeit, So richtig durch einander laufen, daß es ein achtſam Aug’ erfreut. Kein Kuͤnſtler wuͤrd’ auf die Figuren, die ſich in dieſer Bluhm’ entdecken, Mit aller Muͤh, gerathen koͤnnen. “Laßt uns der kuͤnſtlichen Natur denn doch ein acht- ſam Auge goͤnnen, “Der Striche Richtigkeit bewundern, die Schoͤnheit der Erfindung preiſen, “Und als vernuͤnftige Beſchauer der zierlichen Geſchoͤpf’ uns weiſen! “Zu 8 Theil. Q

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/255
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/255>, abgerufen am 19.04.2024.