Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Seneca,
Lib. de Or. Sap. XXXII.
Curiosum nobis Natura ingenium dedit: et artis
sibi ac pulchritudinis suae conscia, Spectatores
nos tantis rerum spectaculis genuit. Perditura fru-
ctum sui, si tam magna, tam clara, tam subtiliter
ducta, tam nitida et non vno genere formosa, soli-
tudini ostenderet.

Uebersetzt.
Es gab die wirkende Natur uns einen Geist voll Neu-
begier;

Und, da sie sich selbst ihrer Kunst bewußt, und deß, was
an ihr schön:

Hat sie uns, ihre Treff lichkeiten und schöne Schauspiel'
anzusehn,

Erzeuget und uns werden lassen. Sie würd' auch selbst
die Frucht von ihr

Und ihrer Absicht Zweck verlieren, wenn solche große
Herrlichkeiten,

So künstlich- und so zarter Werke, voll glänzenden Voll-
kommenheiten,

Die auf viel tausend Arten schön, nur bloß einsiedlerische
Wüsten,

Von allem Geist und Denken leer, und ohn' Empfindung,
sehen müßten.


Die
Seneca,
Lib. de Or. Sap. XXXII.
Curioſum nobis Natura ingenium dedit: et artis
ſibi ac pulchritudinis ſuæ conſcia, Spectatores
nos tantis rerum ſpectaculis genuit. Perditura fru-
ctum ſui, ſi tam magna, tam clara, tam ſubtiliter
ducta, tam nitida et non vno genere formoſa, ſoli-
tudini oſtenderet.

Ueberſetzt.
Es gab die wirkende Natur uns einen Geiſt voll Neu-
begier;

Und, da ſie ſich ſelbſt ihrer Kunſt bewußt, und deß, was
an ihr ſchoͤn:

Hat ſie uns, ihre Treff lichkeiten und ſchoͤne Schauſpiel’
anzuſehn,

Erzeuget und uns werden laſſen. Sie wuͤrd’ auch ſelbſt
die Frucht von ihr

Und ihrer Abſicht Zweck verlieren, wenn ſolche große
Herrlichkeiten,

So kuͤnſtlich- und ſo zarter Werke, voll glaͤnzenden Voll-
kommenheiten,

Die auf viel tauſend Arten ſchoͤn, nur bloß einſiedleriſche
Wuͤſten,

Von allem Geiſt und Denken leer, und ohn’ Empfindung,
ſehen muͤßten.


Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0536" n="522"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#i">Seneca</hi>,<lb/>
Lib. de Or. Sap. XXXII.</hi> </hi> </head><lb/>
            <cit>
              <quote>
                <lg type="poem">
                  <l> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#in">C</hi>urio&#x017F;um nobis Natura ingenium dedit: et artis</hi> </l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#aq">&#x017F;ibi ac pulchritudinis &#x017F;uæ con&#x017F;cia, Spectatores</hi> </l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#aq">nos tantis rerum &#x017F;pectaculis genuit. Perditura fru-</hi> </l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#aq">ctum &#x017F;ui, &#x017F;i tam magna, tam clara, tam &#x017F;ubtiliter</hi> </l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#aq">ducta, tam nitida et non vno genere formo&#x017F;a, &#x017F;oli-</hi> </l><lb/>
                  <l> <hi rendition="#aq">tudini o&#x017F;tenderet.</hi> </l>
                </lg>
              </quote>
            </cit><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Ueber&#x017F;etzt.</hi> </head><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">E</hi>s gab die wirkende Natur uns einen Gei&#x017F;t voll Neu-<lb/><hi rendition="#et">begier;</hi></l><lb/>
                <l>Und, da &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ihrer Kun&#x017F;t bewußt, und deß, was<lb/><hi rendition="#et">an ihr &#x017F;cho&#x0364;n:</hi></l><lb/>
                <l>Hat &#x017F;ie uns, ihre Treff lichkeiten und &#x017F;cho&#x0364;ne Schau&#x017F;piel&#x2019;<lb/><hi rendition="#et">anzu&#x017F;ehn,</hi></l><lb/>
                <l>Erzeuget und uns werden la&#x017F;&#x017F;en. Sie wu&#x0364;rd&#x2019; auch &#x017F;elb&#x017F;t<lb/><hi rendition="#et">die Frucht von ihr</hi></l><lb/>
                <l>Und ihrer Ab&#x017F;icht Zweck verlieren, wenn &#x017F;olche große<lb/><hi rendition="#et">Herrlichkeiten,</hi></l><lb/>
                <l>So ku&#x0364;n&#x017F;tlich- und &#x017F;o zarter Werke, voll gla&#x0364;nzenden Voll-<lb/><hi rendition="#et">kommenheiten,</hi></l><lb/>
                <l>Die auf viel tau&#x017F;end Arten &#x017F;cho&#x0364;n, nur bloß ein&#x017F;iedleri&#x017F;che<lb/><hi rendition="#et">Wu&#x0364;&#x017F;ten,</hi></l><lb/>
                <l>Von allem Gei&#x017F;t und Denken leer, und ohn&#x2019; Empfindung,<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ehen mu&#x0364;ßten.</hi></l>
              </lg>
            </div>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Die</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[522/0536] Seneca, Lib. de Or. Sap. XXXII. Curioſum nobis Natura ingenium dedit: et artis ſibi ac pulchritudinis ſuæ conſcia, Spectatores nos tantis rerum ſpectaculis genuit. Perditura fru- ctum ſui, ſi tam magna, tam clara, tam ſubtiliter ducta, tam nitida et non vno genere formoſa, ſoli- tudini oſtenderet. Ueberſetzt. Es gab die wirkende Natur uns einen Geiſt voll Neu- begier; Und, da ſie ſich ſelbſt ihrer Kunſt bewußt, und deß, was an ihr ſchoͤn: Hat ſie uns, ihre Treff lichkeiten und ſchoͤne Schauſpiel’ anzuſehn, Erzeuget und uns werden laſſen. Sie wuͤrd’ auch ſelbſt die Frucht von ihr Und ihrer Abſicht Zweck verlieren, wenn ſolche große Herrlichkeiten, So kuͤnſtlich- und ſo zarter Werke, voll glaͤnzenden Voll- kommenheiten, Die auf viel tauſend Arten ſchoͤn, nur bloß einſiedleriſche Wuͤſten, Von allem Geiſt und Denken leer, und ohn’ Empfindung, ſehen muͤßten. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/536
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/536>, abgerufen am 19.04.2024.