Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

Schlüsse der Vernunft.
"Da Seine Liebe, Weisheit, Ehre, ja sehr darunter
leiden müßte,

"Daß Er, da Er, zu Seiner Ehr, die Creatur her-
vorgebracht,

"Er Sich, in alle Ewigkeit, davon sodann verlästert
wüßte:

"Es hätte ja, die ewge Weisheit, hiedurch, den gan-
zen Zweck verlohrn;

"Es hätte ja, die ewge Liebe, fast einen ewgen Haß
gebohrn.

"Wenn Göttliche Gerechtigkeit von solchen Eigen-
schaften wäre,

"Daß, bloß durch sie, des Schöpfers Absicht, als
Seine Lieb' und Seine Ehre,

"Des großen Zwecks verfehlen müßte; und Gott, so
wie es würd' ergehen,

"Unstreitig, ja vorher gesehen;
"So kann die menschliche Vernunft unmöglich etwas
anders fassen,

"Als dieß: Die ewge Liebe würde nie Menschen haben
werden lassen.

Wie weit nun aber die Vernunft, in Glaubens-
Sachen, anzuhören,
Das werden deutlicher, als ich, vernünftge Geist-
lichen erklären.


Noth-

Schluͤſſe der Vernunft.
“Da Seine Liebe, Weisheit, Ehre, ja ſehr darunter
leiden muͤßte,

“Daß Er, da Er, zu Seiner Ehr, die Creatur her-
vorgebracht,

“Er Sich, in alle Ewigkeit, davon ſodann verlaͤſtert
wuͤßte:

“Es haͤtte ja, die ewge Weisheit, hiedurch, den gan-
zen Zweck verlohrn;

“Es haͤtte ja, die ewge Liebe, faſt einen ewgen Haß
gebohrn.

“Wenn Goͤttliche Gerechtigkeit von ſolchen Eigen-
ſchaften waͤre,

“Daß, bloß durch ſie, des Schoͤpfers Abſicht, als
Seine Lieb’ und Seine Ehre,

“Des großen Zwecks verfehlen muͤßte; und Gott, ſo
wie es wuͤrd’ ergehen,

“Unſtreitig, ja vorher geſehen;
“So kann die menſchliche Vernunft unmoͤglich etwas
anders faſſen,

“Als dieß: Die ewge Liebe wuͤrde nie Menſchen haben
werden laſſen.

Wie weit nun aber die Vernunft, in Glaubens-
Sachen, anzuhoͤren,
Das werden deutlicher, als ich, vernuͤnftge Geiſt-
lichen erklaͤren.


Noth-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <lg n="2">
                <pb facs="#f0557" n="543"/>
                <fw place="top" type="header">Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der Vernunft.</fw><lb/>
                <l>&#x201C;Da Seine Liebe, Weisheit, Ehre, ja &#x017F;ehr darunter<lb/><hi rendition="#et">leiden mu&#x0364;ßte,</hi></l><lb/>
                <l>&#x201C;Daß Er, da Er, zu <hi rendition="#fr">Seiner Ehr,</hi> die Creatur her-<lb/><hi rendition="#et">vorgebracht,</hi></l><lb/>
                <l>&#x201C;Er Sich, in alle Ewigkeit, davon &#x017F;odann verla&#x0364;&#x017F;tert<lb/><hi rendition="#et">wu&#x0364;ßte:</hi></l><lb/>
                <l>&#x201C;Es ha&#x0364;tte ja, die <hi rendition="#fr">ewge Weisheit,</hi> hiedurch, den gan-<lb/><hi rendition="#et">zen Zweck verlohrn;</hi></l><lb/>
                <l>&#x201C;Es ha&#x0364;tte ja, die <hi rendition="#fr">ewge Liebe,</hi> fa&#x017F;t einen ewgen Haß<lb/><hi rendition="#et">gebohrn.</hi></l>
              </lg><lb/>
              <lg n="3">
                <l>&#x201C;Wenn <hi rendition="#fr">Go&#x0364;ttliche Gerechtigkeit</hi> von &#x017F;olchen Eigen-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chaften wa&#x0364;re,</hi></l><lb/>
                <l>&#x201C;Daß, bloß durch &#x017F;ie, des Scho&#x0364;pfers Ab&#x017F;icht, als<lb/><hi rendition="#et">Seine Lieb&#x2019; und Seine Ehre,</hi></l><lb/>
                <l>&#x201C;Des großen Zwecks verfehlen mu&#x0364;ßte; und Gott, &#x017F;o<lb/><hi rendition="#et">wie es wu&#x0364;rd&#x2019; ergehen,</hi></l><lb/>
                <l>&#x201C;Un&#x017F;treitig, ja vorher ge&#x017F;ehen;</l><lb/>
                <l>&#x201C;So kann die men&#x017F;chliche Vernunft unmo&#x0364;glich etwas<lb/><hi rendition="#et">anders fa&#x017F;&#x017F;en,</hi></l><lb/>
                <l>&#x201C;Als dieß: Die ewge Liebe wu&#x0364;rde nie Men&#x017F;chen haben<lb/><hi rendition="#et">werden la&#x017F;&#x017F;en.</hi></l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr">Wie weit nun aber die Vernunft, in Glaubens-</hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">Sachen, anzuho&#x0364;ren,</hi> </hi><lb/> <hi rendition="#et">Das werden deutlicher, als ich, vernu&#x0364;nftge Gei&#x017F;t-<lb/><hi rendition="#et">lichen erkla&#x0364;ren.</hi></hi> </l>
              </lg>
            </lg>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Noth-</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[543/0557] Schluͤſſe der Vernunft. “Da Seine Liebe, Weisheit, Ehre, ja ſehr darunter leiden muͤßte, “Daß Er, da Er, zu Seiner Ehr, die Creatur her- vorgebracht, “Er Sich, in alle Ewigkeit, davon ſodann verlaͤſtert wuͤßte: “Es haͤtte ja, die ewge Weisheit, hiedurch, den gan- zen Zweck verlohrn; “Es haͤtte ja, die ewge Liebe, faſt einen ewgen Haß gebohrn. “Wenn Goͤttliche Gerechtigkeit von ſolchen Eigen- ſchaften waͤre, “Daß, bloß durch ſie, des Schoͤpfers Abſicht, als Seine Lieb’ und Seine Ehre, “Des großen Zwecks verfehlen muͤßte; und Gott, ſo wie es wuͤrd’ ergehen, “Unſtreitig, ja vorher geſehen; “So kann die menſchliche Vernunft unmoͤglich etwas anders faſſen, “Als dieß: Die ewge Liebe wuͤrde nie Menſchen haben werden laſſen. Wie weit nun aber die Vernunft, in Glaubens- Sachen, anzuhoͤren, Das werden deutlicher, als ich, vernuͤnftge Geiſt- lichen erklaͤren. Noth-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/557
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/557>, abgerufen am 19.04.2024.