Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Mittel gegen die Unachtsamkeit.
Daß man an so vielem Guten sich so selten nur ver-
gnügt,

Kommt, daß der Gewohnheit Stärke die Aufmerksamkeit
besiegt.

Doch, es schadet zum Vergnügen die Gewohnheit nicht
allein;

Nein, auch dieß, daß die Gedanken mehrentheils zer-
streuet seyn,

Der Beschäfftigungen Vielheit, und der Vorwürf'.
Es verhindern

Auch die Trägheit des Gemüths, nebst der Unempfind-
lichkeit,

Andrer Jrrenden Exempel, Stolz und Unzufriedenheit,
Den Genuß des vielen Guten. Diese Feinde muß man
mindern,

Und sie zu bekämpfen suchen, eh wir zur Aufmerksamkeit,
Als dem Schlüssel zum Vergnügen und zum Dank, ge-
langen können.
Wann nun dieses sonder Mühe, ja fast sonder Kampf
und Streit,

Nicht erhalten werden kann,
Und sie wirklich eine Kunst, eine solche Kunst zu nennen,
Welche nicht so leicht zu lernen; ach! so fange man
doch an,

Sich mit Sorgfalt zu bemühn,
Die sich stets zerstreunden Blicke, den nicht minder flücht-
gen Geist,

Zu bezähmen, und sie beyde fest auf einen Punkt zu ziehn,
Weil, auf solche Art zu sehen, eigentlich nur sehen heißt.
Beyder
Mittel gegen die Unachtſamkeit.
Daß man an ſo vielem Guten ſich ſo ſelten nur ver-
gnuͤgt,

Kommt, daß der Gewohnheit Staͤrke die Aufmerkſamkeit
beſiegt.

Doch, es ſchadet zum Vergnuͤgen die Gewohnheit nicht
allein;

Nein, auch dieß, daß die Gedanken mehrentheils zer-
ſtreuet ſeyn,

Der Beſchaͤfftigungen Vielheit, und der Vorwuͤrf’.
Es verhindern

Auch die Traͤgheit des Gemuͤths, nebſt der Unempfind-
lichkeit,

Andrer Jrrenden Exempel, Stolz und Unzufriedenheit,
Den Genuß des vielen Guten. Dieſe Feinde muß man
mindern,

Und ſie zu bekaͤmpfen ſuchen, eh wir zur Aufmerkſamkeit,
Als dem Schluͤſſel zum Vergnuͤgen und zum Dank, ge-
langen koͤnnen.
Wann nun dieſes ſonder Muͤhe, ja faſt ſonder Kampf
und Streit,

Nicht erhalten werden kann,
Und ſie wirklich eine Kunſt, eine ſolche Kunſt zu nennen,
Welche nicht ſo leicht zu lernen; ach! ſo fange man
doch an,

Sich mit Sorgfalt zu bemuͤhn,
Die ſich ſtets zerſtreunden Blicke, den nicht minder fluͤcht-
gen Geiſt,

Zu bezaͤhmen, und ſie beyde feſt auf einen Punkt zu ziehn,
Weil, auf ſolche Art zu ſehen, eigentlich nur ſehen heißt.
Beyder
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0586" n="572"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Mittel gegen die Unacht&#x017F;amkeit.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l><hi rendition="#in">D</hi>aß man an &#x017F;o vielem Guten &#x017F;ich &#x017F;o &#x017F;elten nur ver-<lb/><hi rendition="#et">gnu&#x0364;gt,</hi></l><lb/>
                <l>Kommt, daß der Gewohnheit Sta&#x0364;rke die Aufmerk&#x017F;amkeit<lb/><hi rendition="#et">be&#x017F;iegt.</hi></l><lb/>
                <l>Doch, es &#x017F;chadet zum Vergnu&#x0364;gen die <hi rendition="#fr">Gewohnheit</hi> nicht<lb/><hi rendition="#et">allein;</hi></l><lb/>
                <l>Nein, auch dieß, daß die <hi rendition="#fr">Gedanken</hi> mehrentheils <hi rendition="#fr">zer-</hi><lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">&#x017F;treuet</hi> &#x017F;eyn,</hi></l><lb/>
                <l>Der <hi rendition="#fr">Be&#x017F;cha&#x0364;fftigungen Vielheit,</hi> und der <hi rendition="#fr">Vorwu&#x0364;rf&#x2019;.</hi><lb/><hi rendition="#et">Es verhindern</hi></l><lb/>
                <l>Auch die <hi rendition="#fr">Tra&#x0364;gheit des Gemu&#x0364;ths,</hi> neb&#x017F;t der <hi rendition="#fr">Unempfind-</hi><lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">lichkeit,</hi></hi></l><lb/>
                <l>Andrer Jrrenden <hi rendition="#fr">Exempel, Stolz</hi> und <hi rendition="#fr">Unzufriedenheit,</hi></l><lb/>
                <l>Den Genuß des vielen Guten. Die&#x017F;e Feinde muß man<lb/><hi rendition="#et">mindern,</hi></l><lb/>
                <l>Und &#x017F;ie zu beka&#x0364;mpfen &#x017F;uchen, eh wir zur <hi rendition="#fr">Aufmerk&#x017F;amkeit,</hi></l><lb/>
                <l>Als dem Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el zum Vergnu&#x0364;gen und zum Dank, ge-<lb/><hi rendition="#et">langen ko&#x0364;nnen.</hi></l>
              </lg><lb/>
              <lg n="2">
                <l>Wann nun die&#x017F;es &#x017F;onder Mu&#x0364;he, ja fa&#x017F;t &#x017F;onder Kampf<lb/><hi rendition="#et">und Streit,</hi></l><lb/>
                <l>Nicht erhalten werden kann,</l><lb/>
                <l>Und &#x017F;ie wirklich eine Kun&#x017F;t, eine &#x017F;olche Kun&#x017F;t zu nennen,</l><lb/>
                <l>Welche nicht &#x017F;o leicht zu lernen; ach! &#x017F;o fange man<lb/><hi rendition="#et">doch an,</hi></l><lb/>
                <l>Sich mit Sorgfalt zu bemu&#x0364;hn,</l><lb/>
                <l>Die &#x017F;ich &#x017F;tets zer&#x017F;treunden Blicke, den nicht minder flu&#x0364;cht-<lb/><hi rendition="#et">gen Gei&#x017F;t,</hi></l><lb/>
                <l>Zu beza&#x0364;hmen, und &#x017F;ie beyde fe&#x017F;t auf einen Punkt zu ziehn,</l><lb/>
                <l>Weil, auf &#x017F;olche Art zu &#x017F;ehen, eigentlich nur &#x017F;ehen heißt.</l><lb/>
                <fw place="bottom" type="catch">Beyder</fw><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[572/0586] Mittel gegen die Unachtſamkeit. Daß man an ſo vielem Guten ſich ſo ſelten nur ver- gnuͤgt, Kommt, daß der Gewohnheit Staͤrke die Aufmerkſamkeit beſiegt. Doch, es ſchadet zum Vergnuͤgen die Gewohnheit nicht allein; Nein, auch dieß, daß die Gedanken mehrentheils zer- ſtreuet ſeyn, Der Beſchaͤfftigungen Vielheit, und der Vorwuͤrf’. Es verhindern Auch die Traͤgheit des Gemuͤths, nebſt der Unempfind- lichkeit, Andrer Jrrenden Exempel, Stolz und Unzufriedenheit, Den Genuß des vielen Guten. Dieſe Feinde muß man mindern, Und ſie zu bekaͤmpfen ſuchen, eh wir zur Aufmerkſamkeit, Als dem Schluͤſſel zum Vergnuͤgen und zum Dank, ge- langen koͤnnen. Wann nun dieſes ſonder Muͤhe, ja faſt ſonder Kampf und Streit, Nicht erhalten werden kann, Und ſie wirklich eine Kunſt, eine ſolche Kunſt zu nennen, Welche nicht ſo leicht zu lernen; ach! ſo fange man doch an, Sich mit Sorgfalt zu bemuͤhn, Die ſich ſtets zerſtreunden Blicke, den nicht minder fluͤcht- gen Geiſt, Zu bezaͤhmen, und ſie beyde feſt auf einen Punkt zu ziehn, Weil, auf ſolche Art zu ſehen, eigentlich nur ſehen heißt. Beyder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/586
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/586>, abgerufen am 24.04.2024.