Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Gedichte
4. Des Geschmacks.
Was könnten wir vor Lust im Schmecken,
Wenn man daran nur dächt', entdecken!
Es sind die Kräfte nicht zu zählen, die in den eßbarn
Körpern stecken;
Doch wären sie für uns nicht da, wofern nicht eine
Wunderkraft
Jn unsrer Zungen Bau gesenket, und die empfindend'
Eigenschaft,
So manchen Saft zu unterscheiden. Bewundert doch,
wie unsre Seelen
Mit so viel Wesen dieser Welt, durch dieses Werk-
zeug, sich vermählen.
Auf! laßt uns denn mit Freuden trinken, auf! laßt
uns mit Vergnügen essen,
Dieß ist des Schöpfers Will' und Absicht. Wenn
wir dabey nun auch ermessen,
Daß uns, ein liebreich weises Wesen, mit einer sol-
chen Wundergabe,
Der Erden Schätze zu genießen, aus lauter Huld be-
schenket habe,
Sein Freundlich-seyn im Schmecken schmecken; so ha-
ben wir mit unsern Zungen,
Auch wenn wir essen, ihm gedient, und Gott, in
unsrer Lust, besungen.


5. Des
Vermiſchte Gedichte
4. Des Geſchmacks.
Was koͤnnten wir vor Luſt im Schmecken,
Wenn man daran nur daͤcht’, entdecken!
Es ſind die Kraͤfte nicht zu zaͤhlen, die in den eßbarn
Koͤrpern ſtecken;
Doch waͤren ſie fuͤr uns nicht da, wofern nicht eine
Wunderkraft
Jn unſrer Zungen Bau geſenket, und die empfindend’
Eigenſchaft,
So manchen Saft zu unterſcheiden. Bewundert doch,
wie unſre Seelen
Mit ſo viel Weſen dieſer Welt, durch dieſes Werk-
zeug, ſich vermaͤhlen.
Auf! laßt uns denn mit Freuden trinken, auf! laßt
uns mit Vergnuͤgen eſſen,
Dieß iſt des Schoͤpfers Will’ und Abſicht. Wenn
wir dabey nun auch ermeſſen,
Daß uns, ein liebreich weiſes Weſen, mit einer ſol-
chen Wundergabe,
Der Erden Schaͤtze zu genießen, aus lauter Huld be-
ſchenket habe,
Sein Freundlich-ſeyn im Schmecken ſchmecken; ſo ha-
ben wir mit unſern Zungen,
Auch wenn wir eſſen, ihm gedient, und Gott, in
unſrer Luſt, beſungen.


5. Des
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0418" n="398"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermi&#x017F;chte Gedichte</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">4. Des Ge&#x017F;chmacks.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">W</hi>as ko&#x0364;nnten wir vor Lu&#x017F;t im Schmecken,</l><lb/>
              <l>Wenn man daran nur da&#x0364;cht&#x2019;, entdecken!</l><lb/>
              <l>Es &#x017F;ind die Kra&#x0364;fte nicht zu za&#x0364;hlen, die in den eßbarn</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Ko&#x0364;rpern &#x017F;tecken;</hi> </l><lb/>
              <l>Doch wa&#x0364;ren &#x017F;ie fu&#x0364;r uns nicht da, wofern nicht eine</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Wunderkraft</hi> </l><lb/>
              <l>Jn un&#x017F;rer Zungen Bau ge&#x017F;enket, und die empfindend&#x2019;</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Eigen&#x017F;chaft,</hi> </l><lb/>
              <l>So manchen Saft zu unter&#x017F;cheiden. Bewundert doch,</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">wie un&#x017F;re Seelen</hi> </l><lb/>
              <l>Mit &#x017F;o viel We&#x017F;en die&#x017F;er Welt, durch die&#x017F;es Werk-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">zeug, &#x017F;ich verma&#x0364;hlen.</hi> </l><lb/>
              <l>Auf! laßt uns denn mit Freuden trinken, auf! laßt</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">uns mit Vergnu&#x0364;gen e&#x017F;&#x017F;en,</hi> </l><lb/>
              <l>Dieß i&#x017F;t des Scho&#x0364;pfers Will&#x2019; und Ab&#x017F;icht. Wenn</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">wir dabey nun auch erme&#x017F;&#x017F;en,</hi> </l><lb/>
              <l>Daß uns, ein liebreich wei&#x017F;es We&#x017F;en, mit einer &#x017F;ol-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">chen Wundergabe,</hi> </l><lb/>
              <l>Der Erden Scha&#x0364;tze zu genießen, aus lauter Huld be-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">&#x017F;chenket habe,</hi> </l><lb/>
              <l>Sein Freundlich-&#x017F;eyn im Schmecken &#x017F;chmecken; &#x017F;o ha-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">ben wir mit un&#x017F;ern Zungen,</hi> </l><lb/>
              <l>Auch wenn wir e&#x017F;&#x017F;en, ihm gedient, und Gott, in</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">un&#x017F;rer Lu&#x017F;t, be&#x017F;ungen.</hi> </l>
            </lg>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">5. Des</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[398/0418] Vermiſchte Gedichte 4. Des Geſchmacks. Was koͤnnten wir vor Luſt im Schmecken, Wenn man daran nur daͤcht’, entdecken! Es ſind die Kraͤfte nicht zu zaͤhlen, die in den eßbarn Koͤrpern ſtecken; Doch waͤren ſie fuͤr uns nicht da, wofern nicht eine Wunderkraft Jn unſrer Zungen Bau geſenket, und die empfindend’ Eigenſchaft, So manchen Saft zu unterſcheiden. Bewundert doch, wie unſre Seelen Mit ſo viel Weſen dieſer Welt, durch dieſes Werk- zeug, ſich vermaͤhlen. Auf! laßt uns denn mit Freuden trinken, auf! laßt uns mit Vergnuͤgen eſſen, Dieß iſt des Schoͤpfers Will’ und Abſicht. Wenn wir dabey nun auch ermeſſen, Daß uns, ein liebreich weiſes Weſen, mit einer ſol- chen Wundergabe, Der Erden Schaͤtze zu genießen, aus lauter Huld be- ſchenket habe, Sein Freundlich-ſeyn im Schmecken ſchmecken; ſo ha- ben wir mit unſern Zungen, Auch wenn wir eſſen, ihm gedient, und Gott, in unſrer Luſt, beſungen. 5. Des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/418
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/418>, abgerufen am 25.04.2024.