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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

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zum irdischen Vergnügen in Gott.
Das vergebliche Grübeln.
Ein Geist, der ja nicht leugnen kann, und offenbar
muß zugestehn,

Daß er so wenig eines Geists als Körpers Wesen einzusehn
Die Kraft und Fähigkeit besitzt, der sollte sich wahrhaftig
schämen,

Der Engel Sprache schon zu führen, und sich so viel
herauszunehmen,

Der Gottheit unerforschlich Wesen zu untersuchen, zu
ergründen,

Es richtermäßig zu entscheiden, gebieterisch den Spruch
zu thun:

So sey die Gottheit, und nicht anders! Ach ließen wir
den Hochmuth schwinden,

Der uns allein dazu verführt, und es bey diesem Satz
beruhn:
Statt das allerhöchste Wesen zu erforschen und
zu zeigen;

Ehr' und bete man ihn an durch ein ehrerbietigs
Schweigen!

Jn sein unermäßlichs All, wie ins tiefe Meer ein
Stein,

Senkt, nebst unserm Geist und Wesen, alles Wesen
sich hinein.

Um zu wissen, wer er ist, müssen wir, er selber,
seyn.


Der
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zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Das vergebliche Gruͤbeln.
Ein Geiſt, der ja nicht leugnen kann, und offenbar
muß zugeſtehn,

Daß er ſo wenig eines Geiſts als Koͤrpers Weſen einzuſehn
Die Kraft und Faͤhigkeit beſitzt, der ſollte ſich wahrhaftig
ſchaͤmen,

Der Engel Sprache ſchon zu fuͤhren, und ſich ſo viel
herauszunehmen,

Der Gottheit unerforſchlich Weſen zu unterſuchen, zu
ergruͤnden,

Es richtermaͤßig zu entſcheiden, gebieteriſch den Spruch
zu thun:

So ſey die Gottheit, und nicht anders! Ach ließen wir
den Hochmuth ſchwinden,

Der uns allein dazu verfuͤhrt, und es bey dieſem Satz
beruhn:
Statt das allerhoͤchſte Weſen zu erforſchen und
zu zeigen;

Ehr’ und bete man ihn an durch ein ehrerbietigs
Schweigen!

Jn ſein unermaͤßlichs All, wie ins tiefe Meer ein
Stein,

Senkt, nebſt unſerm Geiſt und Weſen, alles Weſen
ſich hinein.

Um zu wiſſen, wer er iſt, muͤſſen wir, er ſelber,
ſeyn.


Der
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[435/0455] zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott. Das vergebliche Gruͤbeln. Ein Geiſt, der ja nicht leugnen kann, und offenbar muß zugeſtehn, Daß er ſo wenig eines Geiſts als Koͤrpers Weſen einzuſehn Die Kraft und Faͤhigkeit beſitzt, der ſollte ſich wahrhaftig ſchaͤmen, Der Engel Sprache ſchon zu fuͤhren, und ſich ſo viel herauszunehmen, Der Gottheit unerforſchlich Weſen zu unterſuchen, zu ergruͤnden, Es richtermaͤßig zu entſcheiden, gebieteriſch den Spruch zu thun: So ſey die Gottheit, und nicht anders! Ach ließen wir den Hochmuth ſchwinden, Der uns allein dazu verfuͤhrt, und es bey dieſem Satz beruhn: Statt das allerhoͤchſte Weſen zu erforſchen und zu zeigen; Ehr’ und bete man ihn an durch ein ehrerbietigs Schweigen! Jn ſein unermaͤßlichs All, wie ins tiefe Meer ein Stein, Senkt, nebſt unſerm Geiſt und Weſen, alles Weſen ſich hinein. Um zu wiſſen, wer er iſt, muͤſſen wir, er ſelber, ſeyn. Der E e 2

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/455>, abgerufen am 28.03.2024.